Flucht aus der Zinsfalle Mit welchen Investments Stiftungen gegen Inflation und Minizinsen ankämpfen

Die Karriere von Rocio López begann mit einem Saftladen. Heute betreibt sie ein kleines Restaurant in einer geschäftigen Straße im Norden von Quito, der Hauptstadt von Ecuador. Dass sie sich so entwickeln konnte, verdankt sie einem Mikrokredit der Banco Solidario. Jetzt fehlen López zu ihrem Glück noch ein Hähnchengrill und zwei weitere Angestellte, und renovieren würde sie ihr Restaurant auch gern.

Dafür nimmt sie wieder einen Mikrokredit auf, 1.500 Dollar für zwölf Monate. Kreditgeber ist in diesem Fall die ecuadorianische Tochter der amerikanischen, gemeinnützigen Organisation Finca International. Die wiederum verleiht Geld, das sie unter anderem aus zwei Investmentfonds der österreichischen Firma Absolute Portfolio Management (APM) bezogen hat.

Und in denen steckt auch deutsches Geld, auch von Stiftungen. Deren Verantwortliche suchen nämlich mittlerweile nach Wegen, um der Zinsfalle in Europa zu entkommen. Noch immer schreibt der Gesetzgeber deutschen Stiftungen vor, dass sie ihr Kapital erhalten müssen. Mehr oder weniger – denn das deutsche Stiftungsrecht ist ein vortreffliches Beispiel für den Irrwitz der typisch deutschen Kirchturmpolitik.

Im Land der Stifter und Schenker gibt es genauso viele verschiedene Stiftungsgesetze wie Bundesländer. Und in jedem steht etwas anderes drin. Am liberalsten gibt sich Mecklenburg-Vorpommern, das in seinem Gesetz nicht ausdrücklich auf Kapitalerhalt pocht. Bayern schreibt dagegen vor, dass das Grundstockvermögen „ungeschmälert zu erhalten“ sei. Hamburg stellt dem ungeschmälerten Erhalt noch ein relativierendes „möglichst“ voran und schiebt die Ausnahmeregel „es sei denn, der Stifterwille kann auf diese Weise nicht verwirklicht werden“ hinterher. So kocht jedes Land sein Süppchen, und am Ende ist alles Auslegungssache.

Kein einziges Gesetz regelt zum Beispiel, was unter dem Begriff „erhalten“ genau zu verstehen ist. Geht es um nominalen Erhalt? Oder sollte zumindest der reale Erhalt inklusive Inflation das Ziel sein? Der gesunde Menschenverstand empfiehlt Letzteres, sonst hat sich die Schlagkraft der Stiftung bei einer Inflation von 3 Prozent nach 23 Jahren halbiert.

Die Äpfel darf man essen, der Baum ist tabu

Doch wie soll eine Stiftung die Inflation ausgleichen und zugleich ihre Zwecke finanzieren? Zumal sich hier das deutsche Recht einigermaßen klar ausdrückt: Nur die „ordentlichen Erträge“ darf die Stiftung für Verwaltung, Personal und den eigentlichen Stiftungszweckausgeben. Darunter fallen nur erhaltene Zinsen und Dividenden, Mieten und bei Fonds die Ausschüttung. Dieter Lehmann, Mitglied der Geschäftsleitung der Volkswagen-Stiftung, benutzt dafür den Begriff „Fruchtziehung“:Die Äpfel darf man essen, aber der Baum wird nicht angerührt.

Das hat auch jahrzehntelang funktioniert. Bundesanleihen warfen mit ihren Kupons souverän mehr ab, als die Inflation wieder auffraß. Noch Ende der 90er Jahre lag die Umlaufrendite bei über 5 Prozent. Was aber, wenn die Äpfel kleiner werden und der Baum wächst? So waren in den vergangenen Jahren die Zinskupons für sichere Anleihen deutlich niedriger als noch in den 90ern. Dafür sind die Kurse der Anleihen kräftig gestiegen. Doch die sind Baum und nicht Apfel. Und den Baum darf die Stiftung nicht anrühren. Der ist und bleibt der Kapitalstock.

Den zweiten Nackenschlag gibt es vom Gesetzgeber dadurch, wie eine Stiftung Kursverluste behandeln muss. Zwar darf sie bei nicht realisierten Verlusten entscheiden, ob sie diese als echten Verlust verbucht. Tut sie das, schrumpft dadurch ihr Kapitalstock. Das führt zum aktuellen Über-pari-Problem bei Anleihen. Die meisten Papiere gibt es am Markt nur noch für Kurse über 100 Prozent.

