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Michael Hasenstab zur Lage an den Märkten „Die politische Dynamik verschlechtert sich weiter“

Herr Hasenstab, derzeit wird viel von einem Wiederanziehen der Inflation gesprochen. Welche Faktoren könnten die Teuerung anheizen?

Michael Hasenstab: Hier ist an erster Stelle der Arbeitsmarkt zu nennen. In den USA herrscht aufgrund der guten konjunkturellen Lage Vollbeschäftigung, was sich langsam in einem Lohnanstieg niederschlägt. Gleichzeitig sorgt die US-Politik für eine Verknappung des Arbeitskräfteangebots: Mit ihrer extrem einwanderungsfeindlichen Politik lenkt die US-Regierung die Angebotskurve in die falsche Richtung. Die Inflation wird weiter steigen.

Die Entwicklung des US-Dollars scheint unberechenbar und die US-Währung hat an Wert verloren. Warum?

Hasenstab: Die Entwicklung des Greenback verläuft sehr ungewöhnlich. Eigentlich wäre nach den Modellen der Wirtschaftswissenschaftler bei einer Beschleunigung des US-Wachstums, einem Inflationsanstieg und Zinserhöhungen eine Aufwertung der Währung zu erwarten. Das ist aktuell nicht der Fall. Absehbar ist jedoch: 2018 dürfte das Wachstum der USA überraschen, weil es zahlreiche Veränderungen bei Steuern und Regulierung gibt. Die USA werden deutlich stärker als Japan und Europa wachsen. Die Zinsunterschiede vergrößern sich bereits – und das dürfte der US-Währung nach oben verhelfen.

Lassen Sie uns etwas näher auf Europa eingehen. Ihr Team hat jüngst seine Sorgen über politische Risiken in Europa unterstrichen. Wie ist Ihr Ausblick?

Hasenstab: Die politische Dynamik verschlechtert sich weiter. Es ist zu befürchten, dass Nationalismus und Populismus zunehmen. Solange das Wachstum intakt und bei riskanten Anlagen alles im Lot ist, wachsen sich diese Spannungsfelder vermutlich zu keiner übermäßig kritischen Größe aus. Sobald jedoch ein Schock von außen oder innen eintritt, werden die Spannungsfelder deutlich zutage treten und eine koordinierte Politik nahezu unmöglich machen. Sollte sich Europa dann einigen müssen, um Ungleichgewichte wie beispielsweise italienische Schuldenfragen zu regeln, wäre dies nicht mehr möglich.

Im Wirtschaftsbereich scheint die Europäische Zentralbank jedoch eine gewisse Normalisierung zu signalisieren.

Hasenstab: Die Wirtschaft in der Eurozone entwickelt sich weitgehend solide. Deshalb dürfte die EZB ihre Zinsen bald anheben. Weil jedoch die europäischen Währungshüter nach wie vor am Markt präsent sind – während die Fed bald komplett außen vor sein wird – dürften die Renditen in Europa nach oben begrenzen bleiben. Die Zinsunterschiede zwischen Eurozone und USA vergrößern sich damit, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Währungen.

Mit Blick auf die Wechselkurse kochen immer wieder Sorgen um das erneute Aufflammen von Währungskriegen hoch, die die aktuellen Marktbedingungen gefährden könnten. Was halten Sie von diesen möglichen Konfliktlinien?

Hasenstab: Die Tage in Davos waren für die verantwortlichen Politiker sicher nicht leicht. Es gab zahlreiche Währungsdiskussionen. Ich gehe davon aus, dass Handelsspannungen und deren Auswirkungen auf Währungen weiterhin im Fokus der Marktteilnehmer stehen werden. Es gibt bereits erste Strafzölle auf chinesische Exporte, deren Preise teilweise sicherlich gedumpt sind, etwa im Fall von  Solarmodulen. Daher haben wir es hier nicht einfach mit einer generell handelsfeindlichen Politik zu tun, sondern zum Teil mit echten Verstößen.

Die Trump-Administration wendet sich gegen diese Praktiken und wird Freihandelsabkommen, die für die Vereinigten Staaten nachteilig sind, teilweise aufkündigen. Der Handel wird dadurch kaum zum Erliegen kommen, aber sicher wird sich der Konflikt auf die Preise von Waren niederschlagen. Alle Verbraucher profitieren von billigen Waren. Statt der Verbraucher wird aber nun vielleicht ein enger Kreis von Herstellern profitieren, die in den USA produzieren. Mit dieser zusätzlichen Inflationsentwicklung durch Protektionismus, die die allgemeine Teuerung verstärkt, ist zu rechnen.

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