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Michael Hasenstab zu den Marktverwerfungen Corona-Krise dürfte Finanzkrise in den Schatten stellen

Gähnende Leere vor der New Yorker Börse: Die USA sind ein Risikofaktor für die kurz- bis mittelfristige Erholung der Weltwirtschaft.

Gähnende Leere vor der New Yorker Börse: Die USA sind ein Risikofaktor für die kurz- bis mittelfristige Erholung der Weltwirtschaft. Foto: imago images / ZUMA Wire

Michael Hasenstab, Kapitalmarktstratege der Templeton-Global-Macro-Gruppe

Das Corona-Virus hat nicht nur die Finanzmärkte in seinen Bann gezogen, sondern wütet auch in unserem täglichen Leben.

Ausmaß der Pandemie derzeit ungewiss

Die angespannte Lage wird durch den prekären Zustand der Welt, der schon vor der Corona-Pandemie bestand, weiter verstärkt. Vor allem geopolitische Unruhen, Handelsspannungen, Populismus, Haushaltsdefizite in den Industrieländern und übermäßig belastete Kreditsektoren haben ein Umfeld geschaffen, das den aktuellen Wirtschaftsschock begünstigt.

Seit bereits mehreren Quartalen beschäftigen uns diese Risiken. Dementsprechend haben wir unsere Strategien schon im Jahr 2019 angepasst: Wir haben in als sicher geltende Bereiche reallokiert und unsere Risikoeinschätzung verschiedener Schwellenmärkte überdacht.

Die Corona-Krise und der jüngste Einbruch der Ölpreise haben die Weltwirtschaft enorm geschwächt. Das volle Ausmaß des Schocks für die globale Nachfrage wird jedoch immer noch von vielen Marktteilnehmern unterschätzt: Die Corona-Krise hat eine immense Größenordnung erreicht, nicht nur einzelne Regionen oder Länder kommen zum wirtschaftlichen Stillstand – ganze Kontinente werden ausgebremst. Selbst die ausgeklügeltsten Wirtschaftsmodelle sind derzeit nicht im Stande die wirtschaftlichen Folgen zu berechnen. Rund um die Welt sind daher massive Schocks für die Entwicklung der Weltkonjunktur zu erwarten – die mehrere Quartale lang nachwirken dürften.

Regierungen und Zentralbanken handeln gemeinsam

Die fiskalischen und geldpolitischen Antworten waren bisher beachtlich. Aber wahrscheinlich reichen sie noch nicht aus. Die Zinssätze haben in vielen Ländern die Nulllinie erreicht, während die Bilanzen der Zentralbanken explodiert sind. An die Maßnahmen der geldpolitischen Lockerung haben sich die Märkte über die vergangenen zehn Jahre gewöhnt, ihre Wirkung hat sich stark abgeschwächt.

Das in den USA aufgelegte Konjunkturpaket in der gigantischen Größenordnung von 2,2 Billionen US-Dollar ist nicht vordergründig darauf ausgelegt den Konsum zu fördern, sondern dient als wirtschaftliche Notlösung in den Monaten, in denen das Corona-Virus eingedämmt werden soll. Der im Paket enthaltene fiskalische Anreiz fällt vergleichsweise klein aus und dürfte damit nur begrenzte Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung haben. Schwerer wiegen in diesem Zusammenhang die massiven Entlassungen, die das Verbraucherverhalten verändern werden: Konsumausgaben werden zugunsten der Bildung von Rücklagen und Sparguthaben zurückgestellt.

Der Rückblick in die Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass es Jahre dauern kann, bis die Beschäftigung wieder das Niveau aus den Zeiten vor der Krise erreicht – nach der Finanzkrise dauerte es mehr als sechs Jahre. Geballte Anstrengungen zur sozialen Unterstützung während einer Krise sind sicherlich wichtig und notwendig, aber sie werden nicht ausreichen, um die wegbrechende Nachfrageseite zu kompensieren. Bisher gibt es keinen historischen Vergleich für das Ausmaß der stark eingeschränkten Gesamtnachfrage aufgrund der immensen Arbeitsplatzverluste innerhalb eines so engen Zeitrahmens von wenigen Wochen.

Investment-Strategie in Zeiten von Corona

Es wäre verfrüht, jetzt bereits größere Risiken einzugehen: Die Welt befindet sich noch im Anfangsstadium der wirtschaftlichen Auswirkungen. Derzeit liegt unser Fokus auf einer ausgewählten Gruppe von aussichtsreichen Schwellenländern, die über relativ widerstandsfähige Binnenmärkte verfügen. Wir suchen nach Alternativen, um die Überrendite Alpha aus anderen Quellen zu gewinnen als aus den niedrig bis negativ rentierenden Rentenmärkten – die derzeit nur noch ein begrenztes Aufwärtspotenzial bieten.

Es gilt Korrelationen zwischen anfälligen Assetklassen zu vermeiden, um möglichst hohe Erträge zu erzielen beziehungsweise den Kapitalerhalt sicherzustellen. Deshalb legen wir großen Wert auf ein hohes Niveau an Barmitteln setzen zugleich auf kurzfristige US-Anleihen. Während der Finanzkrise in den Jahren 2008/09 verfolgten wir eine ähnliche Vorgehensweise – auf dem Höhepunkt der Krise entschieden wir uns für eine eher defensivere Haltung.

Einige Bereiche der Märkte scheinen eine V-förmige Erholung nach dem Abebben der Pandemie zu erwarten, wie es nach der Finanzkrise von 2008 der Fall war – doch das ist inzwischen eher unwahrscheinlich. Wir rechnen eher mit einem U-förmigen Aufschwung, weil immer noch Ungewissheit über die Dauer der Pandemie besteht. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit, der erheblichen wirtschaftlichen Notlage und beispielloser geld- und fiskalpolitischer Interventionen dürfte eine schnelle Markterholung erst einmal nicht eintreten.

Die wachsende wirtschaftliche Ungleichheit in den USA war bereits vor der Krise eine stete Quelle sozialer Konflikte – eine sich stark verschlechternde Wirtschaftslage dürfte das Problem weiter verschärfen. Es bleibt abzuwarten, ob die Menschen durch die Widrigkeiten der Corona-Krise zusammengeführt oder weiter polarisiert werden.

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