Die Warburg-Gruppe, zu der die Privatbank M.M. Warburg & CO und das Family Office Marcard, Stein & Co gehören, hat das Geschäftsjahr 2023 mit einem positiven Jahresergebnis von 10 Millionen Euro abgeschlossen. 2022 beendete das Unternehmen mit einem deutlichen Jahresfehlbetrag von 34,6 Millionen Euro.
Das Geschäftsjahr 2023 stand ganz im Zeichen verbleibender Aufräumarbeiten. So wurden beispielsweise die bereits beschlossenen Verkäufe der M.M. Warburg & CO Hypothekenbank, der Warburg Invest, der Investmentplattform Capaccess sowie des App-Entwicklers W&Z Fintech umgesetzt. Warburg richtet sich aber auch auf künftiges Wachstum aus. Das zeigt die Entscheidung für das neue Kernbankensystem Atruvia, das implementiert wird.
Eigenkapitalrendite und Aufwands-Ertrags-Verhältnis ausbaufähig
Die Cum-Ex-Affäre taucht zwar gelegentlich noch in den Nachrichten auf, zuletzt im Zusammenhang mit der Einstellung des Verfahrens gegen Warburg-Gesellschafter Christian Olearius, tangiert aber nicht mehr die geschäftliche und strategische Entwicklung von Warburg.
Die Eigenkapitalrendite ist im Geschäftsjahr 2023 mit 4,3 Prozent wieder positiv ausgefallen. Zwar sollte diese langfristig eher in einer Größenordnung von acht bis zehn Prozent liegen, allerdings stellt der erreichte Wert einen Lichtblick nach einer deutlich negativen Eigenkapitalrendite von -13,3 Prozent im Jahr 2022 dar. Die Cost-Income-Ratio hat sich 2023 auf einen 96,0 Prozent nach einem Wert von 105,2 Prozent im Vorjahr verbessert, ist jedoch weiterhin deutlich von einem für Banken adäquaten Zielwert von 70 bis 80 Prozent entfernt.
Die regulatorischen Anforderungen erfüllt Warburg hingegen spielend: Die Eigenmittelquote erreichte 2023 20,8 Prozent (nach 21,2 Prozent im Vorjahr), die Liquidity Coverage Ratio (LCR) verbesserte sich auf 181,5 Prozent (von 171,7 Prozent), die Net Stable Funding Ratio (NSFR) erhöhte sich auf 207,2 Prozent (von 198,1 Prozent) und die Leverage Ratio verbesserte sich um 10 Basispunkte auf 4,5 Prozent.
Ein Ergebnistreiber war der Zinsüberschuss. Der kletterte von 70,8 Millionen Euro im Jahr 2022 auf 98,7 Millionen Euro. Als Gründe werden neben Margenausweitungen auf Grund des Zinsanstiegs im Euro- und US-Dollar-Raums die Auflösung von Zinsswaps und Ausschüttungen verbundener Unternehmen genannt.
Provisionsergebnis bricht ein
Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Volumen zinstragender Aktiva von Warburg geschrumpft ist. So verzeichnen die Forderungen an Kreditinstitute einen Rückgang um 386,9 Millionen Euro auf 531,4 Millionen Euro, die Forderungen an Kunden einen Rückgang um 114,1 Millionen Euro auf 459,6 Millionen Euro und die Schuldverschreibungen/andere festverzinsliche Wertpapiere einen Rückgang um 119,4 Millionen Euro auf 1.749,5 Millionen Euro.
Auf der Passivseite sanken die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten um 28,6 Millionen Euro auf 71,0 Millionen Euro und die Verbindlichkeiten gegenüber Kunden um 583,2 Millionen Euro auf 2.495,6 Millionen. Euro. Insgesamt schrumpfte die Bilanzsumme deutlich auf 3,3 Milliarden Euro 2023 im Vergleich zu einem Wert von 4,0 Milliarden Euro 2022. Diese Verringerung limitiert naturgemäß künftiges volumenbedingtes Wachstum des Zinsüberschusses. Das Eigenkapital hingegen stieg auf 235,5 Millionen Euro 2023 nach 225,5 Millionen Euro 2022.
Einen deutlichen Rückgang erfuhr der Provisionsüberschuss auf 66,5 Millionen Euro 2023 im Vergleich zum Vorjahresergebnis von 83,5 Millionen Euro. Als Grund hierfür wird die angespannte Kapitalmarktlage des Geschäftsjahres genannt. Besonders augenfällig wird der Rückgang, wenn man sich vor Augen hält, dass der Provisionsüberschuss im Geschäftsjahr 2021 noch 96,4 Millionen Euro betragen hatte. Angesichts des Geschäftsmodells der Bank mit den Geschäftsfeldern Private Banking, Corporate & Investment Banking und Asset Management, in denen der Provisionsüberschuss die zentrale Erlösart ist und des parallelen strategiebedingten Rückgangs des zinstragenden Geschäfts ist eine Kehrtwende dieser Entwicklung zwingend notwendig.
