Ab dem 1. Januar 2025 In welchen Fällen die Wegzugsteuer auch für Investmentfonds gilt

Michal Fabian Kühn (links) und Michael Tischendorf von Flick Gocke Schaumburg

Michal Fabian Kühn (links) und Michael Tischendorf von Flick Gocke Schaumburg: „Die neue Wegzugsteuer auf Investmentanteile wird sich an den bisherigen Regelungen des Paragraf 6 des Außensteuergesetzes anlehnen.“ Foto: Flick Gocke Schaumburg

Wer aus Deutschland wegzieht oder Vermögen an im Ausland ansässige Personen verschenkt oder vererbt, muss in Deutschland in gewissen Fällen damit rechnen, dass eine Wegzugsteuer festgesetzt wird. Gemäß Paragraf 6 des Außensteuergesetzes kann dies insbesondere Gesellschafter von Kapitalgesellschaften betreffen, also zum Beispiel Gesellschafter einer GmbH oder einer ausländischen Limited. Dabei werden Gesellschafter so besteuert, als hätten sie ihre Beteiligung veräußert.

Das passiert zum Beispiel, wenn der Gesellschafter ins Ausland zieht, wenn jemand Anteile „über die Grenze“ hinweg vererbt oder verschenkt oder wenn das Besteuerungsrecht Deutschlands an der Beteiligung aus einem anderen Grund ausgeschlossen oder beschränkt wird. Dass der Gesellschafter tatsächlich keinen Veräußerungserlös erzielt, mit dem er die Steuer begleichen könnte („dry income“), spielt keine Rolle. In Zeiten einer immer stärkeren grenzüberschreitenden Mobilität fordert dies insbesondere Unternehmer und ihre Familien erheblich heraus. Dies auch vor dem Hintergrund, dass eine Wegzugsteuer auch ausgelöst werden kann, wenn jemand an Personengesellschaften beteiligt ist.

 

Nach einer kürzlich beschlossenen Gesetzesänderung wird die Wegzugsteuer ab dem 1. Januar 2025 nun auch für die meisten Anteile an Investmentfonds gelten. Das dehnt den Personenkreis, der von einer möglichen Wegzugsteuer betroffen sein könnte, erheblich aus. Der Personenkreis erstreckt sich nun insbesondere auch auf viele nicht unternehmerisch tätige Privatpersonen. Betroffene Personen sollten sich zügig beraten lassen. Und zwar nicht nur dann, wenn konkret ein Wegzug oder eine Schenkung geplant ist, sondern auch, falls zum Beispiel künftige Erben im Ausland leben.

Betroffene Fälle

Die neue Wegzugsteuer auf Investmentanteile wird sich an den bisherigen Regelungen des Paragraf 6 des Außensteuergesetzes anlehnen. Somit gilt sie nur für Personen, die innerhalb der vergangenen zwölf Jahre vor dem Wegzug oder der Übertragung der Fondsanteile insgesamt sieben Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig waren.

Des Weiteren bezieht sich die Erweiterung der Wegzugsteuer nur auf Anteile an Investmentfonds im Sinne des Investmentsteuergesetzes. Nicht betroffen sind daher beispielsweise geschlossene Immobilienfonds in der Rechtsform einer Investmentkommanditgesellschaft. Außerdem erfasst die Wegzugsteuer nur solche Investmentanteile, die der Steuerpflichtige in seinem steuerlichen Privatvermögen entweder direkt oder über eine vermögensverwaltende Personengesellschaft hält. Anteile im Betriebsvermögen unterfielen auch bisher bereits besonderen Entstrickungsregelungen. Unerheblich ist dagegen, ob es sich um in- oder ausländische Investmentanteile handelt oder ob der Inhaber die Anteile in einem in- oder ausländischen Depot verwahrt.

 

Außerdem beschränkt der Gesetzgeber die neue Wegzugsteuer auf „gewichtige“ Fälle. Das sind Fälle, in denen das Investment bestimmte Schwellenwerte überschreitet. Hier sind die folgenden beiden Fallgruppen zu unterscheiden:

Grundsätzlich findet die Wegzugsteuer bei Investmentanteilen nur Anwendung, wenn der Steuerpflichtige

  1. zu irgendeinem Zeitpunkt in den letzten fünf Jahren unmittelbar oder mittelbar mindestens ein Prozent der ausgegebenen Investmentanteile gehalten hat oder
  2. im Zeitpunkt des Wegzugs beziehungsweise der unentgeltlichen Übertragung unmittelbar oder mittelbar Investmentanteile hält, deren Anschaffungskosten mindestens 500.000 Euro betragen haben.

Dabei sind Beteiligungen an verschiedenen Investmentfonds separat zu betrachten und nicht zusammenzurechnen. Das heißt: Anleger können vermeiden, dass die Wegzugsteuer anwendbar ist, indem sie ihre Investitionen auf mehrere Investmentfonds verteilen. So überschreiten sie bei keinem der einzelnen Fonds die relevanten Schwellen. Nicht ausschließen lässt sich allerdings, dass der Gesetzgeber die relevanten Beteiligungsschwellen später noch weiter absenkt.

Spezial-Investmentanteile sollen dagegen unabhängig von der Beteiligungshöhe oder den Anschaffungskosten von der Wegzugsteuer erfasst sein. Insofern handelt es sich also stets um „gewichtige“ Fälle.

Auslösende Ereignisse für die Wegzugsteuer

Wie bei der Wegzugsteuer auf Kapitalgesellschaftsanteile nach Paragraf 6 des Außensteuergesetzes löst eines der folgenden drei Ereignisse die neue Wegzugsteuer auf Investmentanteile aus:

  1. Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht infolge der Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland,
  2. unentgeltliche Übertragung der Investmentanteile auf Personen, die nicht der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland unterliegen, oder
  3. Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Investmentanteile, sofern nicht bereits die vorstehenden Nummern 1 oder 2 greifen.

