Herr Hasenstab, die USA haben jüngst Strafzölle auf importierten Stahl erhoben. Sehen Sie gewisse Gefahren für eine Eskalation der US-Handelspolitik, die der Weltwirtschaft ernsthafte Probleme bereiten könnte?
Michael Hasenstab: Mit China könnte es echte Probleme geben. Es ist etwas anderes, als wenn die USA versuchen, die Nachbarn Kanada und Mexiko vorzuführen. Beide Nachbarländer können in diesem Zusammenhang nur wenig ausrichten. Etwas ganz anderes ist es aber, wenn die USA eine derart aggressive Haltung gegenüber China an den Tag legen. Sollte es zu einem auf Vergeltung ausgerichteten Handelskrieg mit China kommen, wäre die Weltwirtschaft gefährdet. Dieser Fall steht nicht unmittelbar bevor, wir sollten die Sache aber nicht aus den Augen lassen.
Konflikte könnten sich insbesondere dann ergeben, wenn Chinas Selbstbewusstsein weiter zunimmt, etwa durch eine stetige konjunkturelle Entwicklung. Kann China weiter wachsen?
Hasenstab: Solange das Wachstum intakt ist und externe Schocks ausbleiben, kommt China weiter voran. Heikel wird es, wenn ein großer Schock von außen kommt. In China ist das Kreditvolumen so hoch, dass es derzeit unwahrscheinlich ist, dass die Kreditvergabe genügend ausgeweitet werden könnte, um notfalls das Wachstum anzukurbeln und eine Rezession zu vermeiden.
Das Risiko eines Schocks ist noch nicht in Sicht. Da wir es mit einem geschlossenen System zu tun haben, würden im Fall einer Krise umgehend die Kapitalkonten gesperrt. Alle großen Banken befinden sich in staatlichem Besitz. Daher ist eine Kreditkrise, also eine typische Bankenkrise wie wir sie 2008 in den USA erlebt haben, kaum vorstellbar. Das Land ist jedoch insofern anfällig, als es im Falle eines Schocks nur begrenzt in der Lage ist, antizyklische Maßnahmen zu ergreifen.
Kommen wir zu Schwellenländern. Wie entwickelt sich hier die allgemeine konjunkturelle Dynamik?
Hasenstab: Vor allem im Aktiensegment gibt es in diesen Ländern extrem kräftige Mittelzuflüsse, von denen die Währungen dieser Länder profitieren. Das Interesse an Schwellenländeraktien ist immens, was angesichts der soliden Wachstumsdynamik und der vergleichsweise günstigen Bewertungen verständlich ist.
Zudem fließt nicht nur Kapital in Aktien, sondern auch in Anleihen. Der Hintergrund: Viele dieser Länder verfügen über einen relativen Renditevorteil. Die Renditen in Indien und Indonesien liegen beispielsweise bei fast 7 Prozent, in Argentinien bei über 20 Prozent und sogar in Mexiko bei über 7 Prozent.
Gleichzeitig haben viele dieser Länder ihre Leistungsbilanzdefizite reduziert und verzeichnen entweder Überschüsse oder nur begrenzte Defizite. Die Haushaltsbilanzen sind wesentlich solider, sodass ein Großteil der für die Devisenbewertung maßgeblichen Dynamik in vielen Schwellenländern recht positiv erscheint.
Welche Hochzinsmärkte im Sektor Schwellenländer sind für Sie aussichtsreich?
Hasenstab: Wir halten Ausschau nach Reformkandidaten. In vielen Ländern mit positiven Veränderungen in der Führung und positiven Entwicklungen der gesellschaftlichen Dynamik oder bei Umweltthemen haben wir unser Engagement ausgeweitet. Im Gegenzug haben wir uns aus Ländern, bei denen wir große Einschnitte im Bereich ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Governance) erwarten, stärker zurückgezogen.
Nehmen wir ein Land wie Argentinien: Hier hat sich ein konservativer Führungsstil und eine geringere Manipulation der Märkte durchgesetzt. Zugleich stößt der Transformationsprozess auf eine breite gesellschaftliche Zustimmung. Argentinien wird es wahrscheinlich gut verkraften, wenn die US-Notenbank Fed die Zinsen um 200 Basispunkte anhebt. Länder wie Polen, die ihre Zentralbanken zur Finanzierung staatlicher Defizite nutzen, die extrem populistisch geworden sind und bei denen der Staat die Kontrolle über die Gerichtsbarkeit übernommen hat, werden vermutlich empfindlicher auf destabilisierende Faktoren reagieren.
Wahrscheinlich werden Zinserhöhungen weitere Korrekturen am Finanzmarkt auslösen. Wir wissen noch nicht, was der jeweilige Auslöser sein wird, aber wenn Volkswirtschaften auf wackligen Füßen stehen, sind sie anfälliger gegenüber unerwarteten Großereignissen. Daher ist es weiterhin von entscheidender Bedeutung, den Governance-Aspekt der ESG-Kriterien im Blick zu behalten.
Ihr generelles Fazit zum Gesamtausblick für 2018?
Hasenstab: Das Wachstumsklima dürfte für risikoreichere Anlagen weiterhin günstig sein. Mit Blick auf die kommenden Jahre habe ich aber durchaus Bedenken. Wenn die Währungshüter Fehler machen und die Anpassungen nicht rechtzeitig vornehmen, sondern erst in einer späteren Phase des Zyklus, in der das Wachstum nicht mehr so stark ist, drohen sehr ernst zu nehmende Gefahren. China wäre dann möglicherweise nicht mehr so gut in der Lage, eine antizyklische Politik einzuschlagen. Und die Spannungsfelder in Europa könnten sich ausweiten.