Merck-Finck-Investmentchef Daniel Kerbach „Ich warne vor der Dividendeneuphorie“

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Wie aktiv darf ein Risikomanagement sein?

Kerbach: Von Aktivismus halte ich beim Risikomanagement wenig. Im Grunde beginnt Risikomanagement mit einer klugen Asset Allocation, die in positiven Marktphasen eine Überrendite generiert und damit Risikopuffer aufbaut. Auf der Einzeltitelebene verschafft eine breite Streuung und die Auswahl substanzstarker Titel dem Portfolio Robustheit. Und schließlich kann ich auf Basis risikobasierter Szenarien mit Weitblick Risiken begrenzen, bevor sie sich materialisieren. Ein weiterer Ansatzpunkt können fest definierte Risikobudgets oder Verlustschwellen sein. Wir arbeiten hier mit einem Ampelsystem, das unsere Risikomanager in enger täglicher Zusammenarbeit mit dem Portfoliomanagement begleiten. Risikomanagement ist für uns primär vorausschauendes, risikobewusstes Agieren – kein Aktivismus.

Generell gilt seit Jahren die strategische Vermögensallokation als Renditequelle Nummer 1. Taktische Asset Allokation und Titelselektion spielen eine untergeordnete Rolle. Sie sagen, dass eine aktiven Asset Allokation zu einer Renditesteigerung im Portfolio führen kann. Ein Widerspruch?

Kerbach: Die strategische Allokation bildet die Basis für unseren Investmentansatz. Sie dient als Basis für die langfristige Rendite und die Ertragskraft. Dieses Fundament wird durch eine taktische Asset Allokation angereichert, mit der wir kurzfristige Renditeoptimierung betreiben. Es gibt innerhalb des Kapitalmarktes regelmäßig Ineffizienzen, die sich sehr kurzfristig ergeben.

Ein Beispiel?

Kerbach: Wir hatten dies beispielsweise vor einigen Jahren bei Nachranganleihen. Diese Anlageklasse kam sehr kurzfristig unter Druck und die Renditen stiegen weit über die von uns implizierten Ausfallraten. Die hier entstandene Opportunität nutzten wir mit einem taktischen Aufbau im Portfolio und konnten somit innerhalb eines Quartals von der Normalisierung für unsere Kunden profitieren.

Und die Titel-Selektion?

Kerbach: Diese mag auf den ersten Blick eine untergeordnete Rolle spielen, ist jedoch wichtiger Bestandteil unseres robusten Anlageansatzes, da substanzstarke Titel in jeder Marktphase Einkommen generieren, welches verfügbar ist – auch um damit wiederum kurzfristige Opportunitäten wahrzunehmen. Substanz-Aktien sind im Allgemeinen risikoärmer, haben ein besseres Performance Potenzial über den Zyklus und verlieren in Marktkorrekturen deutlich weniger als der Markt. Außerdem erholen sie sich deutlich schneller. Investoren neigen dazu, für sogenannte Glamour-Aktien zu hohe Preise zu bezahlen, was bei Substanzaktien weitgehend nicht der Fall ist. Eine qualitativ hochwertige und mit Nachhaltigkeit angereicherte Titelsektion gehört dementsprechend als essentieller Bestandteil zu einem robusten Anlageansatz.

Die meisten Multi-Asset-Investmentstrategien verfolgten lange Zeit einen Absolute-Return-Ansatz. Kann dieser im Niedrigzinsumfeld noch aufgehen?

Kerbach: Absolute-Return-Strategien sind überwiegend von bestimmten Modellen getrieben und eignen sich daher hauptsächlich als Satelliten im Portfolio. Ein ganzes Portfolio anhand eines solchen einzelnen Modells auszurichten, wäre fatal. Zumal viele Absolute-Return-Modelle nachweislich Schwierigkeiten haben, nach Kosten attraktive Ergebnisse zu erzielen. Wir sind überzeugt, dass Flexibilität genauso wichtig ist wie Agieren abseits der Benchmark. Dann kann man ein Portfolio an den Opportunitäten im Markt sowie am Anlagezyklus ausrichten. Und dadurch lässt sich mittelfristig die Benchmark übertreffen, ohne bei einem starken Rückschlag in einer Krise mit erheblichen Verlusten rechnen zu müssen.

Geht es um Risiken, wird oftmals als Risikokennzahl die Volatilität herangezogen. Passt diese Kennzahl überhaupt zur Anlagenmentalität eines Private-Banking-Kunden?

Kerbach: Die Volatilität trifft im Kern nicht das, woran der Private-Banking-Kunde interessiert ist. Sie ist als Richtgröße primär im institutionellen Bereich in Anwendung. Der vermögende Privatkunde ist meist daran interessiert, wie sich sein Portfolio in Stressphasen verhält. Da lauten die Fragen: Wie muss ich mein Portfolio aufstellen, damit es in Stressphasen nicht mehr als 5 oder 10 Prozent verliert? Für viele steht auch realer Kapitalerhalt im Vordergrund. Da geht es dann um Inflationsausgleich und nach Möglichkeit die Minimierung von Verlusten. An diesem Bedarf haben wir auch unseren robusten Investmentansatz ausgerichtet.

 


Über den Interviewten:
Daniel Kerbach ist als Investmentchef bei Merck Finck Privatbankiers, einer Tochter des in Luxemburg ansässigen Finanzgruppe Quintet Private Bank, für das Investment-Center, Strategie und Portfoliomanagement verantwortlich. Bevor er im September 2017 zu den Münchnern wechselte, war Kerbach stellvertretender Investmentchef und Leiter für diskretionäre Anlagelösungen bei der Schweizer Julius Bär Gruppe.

 

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