Bislang zeichnet sich die Branche vor allem als Wertpapier-Dienstleister aus. Kann man sich mit der Dienstleistung einer Vermögensverwaltung überhaupt noch differenzieren?
Schellenberg: Die Qualität der Vermögensverwaltung ist der Nukleus eines erfolgreichen Private-Banking-Angebots. Der normale Private-Banking-Kunde wird dieses Leistungsversprechen beispielsweise an der Wertentwicklung seines Portfolios festmachen. Aber wenn Sie mit Stiftungen, Mittelständlern und Family Offices reden, dann hat sich diese Art von Geschäft in den letzten Jahren immer mehr institutionalisiert. Diese Kunden verlangen ein sehr professionelles Asset Management. Da wird nach detaillierten Reportings der Performance-Attribution oder nach Entscheidungen im Investmentprozess gefragt. Wer sich da nicht das entsprechende Handwerkszeug aneignet, wird zunehmend nicht lieferfähig. Dies war ein wichtiger Grund, weswegen wir in den vergangenen beiden Jahren unser Investment Management gezielt gestärkt und ausgebaut haben.
Und wie kann man sich abseits der Investmentkompetenz noch hervortun?
Schellenberg: Ich bin davon überzeugt davon, dass ein glaubwürdig gelebter, wirklich ganzheitlicher Beratungsansatz ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg ist. Damit meine ich, auch jenseits der alleinigen Anlageberatung und Vermögensverwaltung sprechfähig zu sein mit anderen Angeboten rund um das Vermögen herum. Wir müssen bedenken, dass in den kommenden Jahren und Jahrzehnten Billionenbeträge vererbt werden. Die Übertragung von Vermögen ist also ein riesengroßes Thema. Eine vertiefte Stiftungsexpertise beispielsweise ist sowohl bei der Begleitung des Vererbens wie auch bei der Beratung der Erben eine immer stärker nachgefragte Kompetenz. Oder unsere Immobilienberatung: Immobilien sind schon immer ein fester Bestandteil gerade größerer Vermögen. Im aktuellen Niedrigzinsumfeld erst recht. Doch gerade in bereits teuren Märkten ist hier eine kompetente Beratung wichtig. Wir spüren diesen Bedarf Tag für Tag in unserer Arbeit. Zu einem ganzheitlichen Ansatz gehören aber auch soziale Themen. Damit meine ich jetzt nicht das x-te Golfturnier, sondern weitere Themen rund um Kultur, Gesundheit oder Nachhaltigkeit. Eine Bank könnte beispielsweise nicht nur die nachhaltige Kapitalanlage im Angebot haben, sondern darüber hinaus an nachhaltigen Themen interessierte Personenkreise und Netzwerke aus der Kundschaft heraus schaffen. Geld ist bei der Private Banking-Klientel meistens nicht der limitierende Faktor. Echten Zugang zu ihr gewinnt man eher über solche Netzwerke oder mit gemeinsamen besonderen Erlebnissen.
Das schafft aber keinen direkten Ertrag, und kostet sogar teilweise ordentlich Geld.
Schellenberg: Natürlich kostet das eine Bank auch Geld. Und ja, Investitionen in Kundenbeziehungen sind langfristiger Natur. Die Kundenbeziehungen sollen es ja auch sein. Gleichzeitig ist aber nicht jedes exklusive Event auch notwendigerweise teuer. Exklusiv heißt ja nicht luxuriös. Es heiß eher besonders, manchmal heißt es auch ganz privat im kleinen Kreis. Oftmals geht es darum, ob ein Redner oder der Zugang zu einem Event überhaupt verfügbar sind. Das kann dann der ehemalige Bundesbankvorstand sein, der für einen Kaminabend zur Verfügung steht, oder der Künstler, der zu seiner Ausstellung persönlich vor Ort ist. Solche Netzwerkthemen tragen langfristig zur Kundenbindung bei, zu einem Gemeinschaftsgefühl als Kunde eines Hauses wie etwa Merck Finck. Für uns ist das wichtig. Unsere Aufgabe und Herausforderung als Bank ist, hierzu noch stärker als bisher über den Tellerrand unseres täglichen Geschäfts hinauszuschauen. Und das tut uns allen ab und zu ganz gut.
Über den Interviewten:
Matthias Schellenberg ist seit Januar 2017 Vorstandsvorsitzender von Merck Finck Privatbankiers. Der 54-Jährige war zuvor für drei Jahre bei der UBS Deutschland im Vorstand für das Asset Management zuständig. Insgesamt blickt er auf über 20 Jahre Berufserfahrung in der Finanzindustrie zurück.