private banking magazin: Herr Savenay, im Fußball gibt es den Ausdruck „Feuerwehrmann“, wenn ein erfahrener Trainer einen Verein in Abstiegsnot übernimmt. Sind Sie vergangenes Jahr als Feuerwehrmann zu Merck Finck zurückgekehrt?
Michael Savenay: Um im Bild zu bleiben, die Mannschaft von Merck Finck hat einfach ihr volles Potenzial auf dem Platz nicht abrufen können. Meine Aufgabe als Trainer war...
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private banking magazin: Herr Savenay, im Fußball gibt es den Ausdruck „Feuerwehrmann“, wenn ein erfahrener Trainer einen Verein in Abstiegsnot übernimmt. Sind Sie vergangenes Jahr als Feuerwehrmann zu Merck Finck zurückgekehrt?
Michael Savenay: Um im Bild zu bleiben, die Mannschaft von Merck Finck hat einfach ihr volles Potenzial auf dem Platz nicht abrufen können. Meine Aufgabe als Trainer war es, eine neue Dynamik und positive Stimmung zu erzeugen. Ich habe bereits einige Jahre für Merck Finck gearbeitet und kenne die Quintet-Gruppe gut. Als es dann darum ging, die vorhandenen Herausforderungen dort anzugehen und der Mannschaft neues Selbstvertrauen zu geben, habe ich die Aufgabe gern angenommen.
Merck Finck hatte zum Jahresbeginn 2023 und im Frühjahr zwei große Abgangswellen zu verkraften. War es für sie persönlich ihr herausforderndstes Berufsjahr?
Savenay: Es war kein einfaches Jahr, aber wir können als Team stolz auf uns sein, wie wir diese Situation gelöst haben. Merck Finck hat 2023 wesentlich zum positiven Ergebnis der Quintet-Gruppe beigetragen.
Wo sehen Sie rückblickend die Gründe für die vielen Abgänge? Hat man als Bank oder Gruppe Fehler gemacht?
Savenay: Der deutsche Privatbankenmarkt ist sehr kompetitiv. Es gab nicht nur bei uns, sondern auch bei anderen Häusern Teamwechsel. Insgesamt herrscht auf dem Personalmarkt viel Bewegung – mehr als in anderen europäischen Ländern. Fakt ist, dass es bei uns Abgänge gegeben hat. Ich denke, ein Mix aus Faktoren hat dazu geführt: die Transformation der Gruppe ab 2020, die Corona-Pandemie, Managementwechsel und persönliche Gründe. Die Themen, die bei uns selbst lagen, haben wir aufgearbeitet. Dabei ist auch ein neuer Zusammenhalt entstanden.

Merck Finck zurück. © Sebastian Widmann
Wie hat sich die Zahl der Kundenberater im vergangenen Jahr entwickelt?
Savenay: Wir haben etwa eine knappe Handvoll Berater weniger im Team im Vergleich zu Beginn 2023 und stehen in puncto Ertrag pro Berater im internationalen Vergleich sehr gut da. Im vergangenen Jahr haben wir im Kundengeschäft 21 neue Berater eingestellt und sind in weiteren Gesprächen. Wir suchen auch nach Teams – die müssen aber kulturell zu unserem Haus passen.
Es wirkte so, als seien vornehmlich jüngere Berater ohne großes Kundenbuch dazugestoßen.
Savenay: Es gibt zwei Ziele, die wir verfolgen. Erstens: starkes Wachstum. Darum wollen wir größere Teams mit entsprechenden Kundenbüchern dazuholen. Zweitens müssen wir den Generationswechsel in der Bank in den Blick nehmen. Wir haben viele erfahrene Beraterpersönlichkeiten im Haus, die irgendwann ihre nächste Lebensphase in den Blick nehmen werden. Insofern war es eine strategische Entscheidung, junge Berater an Bord zu holen.
Wie gelingt es, Netzwerke und Kunden an die nachfolgende Generation zu übertragen?
