Kapitalmärkte Metzler, Berenberg & Co: Inflation, Geldpolitik und Jahresendrallye bei Aktien

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Emmerich Müller, Vorstand Bankhaus Metzler und verantwortlich für das Private Banking, Carolin Schulze Palstring, Leiterin Kapitalmarktanalyse im Metzler Private Banking, und Frank Endres, Leiter Portfoliomanagement bei Metzler Private Banking (9. November 2021)

Die akute Phase der Wirtschaftskrise ist zwar überwunden, die Folgen der Rettungspolitik werden wir aber noch lange spüren. Die Realzinsen werden viele Jahre negativ bleiben. Staaten können sich dadurch bequem entschulden, Anleger in Nominalvermögen haben jedoch das Nachsehen. Es bleibt also ratsam, sein Vermögen überwiegend in Substanzwerten wie etwa Aktien anzulegen.

Emmerich Müller (links), Carolin Schulze Palstring und Frank Endres

Die staatlichen Konjunkturhilfen infolge der Coronapandemie haben die Staatsverschuldung vielerorts in schwindelerregende Höhen katapultiert. Während die Verbindlichkeiten im privaten Sektor, also Unternehmen und Haushalte, weniger stark gestiegen sind, ist die Staatsschuldenquote der Industrieländer binnen eines Jahres um mehr als 20 Prozentpunkte in die Höhe geschossen.

Solange die Notenbanken mit ihrer expansiven Geldpolitik eine schützende Hand darüber halten, ist das kein Problem. Bedrohlich wird es erst, wenn die Inflation außer Kontrolle gerät. Dann müssten die Notenbanken schnell und stark die Leitzinsen anheben. Für einige Regierungen könnte es schwer werden, die dadurch steigenden Finanzierungskosten zu stemmen. Trotz der aktuell hohen Inflationsraten ist die Gefahr für ein solches Szenario aber nicht akut.

Viele preistreibende Faktoren, etwa Basiseffekte bei Energierohstoffen oder Steueränderungen, dürften im Laufe des kommenden Jahres an Bedeutung verlieren, und die Inflation sollte damit zunächst wieder auf moderatere Niveaus zurückkehren. Mittel- bis langfristig sind dann jedoch wieder strukturell höhere Preissteigerungsraten zu erwarten – angesichts von Lohnzuwächsen, einer stark gestiegenen Geldmenge sowie den Kosten für den Klimawandel.

In den kommenden Jahren ist dafür zu sorgen, dass das Wirtschaftswachstum höher ausfällt als der Zins, um die Schuldenquoten zu reduzieren. Es ist an der Zeit, dass sich der Staat aus der aktiven Rettungspolitik zurückzieht. Andernfalls könnten die langfristigen Kosten den kurzfristigen Nutzen der Hilfsmaßnahmen irgendwann übersteigen. Der Fokus muss sich nun auf Investitionen richten, statt sich wie bisher auf den Konsum zu konzentrieren. Mit Blick auf 2022 dürfte unseres Erachtens die Erholung der Weltwirtschaft anhalten. Zwar ist in den Wintermonaten angesichts der Lieferprobleme, hoher Energiepreise und steigender Corona-Infektionen mit einem Dämpfer zu rechnen, dieser dürfte aber den Aufschwung nicht gefährden.

Am Anleihemarkt hängt alles davon ab, wie die großen Zentralbanken agieren. Auf der einen Seite kann eine zu schnelle Normalisierung der Geldpolitik die Finanzierungsbedingungen deutlich verschlechtern, auf der anderen Seite verstärkt eine anhaltend expansive Geldpolitik die Inflationsrisiken.

Wir rechnen deshalb damit, dass die US-Notenbank Fed ihre expansive Geldpolitik behutsam zurückfahren wird. Nachdem bereits in der vergangenen Woche der Startschuss für das sogenannte Tapering fiel, könnte Ende 2022 eine erste Anhebung der Leitzinsen folgen. Die Europäische Zentralbank dürfte sich mindestens bis Mitte 2024 damit Zeit lassen. Auf Sicht der nächsten zwölf Monate rechnen wir damit, dass die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen bei 1,6 bis 2,1 Prozent liegen wird, die deutscher Staatsanleihen bei -0,2 bis 0,3 Prozent. Angesichts des Zinsänderungsrisikos sei die Duration vorzugsweise kurz zu halten.

Da das Ertragspotenzial am Anleihemarkt unverändert mager ausfällt, rückt unter vielen Anlegern einmal mehr der Aktienmarkt in den Fokus. Zwar ist die Aktienhausse bislang vor allem von den geld- und fiskalpolitischen Hilfsprogrammen getragen worden, doch gibt es mittlerweile auch positive Signale von der Konjunktur. Die Erholung am Arbeitsmarkt schreitet voran, und die Rahmenbedingungen für eine Belebung der Investitionen sind günstig.

Zudem treffen steigende Inputkosten auf hohe operative Margen, sodass die Zusatzbelastung verkraftbar scheint. Für nächstes Jahr erwarten wir ein Gewinnwachstum der Unternehmen von 11 Prozent diesseits und 7 Prozent jenseits des Atlantiks. Daraus ergibt sich auch für das kommende Jahr Kurspotenzial an den Börsen.

Gerade im aktuellen Umfeld erhöhter Inflationsrisiken halten wir es weiterhin für geboten, nicht in ‚Wundertüten‘ zu investieren, sondern in Unternehmen mit einer soliden Bilanz, attraktiven Produkten und starker Marktposition. Darüber hinaus achten wir auf ein ausgewogenes Verhältnis von wachstumsstarken und zyklischen Titeln. Der Fokus liegt auf Europa, wir investierten aber auch in Nordamerika und in den asiatischen Schwellenländern.