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Michael Hasenstab im Interview „Die Hoffnung auf eine V-förmige Erholung ist absurd“

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Welchen Effekt hat die geringere Verschuldung beim Investieren?

Hasenstab: Wir vermeiden in den Schwellenländern Investments in auf US-Dollar lautende Staatskredite.  Stattdessen bevorzugen wir Vermögenswerte mit kürzeren Laufzeiten auf dem lokalen Markt. Diese helfen uns dabei, eine hohe Liquidität zu gewährleisten. Und hier kommen wir auf unseren vierten Baustein zu sprechen: Wir versuchen in der aktuellen Marktlage ein Höchstmaß an Liquidität aufrechtzuerhalten, unabhängig davon, ob es sich um Bargeld oder Vermögenswerte handelt. Der Vorteil hoher Liquidität besteht derzeit darin, dass wir uns in einer sehr guten Position befinden, sobald die Märkte wieder einem Abwärtstrend folgen.

Lassen Sie uns über die Chancen sprechen, die sich in den Schwellenländern bieten…

Hasenstab: Die USA, Europa, China und die Schwellenländer haben im Großen und Ganzen nie eine gemeinsame Finanzkrise durchlebt – dieses Mal ist es anders. Wir beobachten eine globale wirtschaftliche Kontraktion.

Viele Länder haben Lehren aus den vergangenen Krisen gezogen und ihre Abhängigkeiten verringert. Während der Finanzkrise 2008 haben zahlreiche Unternehmen Auslandskredite aufgenommen, im Zuge einer Abwertung der Lokalwährungen mussten diese Unternehmen bald Konkurs anmelden. In den nachfolgenden Jahren gab es große Anstrengungen, um die Auslandsschulden zu verringern und sich auf Inlandsschulden zu konzentrieren.

Generell erwarten wir, dass die Verschuldung rund um die Welt steigen wird. In den Schwellenländern gehen wir daher sehr selektiv vor: Länder, die ihre notwendigen strukturellen Anpassungen bereits in den vergangenen Jahren vorgenommen haben, dürften zu erwartende Schwierigkeiten im globalen Währungsgefüge überstehen.

Es wird mittlerweile viel von einem Zurückdrehen der Globalisierung gesprochen. Was erwarten Sie in diesem Zusammenhang? Insbesondere mit Blick auf Chinas zukünftige Rolle in der Welt?

Hasenstab: Die Lieferketten dürften sich dramatisch verändern. Der Handelskonflikt zwischen den USA und China ist nur die Spitze eines Eisbergs. Seit der Ära von Deng Xiaoping und Richard Nixon suchten beide Staaten nach Wegen, um zusammenzuarbeiten und Ideen auszutauschen. Es gab Mobilität des Kapitals, der Arbeit, der Güter und generell eine friedliche Koexistenz.

Die in den vergangenen Monaten offenkundig gewordene starke Abhängigkeit der USA und vieler Länder von medizinischen Gütern aus China verschafft Befürwortern einer Deglobalisierung gute Argumente. Auch innerhalb Chinas wachsen Feindseligkeiten gegenüber den USA. Der seit Jahren schwelende Trend zur Deglobalisierung dürfte sich daher noch beschleunigen.

Letzte Frage: Wo sehen Sie Chancen, die womöglich von vielen Marktteilnehmern noch zu wenig erkannt werden?

Hasenstab: Wir sehen vielversprechende Anlagemöglichkeiten bei Safe-Hafen-Anlagen und Anlagen, die sich weitgehend unkorreliert entwickeln. Zudem erwarten wir Aufwertungschancen im Anschluss an einen weiteren Abwärtstrend. Derzeit bieten sich „Fallen Angel“-Anleihen an: Anleihen, deren Bonität herabgestuft wurde, bergen in der Regel ein höheres Ausfallrisiko, überkompensieren dieses Risiko jedoch mit einer höheren Rendite.

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