Savenay: Private Banking muss für junge Fachkräfte noch interessanter werden. Das Berufsbild braucht ein moderneres Image. Die aufstrebenden Talente müssen aber auch gehalten werden. Deshalb übertragen wir ihnen früh Verantwortung. Das kann – je nach Berater und Niederlassung – auf verschiedenen Wegen geschehen. Wir haben für jeden jungen Mitarbeiter, den wir einstellen, einen Plan. Junior-Berater werden direkt in Kundengespräche und die Akquisition einbezogen. Bei unserem Nextgen-Projekt gestalten sie die Akquisitionsstrategie sogar selbst.
Und besteht die Bereitschaft der Senior-Berater diesen Prozess mitzugestalten?
Savenay: Wir alle wissen, dass Private Banker starke Persönlichkeiten sind. Insofern hatte ich mich auf etwas Widerstand eingestellt. Das war aber gar nicht der Fall. Sicherlich auch ein Ausweis der partnerschaftlichen Kultur bei uns im Haus. Wir haben außerdem darauf geachtet, dass die Chemie zwischen Junior- und Senior-Beratern an den jeweiligen Standorten stimmt.
Wie stellen Sie das sicher?
Savenay: Ein Mitarbeiter, der bei uns anfängt, hat mindestens vier Gespräche. Kultur, Kompetenz und Erfahrung müssen passen. Wenn eine der vier Parteien in diesem Auswahlprozess nicht überzeugt ist, stellen wir den- oder diejenigen nicht ein.
Wie erleben Sie den Personalmarkt im Private Banking und Wealth Management in Deutschland?
Savenay: Ich sehe regionale Unterschiede. Im Süden herrscht weniger Bewegung auf dem Markt. Gerade in West- und Norddeutschland ist eine hohe Dynamik am Markt und die Bereitschaft, zu wechseln, höher.
Sie sind lange für die europäische Quintet-Gruppe tätig. Ist der deutsche Markt im Vergleich insgesamt kompetitiver – nicht nur mit Blick auf den Arbeitsmarkt?
Savenay: Ja, das nehme ich so wahr. Erstens ist Deutschland der größte europäische Markt. Zweitens ist dieser mit vielen Anbietern sehr fragmentiert. Zuletzt sind aus dem Ausland sogar noch mehr Banken dazugekommen. Drittens ist die Präsenz von Sparkassen und Genossenschaftsbanken auch im Private Banking groß. Dadurch ist der Wettbewerb zwischen den Banken aggressiver als in anderen europäischen Ländern.
Kann Quintet einen Beitrag zur Konsolidierung des Marktes leisten?
Savenay: Wir sind eine finanzstarke Bankengruppe, die wächst und weiterwachsen will. Keine sinnvolle Option ist jemals ausgeschlossen. Im Fokus steht aber organisches Wachstum.
Quintet-Chef Chris Allen hat angekündigt, dass für 2024 das vorrangige Ziel sei, Skaleneffekte zu erreichen und die Organisation zu verschlanken. Bleibt da die individuelle Kundenberatung auf der Strecke?
Savenay: Im Gegenteil. Es wird die Berater unterstützen, weil sie mehr Zeit für ihre Kunden haben.
Aus Marktkreisen ist zu hören, dass Mitarbeiter nach der Quintet-Übernahme der Schlingerkurs zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung verunsichert habe.
Savenay: Dann haben wir offenbar nicht ausreichend deutlich gemacht, dass die Transformation auf Gruppenebene nur Vorteile bietet. Wir sind effizienter, haben weniger Gremien als vorher und können schneller entscheiden. Das kommt sowohl unseren Kunden als auch Mitarbeitern zugute. Die wesentliche Veränderung ist, dass wir heute eine Einheit sind, kein loser Zusammenschluss fünf europäischer Banken mit unterschiedlichen Regulierungsräumen, Vorständen und Aufsichtsräten. Wir können dadurch wirtschaftlicher arbeiten.
Klingt vor allem nach Erleichterungen für das Management. Wovon profitieren die Berater?