Dadurch entsteht zum Laufzeitende ein garantierter Verlust – der das Stiftungsvermögen angreift. Um das wieder aufzufüllen, müsste die Stiftung anderswo Kursgewinne verbuchen oder die ordentlichen Erträge angreifen. Letzteres ist aber auf ein Drittel der Erträge nach Verwaltungskosten beschränkt. Es ist ein Dilemma. Dieter Lehmann hat es noch gut. Im Portfolio der Stiftung liegen noch immer Anleihen mit einer durchschnittlichen laufenden Verzinsung von 4 Prozent.


Restaurantchefin Rocio Lopez mit Portfoliomanager Christoph
Eckart von APM


Bewilligte Förderprojekte sind generell durchfinanziert. „Die Verzinsungen laufen noch gut zwei Jahre, erst dann werden größere Anleihebestände fällig“, sagt er. Das ist nicht überall so. So beobachtet Achim Lange, dass zahlreiche Investoren in einer regelrechten Liquiditätsfalle stecken. „Sie schieben Termingelder vor sich her und warten auf steigende Zinsen“, so der Leiter des Portfoliomanagements bei der Hamburger Sparkasse.

Die Suche nach vernünftigen Anlagen sei schon wie Perlentauchen. Sehr gutfunktionierte damals der Kauf irischer Staatsanleihen, nachdem herauskam, dass Irland nur durch seine Banken ins Schwimmen und damit in Sippenhaft mit Südeuropa geraten war. Eine weitere Perle findet Lange in Portugal: „Der Pfandbrief hat das Rating BBB-, ist breitgestreut in Privatkredite und regional, mit einem durchschnittlichen Kreditvolumen unter 50.000 Euro, mit Hypothekenkrediten übersichert und bringt 3,5 ProzentRendite. Portugal hatte keine Immobilienblase.“

Südeuropa findet auch Anita De Bellis interessant. „Investment-Grade-Anleihen in Italien und Spanienbringen Renditen wie Hochzinsanleihen aus Deutschland“, sagt die Portfoliomanagerin der Südwestbank. Sie seien die Chance für 2013, wenn man an Mario Draghi, Angela Merkel und die Zukunft des Euro glaubt. Sollte die Euro-Zone auseinanderbrechen, würden auch deutsche Unternehmen massive Probleme bekommen.

Auch für Dieter Lehmann sind Bundesanleihen und Pfandbriefe keine Option mehr. Besser sind Unternehmensanleihen. „Wir haben die Bonitätsgrundsätze etwas gelockert. Auch Anleihen mit BBB-Rating sind noch lange kein Ramsch“, so Lehmann. Zudem liegt der Anteil von Fremdwährungspapieren mit derzeit 30 Prozent weit über dem langjährigen Durchschnitt von maximal 19 Prozent.


Dieter Lehmann, Mitglied der Geschäftsleitung der Volkswagen-
Stiftung


Es geht hier um einschlägige Rohstoffwährungen wie den Australischen Dollar und die Norwegische Krone, aber auch Anleihen aus den inzwischen recht krisensicheren Schwellenländern. Lehmann: „Das kann man auch als Antwort auf die Eurokrise verstehen.“ Auch seine Aktienquote ist für eine deutsche Stiftung nicht niedrig und liegt derzeit knapp unter 30 Prozent. Rohstoffe und Äcker kommen dagegen nicht ins Portfolio, „aus ethischen Gründen“.

Rechtliche Unsicherheit ist ein Hemmschuh

Was bei der Volkswagen-Stiftung passiert ist, läuft in ähnlicher Form auch in anderen Portfolios ab. Bundesanleihen und erstklassige Pfandbriefe aus Deutschlandstehen für Neukäufe auf dem Index. Dafür beginnen die Manager, bei den Risiken das Auge so weit zuzudrücken, wie es eben noch vertretbar ist.

Was nicht in jeder Stiftung sonderlich gut ankommt. So beobachtet Stefan Fritz von der Hypovereinsbank bei manchen Stiftungsmanagern eine regelrechte Furcht, bei der Geldanlage etwas falsch zu machen. „Sie arbeiten häufig ehrenamtlich, sehen sich aber in der persönlichen Haftung für das Vermögen“, sagt der Leiter des Stiftungsmanagements. Doch er kann beruhigen:„Auch zeitweilige Vermögensverluste bedeuten nichtzwingend einen Fehler der Verantwortlichen.

