Meriten Investment Management „Nicht nur der Niedrigzins macht es Institutionellen schwer“

Stefan Braun, Leiter Quantitative & Aktienprodukte bei Meriten Investment Management

Stefan Braun, Leiter Quantitative & Aktienprodukte bei Meriten Investment Management

private banking magazin.de: Die EZB macht es derzeit nicht nur Sparern schwer. Auch institutionelle Anleger leiden unter anhaltend niedrigen Zinsen. Vor welche weiteren großen Herausforderungen sehen sich Institutionelle derzeit gestellt?

Stefan Braun:
Es ist nicht nur der Niedrigzins, der es Institutionellen schwer macht, die magischen 4 Prozent zu erwirtschaften. Auch an den Aktienmärkten haben sie seit Platzen der TMT-Blase 2000 nur selten eine angemessene Risikoprämie verdient. Das liegt nicht zuletzt an den strukturellen Veränderungen an Zins- und Aktienmärkten, die wir beobachten: Der Wechsel zwischen positiven Aktien- und Zinsmärkten findet deutlich ausgeprägter und häufiger statt – bei gleichzeitig sinkender Risikoprämie.

Zudem gibt es, getrieben durch die politisch gewollte Liquiditätsschwemme, immer häufiger einen Gleichlauf beider Anlageklassen. Und da die Korrelationen zu anderen Investments ebenfalls steigen, tun sich auch Multi-Asset-Strategien häufig schwer.

Haben traditionelle Strategien in diesem Umfeld ausgedient?

Ja. Weil die strukturellen Annahmen nicht mehr gelten, hat auch ein klassischer Balanced-Ansatz klare Nachteile. Zum einen führt die Übergewichtung der einen Assetklasse im traditionellen Longonly-Portfolio zwangsläufig zur Untergewichtung der anderen Assetklasse. Wer auf Aktien setzen will, muss Renten relativ zur Benchmark untergewichten. Zum anderen sind die Allokationsentscheidungen meist fundamental getrieben, basieren also auf der Analyse von Konjunkturdaten und Bewertungskennziffern.

Mit dem Standard-Datenkranz wird es aber zunehmend schwieriger, weil auch hier klassische Zusammenhänge nicht mehr gelten. Hinzu kommt, dass es immer eine Zeit dauert, bis Investoren ihr volkswirtschaftliches Weltbild anpassen. Dabei ist angesichts häufiger Richtungswechsel an den Märkten modernes Umschaltspiel gefragt.

Und dies betreiben Sie.


Ja, angesichts der Marktbedingungen ist es wichtig, schnell und mit allen Mannschaftsteilen zu reagieren. Insofern ähnelt das Verhältnis unserer Overlay-Strategie zu traditionellen Balanced-Mandaten in gewisser Hinsicht dem Unterschied von modernen Fußballkonzepten zur traditionellen Taktik früherer Jahre.

Während in den guten alten Fußballzeiten Innenverteidiger selten die Mittellinie überschritten, Torhüter kaum die Linie verließen und aktives Grätschen für Stürmer ein Fremdwort war, werden heute sowohl offensive als auch defensive Spielphasen von allen Spielern umgesetzt.

Ähnlich verhält es sich bei unserem Overlay-Konzept, bei dem eine positive Aktienmarkteinschätzung nicht notwendigerweise mit einer Untergewichtung von Renten einhergeht und vice versa. Wir betrachten beide Assetklassen als unabhängige Renditequellen.

Dabei schauen Sie auf den Platz statt ins theoretische Lehrbuch?

So in etwa. Wir verzichten komplett auf volkswirtschaftliche Analysen und verlassen uns stattdessen auf das, was am Markt passiert. Unser gesamter Entscheidungsprozess basiert allein auf unmittelbaren Marktpreisdaten. Damit vermeiden wir zum einen Fehlinterpretationen und aus der Behavioral Finance bekannte psychologische Fehler wie Herdenverhalten, verzögerte Anpassungen und Ähnliches.

Zum anderen können wir die Strategie sehr schnell an neue Marktsituationen anpassen. Die Anpassung erfolgt dabei wöchentlich und ausschließlich mittels hoch liquider Futures.

Das klingt nach einer klassischen Trendfolge-Strategie.

Was die Marktrichtung betrifft, ist unser Ansatz ähnlich. Die Basis des Ansatzes bilden Trend- und Trendwechselindikatoren mit unterschiedlicher Fristigkeit, die die aktuelle Marktrichtung und die Stärke bestehender Markttrends identifizieren. Das allein ist aber gerade an Wendepunkten mit zu großen Risiken verbunden.

Hinzu kommen daher Indikatoren, die sich vor allem auf die Erkennung von strukturellen und systemischen Risiken im Markt konzentrieren. Bei deren Entwicklung haben wir insbesondere auf die Prognosequalität auf der Short-Seite Wert gelegt, da aufgrund der geringeren Anzahl an Beobachtungspunkten in einem langfristig steigenden Markt und der häufig schnelleren und kürzeren Abwärtsphasen die frühzeitige Identifikation solcher Perioden tendenziell schwieriger ist – dafür aber besonders wichtig.

Sie können auch eine negative Markteinschätzung gewinnbringend umsetzen?


Richtig. Dass wir Short-Positionen nutzen, ist ein weiterer großer Unterschied zu traditionellen Mandaten. Der Defensive kommt eine besondere Bedeutung zu. Sie kann in schwachen Marktphasen einen signifikant positiven Beitrag zur Gesamtperformance leisten.

Short-Positionen gelten vielen Investoren allerdings als besonders risikoreich. Wie sorgen Sie dafür, dass mit solchen Positionen keine unerwünschten Risiken einhergehen?

Natürlich bringen Short-Positionen eine andere Art von Risiko mit sich. Wir können jedoch für jeden Kunden individuell einen Maximum Drawdown entsprechend seiner Risikotragfähigkeit festlegen.

Ohnehin sind die Risikopositionen für den Aktien- und Rentenmarkt aufgrund der Flexibilität des Ansatzes frei wählbar, außerdem lässt sich das Overlay den individuellen regulatorischen Anforderungen des Kunden anpassen. Dabei hilft nicht zuletzt auch unsere langjährige Erfahrung mit solchen Overlay-Konzepten im Rentenmarkt.


Quelle: Meriten Investment Management - Stand: 25. Juni 2014


Stefan Braun

Der 47-Jährige ist Leiter Quantitative & Aktienprodukte bei Meriten Investment Management. Die Fondsgesellschaft, 2012 nach der vollständigen Übernahme der WestLB Mellon Asset Management durch BNY Mellon in Meriten umbenannt, ist eine der derzeit 15 Investment-Boutiquen von BNY Mellon.

Der Investmentmanager mit Sitz in Düsseldorf ist auf europäische Anlagestrategien spezialisiert und verwaltet für institutionelle und private Kunden gut 24 Milliarden Euro. Braun bringt mehr als 14 Jahre Erfahrung in den Bereichen Quantitative Strategien, Behavioral Finance und Asset Allocation mit und ist Chartered Financial Analyst. Er hat Volkswirtschaftslehre in Kiel studiert und an der Universität in Köln promoviert.

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