Gibt es bei Merck Finck konkret eine Digitalstrategie?
Schellenberg: Ja, die gibt es. Wir investieren seit Anfang 2018 gezielt und substanziell in unsere IT-Plattform. Das umfasst eine neue Software für das Client-Relationship-Management, kurz CRM, ein neues Portfoliomanagement-System oder die Überarbeitung unserer Website. Wir haben auch unseren Online-Banking-Auftritt neu gestaltet samt elektronischem Postkorb. Teilweise sind das Hygienefaktoren, die dringend einer Überholung bedurften. Gleichzeitig ändern wir damit aber auch die Nutzungsmöglichkeiten solcher Neuerungen. Beispiel neue Website: Kunden und Interessierte künftig gezielt zur Interaktion einladen. Aber die Digitalisierung betrifft nicht nur die Schnittstelle zum Kunden. Wir sind dabei, eine ganze Reihe von Backoffice-Prozessen mittels sogenannter Robotic Process Automation effizienter zu gestalten. Als Bank sind wir heute aufgerufen, umfangreiche Checklisten durchzuführen und verschiedene Systeme miteinander abzugleichen, etwa bei der Geldwäscheprävention. Das sind bislang Themen gewesen, die vor allem manuell umgesetzt werden mussten. Diese Prozesse, von denen der Kunde aktiv gar nichts mitbekommt, werden zunehmend automatisiert.
Wird es im Rahmen ihrer IT-Strategie auch ein neues Kernbankensystem geben?
Schellenberg: Nein. Unser Kernbankensystem OBS läuft sehr stabil.
Digitalisierung hat ganz stark auch mit Standardisierung zu tun: Wie viel davon verträgt das Private Banking?
Schellenberg: Das ist richtig, das ist sogar eine ganz entscheidende Frage. Es ist daher wichtig, deutlich zu machen, wo man von welchen Standards spricht. Neuere Software-Lösungen bieten da weitaus bessere Freiheitsgrade als früher. Teilweise ist die Branche ja gezwungen, in Standards zu arbeiten. Nehmen Sie beispielsweise in der Beratung das Thema Geeignetheitsprüfung. Daran ist per se nicht zu rütteln. Bei Merck Finck arbeiten wir aber daran, dass über das neue Portfoliomanagement-System dem Kunden nicht nur sehr früh ein sehr gutes Reporting geboten wird, sondern Anlagevorschläge automatisch mit den entsprechenden Rule Books im Hintergrund verknüpft werden. Der Kunde erhält dann nur solche Anlagevorschläge, die auch wirklich seiner Geeignetheitsprüfung entsprechen. Damit wollen wir mögliche Systembrüche in internen Prozessen und der Beratung gar nicht erst zulassen. Auch das ist Standardisierung, jedoch im Sinne der Sicherung einer hohen Qualität. Dies ist jedoch nur ein Teilaspekt. Das übergeordnete Ziel ist ein hybrides Geschäftsmodell. Daran arbeiten wir derzeit.
Das interpretiert jeder ein bisschen verschieden.
Schellenberg: Dem stimme ich zu. Was ich bislang im Markt sehe, ist, dass man neben dem traditionellen Private Banking auch eine digitale Offerte stellt. Im Ergebnis geht es dann eher um ein weiteres Direktbank-Angebot. Das heißt dann meist auch anders und wird teilweise auch ganz getrennt geführt. Unsere Idee eines hybriden Geschäftsmodells ist eine andere: Wir wollen digitale Elemente in die ureigenen Prozesse des Private Banking einbetten und den Kunden an den unterschiedlichsten Stellen abholen. Alles unter unserer Marke Merck Finck. Die Marke spielt hier eine große Rolle als Vertrauensanker. Wir in der Branche sehen rein digitale Anbieter als technisch fitte Wettbewerber. Für viele Privatkunden sind sie eine weitere Internetseite, die morgen weg sein kann. Gerade die Kunden, die wir ansprechen, also vermögende Privatkunden, Stiftungen oder kirchliche Vermögen, suchen aber Partner, denen sie vertrauen, um mit ihnen langfristig zusammenzuarbeiten. Vertrauen ist also ein ganz entscheidender Aspekt unserer Arbeit, den wir nie aus dem Blick verlieren dürfen. Banken, die mit dem Vertrauen ihrer Kunden leichtfertig umgegangen sind, haben immer auch die Quittung dafür bekommen.