Savenay: Unter anderem davon, dass wir den Investmentprozess optimiert haben. Früher gab es individuelle Investmentkomitees in jedem Land. Jetzt haben wir die Investmentkompetenzen auf Gruppenebene gebündelt. Merck-Finck-Kunden profitieren von dem Wissen der Spezialisten aus England, Luxemburg oder den Niederlanden. Für unsere Mitarbeiter bedeutet die Umstellung neue Karrieremöglichkeiten innerhalb der Gruppe. Das Aktienteam wird beispielsweise von Marc Decker aus Deutschland geleitet. Außerdem hat dank unserer Aufstellung als paneuropäische Privatbank jeder einzelne Mitarbeitende im Kundenkontakt ein umfangreicheres Sortiment an Lösungen zu bieten und mehr Zeit für die Kunden.
Im vergangenen Jahr gab es eine Absichtserklärung, in der Vermögensverwaltung künftig mit Blackrock zu kooperieren. Wie genau wird die Zusammenarbeit aussehen?
Savenay: Stellen Sie sich die Verwaltung unserer Kundengelder wie die Konstruktion eines Sportwagens vor. Mit Blackrock bekommen wir Zugang zu neuartigen Werkzeugen und High-Performance-Bauteilen. Aber den Sportwagen bauen wir. Das heißt konkret, dass wir über die Anlagestrategie vollständig selbst bestimmen. Über die Systeme von Blackrock ist jedoch das Universum verfügbarer Investments größer. Auch legt Blackrock Lösungen nach unseren Anforderungen exklusiv auf. Und schließlich erhalten wir Zugang zur Aladdin-Plattform, die ein marktführendes Tool für Themen wie Risikomanagement und Portfolio-Reporting ist.
Steht schon ein genauer Zeitplan?
Savenay: Es gibt schon heute verschiedene Arbeitsstränge, an denen Kollegen beider Seiten intensiv arbeiten. Im Laufe dieses Jahres werden erste Implementierungsschritte folgen.
Es gibt kritische Stimmen, dass die Bank dadurch zu einer Vertriebseinheit verkommt.
Savenay: Ist Porsche eine Vertriebseinheit von Bosch, nur weil sie Teile dieses weltweit führenden Zulieferers einsetzt? Sicher nicht. Genauso ist es bei uns. Die Kernleistung unserer Vermögensverwaltung, die Anlagestrategie und die Asset Allocation, ist und bleibt bei Quintet. Nur werden wir darin noch besser, weil wir noch bessere Tools und Lösungen einsetzen können.
An einer offenen Architektur wird also festgehalten?
Savenay: Ja, hundertprozentig.
Ein kurzer Ausblick: Was sind die Themen, die Merck Finck in den kommenden Jahren beschäftigen?
Savenay: Wir wollen in den Regionen Mitte, West und Norden wachsen, das soll auch passieren, in dem wir Beraterteams verpflichten. Im Süden werden wir unsere gute Marktposition pflegen und ausbauen, indem wir junge Berater einstellen und fördern. Auf der Kundenseite gilt das ebenso für die Nextgen, die wir halten und gewinnen wollen. Mit unserer Initiative „For Her“ werden wir zudem die Beratung für vermögende Frauen ausbauen. Und zu guter Letzt müssen wir als Bank da sein, wenn Unternehmen und Vermögen übertragen werden. Von diesen Liquiditätsevents werden in den kommenden Jahren viele anfallen.
Wird es dann die Marke Merck Finck noch geben?
Savenay: Merck Finck ist eine sehr starke Marke mit 150-jähriger Geschichte. Sie bleibt und wird eine neue Blüte erleben.
Über den Interviewten:
Michael Savenay, geboren am 1. September 1973 in Belgien, ist seit Januar 2023 Geschäftsführer von Merck Finck, Deutschland-Niederlassung von Quintet. In den vergangenen zehn Jahren hatte Michael Savenay leitende Positionen bei der luxemburgischen Privatbankengruppe inne und war zwischen 2017 und 2021 bereits in Führungspositionen bei Merck Finck tätig.