Generell agieren die meisten Aufsichtsbehörden beim Haftungsrückgriffauf Organmitglieder moderat.“ Auch dass sie einer Stiftung wegen Verlusten die Gemeinnützigkeit aberkennen, sei in der Praxis äußerst selten. In Beratungsgesprächen versucht Fritz, die Stiftungsverantwortlichen etwas entscheidungsfreudiger zu machen, ihnen „die rechtliche Unsicherheit zu nehmen“.

Nur ist das gar nicht so leicht: Viele Stiftungsverantwortliche stecken in Denkmustern, wie sie auch deutsche Privatanleger aufweisen. Sie halten Schwellenländer für gefährliche Orte. Sie meiden Aktien oder setzen ausschließlich auf deutsche Blue Chips. Viele sehen die Maximalgewichtung bei 30 Prozent. „Diese Grenze ist aber nirgendwo vorgeschrieben“, sagt Fritz.

Warum sollte man sich also nicht von starren Quoten verabschieden und die Sache sehr langfristig sehen? Auch sein Kollege Stefan Stamm vom Private Banking der Stadtsparkasse München wundert sich über die Kurzsichtigkeit mancher Stiftungsvorstände. „Dabei sind sie extrem langfristige Anleger, bei denen schon aus Realzinsgründen die Aktie wichtig ist“, meint der Leiter des Generationen- und Stiftungsmanagements. Stiftungen seien ja quasi für die Ewigkeit gegründet, das müsse man berücksichtigen, wenn man das geeignete Risiko herausarbeitet. „Immerhin sehen einige die Aktie bereits eher als Dividendeninstrument und nichtmehr so sehr als Spekulationsobjekt“, so Stamm.

Wie bilanziert man die Verluste?

Haspa-Experte Lange sieht das ähnlich und meint: „Die Aktien einfach halten und die Dividenden mitnehmen, das könnten Stiftungen doch fast besser als jeder andere Anleger. Eigentlich.“ Bei genauerem Studium der Lage findet sich nicht viel, was so einer Forderung entgegensteht. So betont Hermann Falk vom Bundesverband Deutscher Stiftungen immer wieder, dass vorübergehende Kursverluste den gemeinnützigen Status einer Stiftung nicht gefährden.

Knifflig wird es erst, wenn Geld aus steuerbegünstigten Bereichen – also den Erträgen – die Löcher stopfen soll. Nur ist das bei einer gut gemanagten Aktienanlage gar nicht nötig. Da erledigt das die nächste Hausse. Überhaupt muss es nicht einmal einen Verlust in der Stiftungsbilanz geben. Manche Rechtsexperten gestehen nämlich das gemilderte Niederstwertprinzip zu. Demnach reißen Kursverluste erst dann Löcher in die Bilanz, wenn sie voraussichtlich dauerhaft sind.

Auch hier liegt es an der Kunst des Aktienmanagers, dass das nicht der Fall ist. Eine weitere Möglichkeit, die Kursschwankungen eines Aktienportfolios zu mildern, bringen die Berater von Delbrück Bethmann Maffei ins Spiel. Sie empfehlen, in guten Zeiten Umschichtungsrücklagen zu bilden. Wenn also die Aktienkurse zu neuen Hochs ansetzen, kann die Stiftung durch Umschichtungen realisierte Kursgewinne in gesonderte Rückstellungen einbuchen. Sollten später harte Zeiten folgen, kann sie die Rückstellungen wieder auflösen.

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Somit entsteht ein künstlich geglättetes Kursbild der Aktien. Was aber bleibt, sind die jährlichen Dividenden, die die Unternehmen – hoffentlich– auch in Krisenzeiten zahlen. Anita De Bellis kann sich mit solchen Gedanken nicht anfreunden. Aktienerträge seien nicht kalkulierbar und planbar, meint sie. Und genau diese Planbarkeit brauchten Stiftungen doch in erster Linie.

Überhauptwill sie den Griff zur Aktie mangels Alternative nicht akzeptieren. „Wenn ich Zahnschmerzen habe und keinen Zahnarzt finde, gehe ich doch nicht zum Hautarzt“, sagt sie. Bei einem heute neu anzulegenden Vermögen würde sie die Aktienquote bei 25 Prozent ansetzen. Ein gutes Beispiel für ein solches Modell ist die Körber-Stiftung aus Hamburg.

