Lange standen unter wirkungsorientierten Investoren ausschließlich Aktien im Fokus. Um nachhaltige Veränderungen auf den Weg zu bringen, spielen aber auch Anleihen eine wichtige Rolle – schon allein, weil der globale Markt für festverzinsliche Wertpapiere ein Volumen von rund 128,3 Billionen US-Dollar auf die Waage bringt. Der weltweite Aktienmarkt hingegen ist „lediglich“ rund 34,8 Billionen US-Dollar schwer.
Eine Zeit lang haben ESG-Investments lediglich die „schlechten Seiten“ des Anlageuniversums ausgesiebt. Das kann jedes passive Management, was wiederum die Frage aufwirft: Wie können aktive Fondsmanager in Sachen Nachhaltigkeit Mehrwert schaffen?
Was passive Manager nicht tun: Sie engagieren sich nicht. Zwar verfügen Anleihegläubiger nicht wie ihre Aktionärskollegen über Stimmrechte. Sie können aber Neuemissionen finanziell unterstützen oder eben nicht – und mit dieser Entscheidung Einfluss auf die Kapitalkosten ausüben. Wenn aktive Investoren zusätzlich die Möglichkeit haben, Long- und Short-Positionen einzugehen, stehen ihnen sowohl Zuckerbrot als auch Peitsche zur Verfügung, um positive Veränderungen zu bewirken.
Druck ausüben mit Short-Positionen
Nehmen wir als Beispiel Saudi-Arabien. Das Land ist reich an Öl und hatte es lange Zeit nicht nötig, Schulden zu machen. Vor ein paar Jahren kamen die Finanzen des Landes aufgrund des niedrigen Ölpreises jedoch an ihre Grenzen, so dass es die Kapitalmärkte anzapfen musste.
Zu dieser Zeit war Saudi-Arabien in unserem hauseigenen ESG-Analysetool das Land mit den größten ESG-Risiken. Während der ersten Investorentreffen haben wir für mehr Nachhaltigkeit plädiert, viele unserer Vorschläge wurden aber ignoriert. Darauf nahmen wir eine gewichtige Short-Position ein. Bei den folgenden Emissionen hatte Saudi-Arabien plötzlich ein offenes Ohr für unsere Belange und wollte sich verstärkt in Sachen Nachhaltigkeit engagieren.
Ironischerweise sind Leerverkäufe zur Erzielung positiver Wirkung eher ein Werkzeug unserer konventionellen Fonds als ihrer ESG-Pendants. Der Grund dafür ist, dass Investments mit ausdrücklichem ESG-Fokus bei der Portfoliokonstruktion tendenziell restriktiver sind. Zum Beispiel fordern die meisten ESG-Investoren einen generellen Ausschluss von Tabakunternehmen. Das ist jedoch eine Branche, die wir gerne shorten, um ihre Nachhaltigkeitsagenda voranzutreiben. Abgesehen davon können wir so gleichzeitig positive Veränderungen bewirken und interessante Renditen erzielen.
Aufgepasst bei grünen Anleihen
Einer PwC-Analyse aus dem Jahr 2020 zufolge dürfte sich das Volumen von ESG-Fonds bis 2025 verdreifachen. In der Finanzdienstleistungsbranche läuft eine Art ESG-Wettrüsten. Daher müssen Anleger in der Lage sein, die Produkte, die „Greenwashing“ betreiben, von denen zu unterscheiden, die sich wirklich der Nachhaltigkeit verschrieben haben.
Bei grünen Anleihen ist zum Beispiel Vorsicht geboten. Obwohl diese Wertpapiere sicherlich ihre Daseinsberechtigung haben, ist die Transparenz verbesserungswürdig. Sie sind dann ein legitime Anlageform, wenn sie zur Realisierung von Projekten führen, die ohne sie nicht finanziert worden wären. Leider haben wir das Gefühl, dass viele grüne Anleihen nur ausgegeben werden, um von den niedrigeren Kreditkosten zu profitieren.
Wir sehen hingegen eine größere Chance für positive Veränderungen durch festverzinsliche Anleihen über wirkungsorientierte Anleihestrategien, bei denen die Emittenten individuell ausgewählt werden und die transparent ihre Auswirkungen messen. Dies sollte durch die in März in Kraft getretenen SFDR-Verordnungen (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR) weiter unterstützt werden.