Besteuerungsfolgen der Wegzugsteuer

Löst eines der drei Ereignisse die Wegzugsteuer aus, gelten die betroffenen Investmentanteile fiktiv als veräußert. Der Steuerpflichtige versteuert also die Wertsteigerungen in dem Investmentanteil, obwohl ihm tatsächlich (noch) kein Veräußerungserlös zufließt. Er hat also auch keinen Erlös, aus dem er die entstandene Steuer begleichen könnte. Betroffen sind auch Wertsteigerungen von vor dem 1. Januar 2025. Heißt: Die Besteuerung ist rückwirkend.

Wird die Wegzugsteuer ausgelöst, behält die depotführende Stelle hierauf keine Kapitalertragsteuer ein. Vielmehr hat der Steuerpflichtige den Wegzug im Rahmen seiner jährlichen Einkommensteuererklärung zu deklarieren. Das Finanzamt setzt die Wegzugsteuer dann im Einkommensteuerbescheid fest. Die Steuerschuld ist binnen eines Monats zur Zahlung fällig.

Auf Antrag können Betroffene die Wegzugsteuer auch in sieben gleichen Jahresraten entrichten, allerdings in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung. In diesem Fall hat der Steuerpflichtige gegenüber dem Finanzamt bestimmte jährliche Mitteilungspflichten zu erfüllen. Die noch ausstehenden Jahresraten werden sofort fällig, soweit der Steuerpflichtige

  1. seine Mitwirkungspflichten nicht erfüllt,
  2. eine Jahresrate nicht fristgerecht entrichtet,
  3. Insolvenz anmeldet,
  4. die Investmentanteile veräußert oder überträgt, oder
  5. Ausschüttungen oder steuerfreie Kapitalrückzahlungen erhält, deren gemeiner Wert insgesamt mehr als ein Viertel des Werts im Wegzugszeitpunkt beträgt.

Kehrt der Wegzügler innerhalb von sieben Jahren nach Deutschland zurück, entfällt die festgesetzte Wegzugsteuer rückwirkend. Das ist die sogenannte „Rückkehrerregelung“. Die Siebenjahresfrist kann der Finanzamt auf Antrag um weitere fünf Jahre auf insgesamt zwölf Jahre verlängern, wenn der Steuerpflichtige weiterhin die Absicht hat, nach Deutschland zurückzukehren. Solange der Steuerpflichtige zurückkehren möchte, entfällt die Erhebung der Jahresraten auf Antrag. Die Rückkehrerregelung kann jedoch nur in Anspruch genommen werden, soweit

  1. der Inhaber die Investmentanteile in der Zwischenzeit weder veräußert, überträgt noch in ein Betriebsvermögen einlegt,
  2. keine Ausschüttungen oder steuerfreie Kapitalrückzahlungen erfolgt sind, deren gemeiner Wert insgesamt mehr als ein Viertel des Werts im Wegzugszeitpunkt beträgt, und
  3. das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile mindestens in dem Umfang wieder begründet wird, wie es im Zeitpunkt der Beendigung der Steuerpflicht bestand.

Anderenfalls entfällt auch eine etwaige Steuerstundung. Das heißt: Die Wegzugsteuer wird binnen eines Monats zur Zahlung fällig. Zu beachten ist, dass der Steuerpflichtige die gestundete Wegzugsteuer zu verzinsen hat, falls er auf seinen Antrag hin keine Jahresraten leisten musste.

Möglicher Verstoß gegen EU-Recht

Seit den Entscheidungen des EuGH und des Bundesfinanzhofs in Sachen Wächtler steht die deutsche Wegzugsteuer wieder verstärkt im Verdacht, gegen die europäischen Grundfreiheiten zu verstoßen. Schließlich hindert sie die betroffenen Steuerpflichtigen daran, ins EU- oder EWR-Ausland zu ziehen oder betroffenes Vermögen zu verschenken oder zu vererben. Diese Bedenken gelten für die nun eingeführte Wegzugsteuer auf Investmentanteile entsprechend. Denn auch die Wegzugsteuer auf Investmentanteile kann Betroffene davon abhalten, ins Ausland zu ziehen oder ihre Anteile an Personen im Ausland zu übertragen. Betroffene sollten daher gegebenenfalls prüfen, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.

Der Ausblick zur Wegzugsteuer

Für die Zukunft steht zu befürchten, dass die jüngste Erweiterung der Wegzugsteuer auf Investmentanteile nicht die letzte Verschärfung gewesen sein dürfte. Unternehmer und vermögende Privatpersonen müssen auch weiterhin damit rechnen, vom deutschen Steuergesetzgeber in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt zu werden. Insbesondere kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber die Wegzugsteuer in Zukunft auch auf sonstige Wirtschaftsgüter des Privatvermögens erstrecken wird, insbesondere Immobilien, Aktien oder Anleihen.


Über die Gastautoren:

Michael Tischendorf ist Rechtsanwalt und Steuerberater bei Flick Gocke Schaumburg. Tischendorf berät Mandanten unter anderem zu ausländischen Stiftungen und Trusts. Zwischen 2020 und 2023 war er für Poellath tätig, seinen beruflichen Werdegang startete er bei der Wirtschaftskanzlei Sonntag.

Michal Fabian Kühn ist Steuerberater, Fachberater für internationales Steuerrecht und Partner bei Flick Gocke Schaumburg. Kühn berät Private Clients, Family Offices und Familienunternehmen unter anderem zu Erb- und Familienrecht, Stiftung- und Vereinsrecht sowie internationalem Steuerrecht. Kühn arbeitet seit 2011 für Flick Gocke Schaumburg.

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