Sie ist einziger Aktionär der Körber AG, die ihr Geld wiederum mit Maschinen für die Produktion von Konsumgütern verdient. Ihr Umsatzblieb auch in der Krise 2008/2009 bemerkenswert stabil. Damit fließt jedes Jahr eine „auskömmliche Dividende“, wie der Bereichsleiter für das Stiftungsvermögen, Oke Petersen, es nennt. Laut Unternehmensabschlussbelief sich das 2011 auf eine Summe von 15,2 Millionen Euro, 68 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor.

Die Körber-Stiftung hat verkauft

Ein besonderer Vorteil der Stiftung ist aber, dass die Körber AG nicht an der Börse notiert ist. Damit ist sie vor Crash-Situationen wie 2008 für diesen Vermögensteil geschützt. Es gibt keine Kursverluste, die abzuschreiben wären. Die Körber-Stiftung weist einen Buchwert von etwa 300 Millionen Euro für die Beteiligung aus. Natürlich schwankt auch der fiktive Marktwert, jedoch außerhalb der Bilanz, aber auch nicht weniger stark als es an der Börse der Fall wäre.

Von der hat sich die Körber-Stiftung übrigens komplett verabschiedet. Am 8. August 2011 verkaufte sie ihre Aktienbestände. Lediglich ein geringer Bestand an Unternehmensanleihen sei noch vorhanden, so Petersen. „Diese halten wir noch aus Liquiditätsgründen, werden sie aber auch bald verkaufen.“ Stattdessen besteht das Stiftungsvermögen perspektivisch nur noch aus der Körber AG und Immobilien.

Bei letzteren konzentrieren sich die Verantwortlichen auf Objekte an den großen Standorten Deutschlands, langfristig stabil, Wohnungen und Gewerbe gemischt, keine Fonds. „Sie müssen so sein, dass wir uns noch in 40 Jahren darüber freuen können“, sagt Petersen. Die laufende Rendite der Objektebeziffert er mit 3 bis 4 Prozent netto. Doch längst nicht mehr gelten nur solch klassische Anlageformen als Ausweg aus der Zinsfalle. Vereinzelt blitzen in Gesprächen mit Verantwortlichen auch ungewöhnliche Projekte auf.


Stefan Fritz leitet das Stiftungsmanagement der Hypovereinsbank


Eines von ihnen sind die eingangs erwähnten Mikrofinanzanlagen von APM, die das Restaurant von Rocio López mitfinanziert haben. Die Vermögensverwaltung des Family Office Berlin & Co verwendet den Dual Return Vision Microfinance und dessen Gegenstück mit lokalen Währungen zu gleichen Teilen als defensive Beimischung in Kundenportfolios. „Wir hatten dazu schon kontroverse Diskussionen, aber selbst im Krisenjahr 2008 gab es kaum Ausfälle in den Fonds und eine Rendite von fast 4 Prozent“, sagt Investmentchef Ulrich Wernitz.

Im Portfolio stecken derzeit Kredite an 68 Mikrofinanzinstitute in 25 Schwellenländern. Diese wiederum haben bislang rund 86.000 Mini-Unternehmer mit Darlehen von durchschnittlich 1.800 Dollar versorgt. Aktuelle durchschnittliche Verzinsung: über 12 Prozent. Eine weitere Anlageform, auf die sich vermehrt die Augen richten, sind klassische Kredite, Loans. Die kommen aus verschiedenen Geschäften. Manche entstehen, wenn eine Private-Equity-Firma für eine Übernahmefremdes Geld per Kredit am Markt aufnimmt.

Solche Darlehen werden manchmal verbrieft und an der Börse gehandelt. Andere Kredite entstehen klassisch zwischen einer Bank und einem Unternehmen, das Geld braucht. Auch an solchen Krediten können sich Investorenbeteiligen, über die Börse kaufen kann man sie meistens nicht. Wichtige Triebfeder für das Geschäft ist die Richtlinie Basel III, die Banken härtere Kapitalregeln verordnet. Die können dadurch für jeden Euro Eigenkapitalweniger Kredit an Kunden ausgeben.