Bemerkenswert ist, wie sehr die Kostenbasis an das reduzierte Geschäfts- und Erlösvolumen angepasst wurde. Der Verwaltungsaufwand reduzierte sich insgesamt auf 159,8 Millionen Euro im Jahr 2023 im Vergleich zu 164,7 Millionen Euro 2022, keine geringe Leistung angesichts des im Jahr 2023 immer noch herrschenden inflationären Drucks. Der Personalaufwand sank sogar auf 70,1 Millionen Euro 2023 von 78,7 Millionen Euro 2022.
Dies ist auf einen Rückgang der Zahl der Mitarbeiter auf 620 per Jahresende 2023 im Vergleich zu 688 per Jahresultimo 2022 zurückzuführen, Ergebnis eines Freiwilligenprogramms zum vorzeitigen Ausscheiden aus der Bank. Die anderen Verwaltungsaufwendungen hingegen stiegen auf 89,7 Millionen Euro 2023 im Vergleich zu den 86,0 Millionen Euro des Jahres 2022.
Sonstige Erträge und Aufwendungen bestimmen Ergebnis
Nach wie vor beeinflusst der Saldo aus sonstigen Erträgen und Aufwendungen das Gesamtergebnis stark. 2023 lag dieser bei 11,5 Millionen Euro, 2022 war dieser mit -6,3 Millionen Euro noch deutlich negativ. Als bedeutende Posten bei den sonstigen betrieblichen Erträgen werden Erträge aus dem Betrieb von Seeschiffen, aus Geschäftsbesorgungsverträgen, aus nicht das Kreditgeschäft betreffenden Rückstellungen, die aufgelöst wurden, und aus anteiligen Mehrwertsteuererstattungen genannt. An bedeutenden sonstigen betrieblichen Aufwendungen nennt der Geschäftsbericht Aufwendungen aus dem Betrieb von Seeschiffen und der Aufzinsung von Rückstellungen.
Bemerkenswert ist nicht nur die Höhe der sonstigen Erträge und Aufwendungen, sondern auch der Umschwung von einem deutlich negativen Ergebnis zu einem deutlich positiven Ergebnis im Jahr 2023. Ohne diesen Saldo hätte Warburg auch 2023 wieder mit einem negativen Jahresergebnis abgeschlossen. Angesichts dieser Zahlen stellt sich die Frage nach der künftigen Entwicklung dieses Saldos und der Nachhaltigkeit der Geschäftsentwicklung von Warburg.
Warburg-Gruppe: Weitere operative Verbesserungen notwendig
Das Zahlenwerk zeigt des Weiteren, dass das Institut zwar in seiner Neuaufstellung weitergekommen ist, allerdings noch weitere Hausaufgaben zu erledigen hat. Ein deutlicher Rückgang des Provisionsüberschusses, die hohe Bedeutung der sonstigen Erträge und Aufwendungen, das geschrumpfte Bilanzvolumen und die immer noch zu geringen Werte für die Eigenkapitalrendite und Cost-Income-Ratio verdeutlichen, dass weitere operative Verbesserungen notwendig sind. Schließlich geht das Unternehmen selbst für das Jahr 2024 aus, dass sich Jahresüberschuss und Eigenkapitalrendite weiter verschlechtern.
Vor dem Hintergrund des diskutierten Zahlenwerks gelang es Warburg im Geschäftsjahr 2023, wichtige Zukunftsthemen voranzutreiben, wie die Entscheidung für die Migration auf das Kernbankensystem von Atruvia, um die IT-Landschaft zu modernisieren. Ein wichtiges Zukunftsthema im Bereich des Asset Managements sind nachhaltige Geldanlagen, ein Schwerpunkt der Tochtergesellschaft Warburg Invest Kapitalanlagegesellschaft, deren Nachhaltigkeitskonzept vom Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) wiederholt ausgezeichnet wurde.
Das Family Office Marcard, Stein & Co berichtet über einen Ausbau des internationalen Netzwerks zu Fondsmanagern und Placement Agents im Geschäft mit Unternehmensbeteiligungen für die von ihnen betreute vermögende Kundschaft.
Nach wie vor glauben wir, dass Warburg nach Abschluss seiner Restrukturierung und Fokussierung mit seinem auf die mittelständische Wirtschaft fokussierten Geschäftsportfolio gut aufgestellt ist, auch künftig von der Vermögensbildung in Unternehmerfamilien und der Weiterentwicklung von deren Unternehmen zu profitieren. Die operative Performance muss allerdings deutlich verbessert werden, um dauerhaft Jahresüberschüsse und positive Eigenkapitalrenditen zu erreichen. Spannend wird zu beobachten sein, ob Warburg wie andere Mitbewerber Gegenstand der Marktkonsolidierung werden wird, wie in den vergangenen Monaten mehrfach gerüchteweise im Markt diskutiert wurde.
Über die Autoren:
Stefanie Hehn ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für
Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen und ist auf Corporate Finance und Kapitalmarkttheorie spezialisiert. Bis 2018 war sie für die Deutsche Bank tätig.
Gösta Jamin lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen als Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre. Zudem begleitet er als Berater Banken und Finanz-
dienstleister bei der digitalen Transformation.