Es entsteht eine Kreditlücke, in die Loan-Fonds springen. All diesen Krediten ist gemein, dass sie variabel verzinst werden. Damit sind Anleger vor dem Fall geschützt, dass am Markt das Zinsniveau steigt. Wie bei variabel verzinsten Wertpapieren passt sich der Zinskupon bei nächster Gelegenheit den neuen Gegebenheiten an. Der Kurs bleibt dafür stabil. In einem Niedrigzinsumfeld mit Höchstkursen macht das die Loans – zumindest theoretisch – zur idealen Alternative.

5 Prozent plus x mit Senior Loans

Der Nachteil liegt darin, dass die Ausfallrisiken mit denen von Hochzinsanleihen gleichzusetzen sind. In den USA gibt es immerhin für 80 Prozent der Senior Loans offizielle Ratings. In Europa sind es lediglich 30 Prozent, Tendenz aber steigend. Zudem sind sie nicht so liquide wie Unternehmensanleihen. Obwohl … das waren Letztere im heißen Herbst 2008 auch nicht mehr.

Manche Papiere, die mehrere Kredite in sich vereinen – Collateralized Loan Obligations –, sind mitunter nicht transparent genug, um sie komplett durchschauen zu können. Fonds sind deshalb Pflicht. „Das ist der Parabanking-Sektor pur“, meint Teja von Holzschuher und gibt sich als Freund von Senior Loans zuerkennen. Der Investmentchef und Leiter der Zweigniederlassung Zürich von Salmann Investment Management nennt einige Namen, die in dieser Anlageklasse etabliert sind. Zum Beispiel die britische Avoca Capital.

Sie hat neben speziellen Rentenfonds und Direktmandaten auch einen Fonds für europäische Senior Loans im Programm. Es gibt ihn seit Oktober 2011, die Mindestsumme für den Einstieg beträgt 100.000 Euro. Die Zielrendite liegt bei 5 Prozent plus x, was auch den aktuellen Mindestverzinsungen der Kredite entspricht. Bisher läuft es gut, wobei anderthalb Jahre natürlich noch nicht viel aussagen. Die noch mangelhafte Rating-Kultur in Europa umgeht Avoca, indem sie regelmäßig die Geschäftsberichte aller enthaltenen Kreditnehmer bezieht. 130 von 165 liefern monatlich, der Rest quartalsweise.

Die ebenfalls in London ansässige Boutique Alcentra gehört zur BNY-Mellon-Gruppe und hat mit dem European Loan Fund ein mittlerweile 7 Milliarden Euro schweres Flaggschiff am Start. Die Wertentwicklung sieht mit 9,6 Prozent pro Jahr seit Auflegung am 30. Juni 2009 sensationell aus. „Es ist unser defensivstes Produkt und damit wahrscheinlich am besten für eine Stiftung geeignet“, meint Portfoliomanager Graham Rainbow. Die Schuldner seien nicht allzu kapitalintensiv, dafür aber mit stabilen Cashflows.


Michael Hünseler, Credit-Portfolio-Chef bei Assénagon


Zyklische Branchen meidet Rainbow. Die meisten Kandidaten kommen aus den mittel- und nordeuropäischen Ländern. Währungsrisiken sind abgesichert. Beim European Loan Fund können Anlegermonatlich Fondsanteile zurückgeben, die Zielrenditeliegt bei 7 bis 10 Prozent. Wer eine Laufzeit von acht Jahren akzeptiert, kann mit dem European Direct Lending Fund sogar in direkte Kredite einsteigen. Die Margen sind hier höher – 10 bis 12 Prozent. Allerdings ist das Geld definitiv weggeschlossen.

Auch der Vermögensverwalter Assénagon steigt bald ins Geschäft mit den Krediten ein. Viele Informationenlässt Credit-Portfolio-Chef Michael Hünseler aber noch nicht raus. Anfang des zweiten Halbjahrs soll das Produktstarten, einen Namen gibt es noch nicht. Ins Portfolio kommen Kredite an größere deutsche Mittelständler. Geplant ist, den ausgebenden Banken richtiggehend Teileihrer Kredite abzukaufen.

In anderen Fällen geht der Fonds eine Unterbeteiligung ein – der Kredit bleibt dann bei der Bank, der Fonds übernimmt Zinsen und Ausfallrisiko. Er soll zwischen fünf und sieben Jahren laufen, ein vorzeitiger Ausstieg ist nicht möglich, was langfristig orientierte Anleger wie Stiftungen aber nicht weiter stören dürfte.

Hünseler rechnet mit einer Kreditmarge von 3 bis 3,5 Prozentpunkten über dem Geldmarktsatz. Eine sehr spezielle Form der Kreditanlage betreibt die Londoner Prestige Asset Management, auf die Tejavon Holzschuher ebenfalls ein Auge geworfen hat. „40.000 britische Bauern benötigen Kredite, doch seit fünf Jahren geben Banken keine mehr aus“, erzählt Firmengründer Craig Reeves. Es gebe in Großbritannien einfach keine Landwirtschaftsbank mehr. Die Großbankenseien seit der Finanzkrise aus dem Geschäft.

Auch die inzwischen pleitegegangene isländische Kaupthing Bank war auf englischen Äckern sehr aktiv. In die Lücke springt Prestige nun mit seinem Alternative Finance Fund. In dessen Portfolio stecken 1.972 Kredite an 808 Kunden mit einer durchschnittlichen Laufzeit von 77 Monaten. Bei den meisten verleiht der Fonds eine Anlage oder Maschine, zum Beispiel einen Traktor von John Deere oder eine Anlage für Biogas. Er kauft die Gerätedirekt beim Hersteller und bekommt dafür bis zu 30 Prozent Rabatt.

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Sie bleiben anschließend solange Eigentum des Fonds, bis der Kreditnehmer die letzte Rate gezahlt hat. „Das läuft noch sehr altmodisch“, berichtet Reeves. „Unser 20-köpfiges Team fährt persönlich zu den Bauern aufs Land und schließt die Verträge ab. “Entsprechend altmodisch sind auch noch die Zinssätze: 8 bis 13 Prozent sind im Durchschnitt zu erzielen, der Fonds gab an seine Anleger seit Auflegung vor fast vier Jahren knapp über 8 Prozent pro Jahr weiter.


Graham Rainbow managt Loan-Portfolios für Alcentra


Eine ebenfalls interessante exotische Variante ist, wenn sich Anleger als Versicherung betätigen. Katastrophenanleihen (Cat-Bonds) sind die etablierte Variante. „Sie streuen das Risiko, denn in Wirtschaftskrisen bleiben ihre Kurse stabil“, sagt Ulrich Wernitz von Berlin & Co. Allerdings müsse man den Anteil im Depot begrenzen und die Katastrophen-Risiken streuen. Das leuchtet ein: Ein Portfolio, das ausschließlich Hurrikan-Schäden im Süden der USA versichert, könnte manches schwierige Jahr bekommen. Bei Berlin & Co vertraut man dem Spezialisten Fermat Capital aus Westport, USA.

Tsunami kostet 8 Prozent

Ein ähnlicher Tipp kommt von der Bingo-Umweltstiftung, deren Geschäftsführer Karsten Behr das Credit Suisse Iris Balanced Zertifikat empfiehlt. Es bildet einen Fonds ab, der in Deutschland nicht zum Vertrieb zugelassen ist. Aktuell stecken knapp 30 Prozent des Portfolios in Cat-Bonds. Für den Rest übernimmt das Fondsmanagement in Einzelvereinbarungen gezielte Versicherungsrisiken.

„Bei über 70 Prozent geht es um Naturkatastrophen, der Rest sind Risiken aus Luft-, Schiff- oder Raumfahrt“, erklärt Thea Emmenegger, Relationship Managerin bei Credit Suisse. Mit 2 ProzentGebühren pro Jahr plus 20 Prozent Performance Fee ist das Papier nicht billig. Dafür funktioniert es bisher aber sehr gut. Seit Auflegung vor fünf Jahren stehen 20 Prozent Gewinn auf dem Konto – ohne erkennbare Korrelation zu den Aktienmärkten.

Allerdings gibt ein ganz spezielles Ereignis ein Gefühl für die Risiken. In jenen Wochen, als der Tsunami Japan heimsuchte, verlor das Zertifikat rund 8 Prozent. Was allerdings – verglichen mit dem sonstigen Kursverlauf – extrem war. Zugegeben, solche Dinge mag nicht jeder. So warnt Stefan Stamm ausdrücklich vor allzu exotischen und mitunter verworrenen Angeboten. „Es versuchen derzeit auch einige dubiose Anbieter, Stiftungen mit Lockangeboten zu überreden“, weiß er. Der gesunde Menschenverstand sei deshalb nach wie vor wichtig.

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