Auf den Prozess kommt es an
Insbesondere bei marktneutralen Long-short-Strategien ist der Investmentprozess und die Aufstellung auf der Short-Seite das Wesentliche. Die nachfolgende Grafik stellt die diesjährige Jahresentwicklung der marktneutralen Fonds gemäß der Morningstar-Kategorie dar. Auffällig ist die hohe Dispersion der Wertentwicklung.
Ein Grund für die schwache Jahres-Performance vieler Fonds ist nicht im Ausgang des Brexit-Referendums (Juni 2016) zu sehen. Vielmehr liegt dies an der Investmentphilosophie per se.
So verfolgen einige Fonds eine Beta-Strategie. Einzeltitel werden nicht aufgrund ihrer Bewertung oder problematischer/aussichtsreicher Geschäftsmodelle erworben oder geshortet. Stattdessen steuern die Verantwortlichen das gesamte Portfolio nach Beta-Faktoren oder gehen eine Sektorwette ein.
Die diesjährige Wertentwicklung legt in vielen Fällen eine bewusst defensive Aufstellung vieler Fonds (Low Beta) nahe. Sektoren wie beispielsweise Pharma, Nahrungsmittel oder Versorger wurden als Overlay übergewichtet und zuvor schwache Performer wie Rohstoff-Titel gemieden.
Ein Blick auf die auseinanderdriftende Wertenwicklung der Stoxx-Branchen seit Jahresanfang lässt erahnen, welche Spuren eine Sektorwette hinterlassen kann, selbst wenn die Aktienquote bei null liegt:
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Wertentwicklung aller Fonds der Morningstar-Kategorie L/S Equities Market Neutral seit Jahresbeginn
Auseinanderdriftende Sektoren (seit Jahresbeginn)
Rohstoffaktien: plus 30 Prozent
Öl & Gas: plus 9 Prozent
Pharma: minus 7 Prozent
Telekommunikation: minus 10 Prozent
Banken: minus 18 Prozent
Fonds, die in jedem Sektor den gleichen Gegenwert an Kauf und Verkaufstiteln halten, die also eine Pair-Trades-Strategie verfolgen, verlieren in Zeiten starker Sektorveränderungen dagegen deutlich weniger an Wert. Gleichwohl stellt sich hier die Frage, ob eine langfristig zufriedenstelle positive Rendite erzielt werden kann.
Beispielsweise ist die Erholung des Rohstoffsektors im Wesentlichen der vorangegangenen Überreaktion der Märkte geschuldet, die selbst bei gering verschuldeten Unternehmen Insolvenz-Szenarien eingepreist hatten. Rein risikobasierte Konzepte erkennen diese Investmentopportunitäten dann nicht.
Konzepte mit aktivem Stockpicking, zum Beispiel auf Basis eines Bottom-up-Bewertungsansatzes, greifen diese Wendepunkte besser ab. Gleichwohl müssen Investoren hier kurzfristige Schwankungen aushalten – so geschehen im Zuge der Brexit-Entscheidung. Ob Unternehmen sehr teuer oder günstig bewertet sind, spielt dann für den Markt temporär keine Rolle. Nach einer Beruhigung der Märkte (Back to the fundamentals) kann die Erholung dann umso stärker ausfallen.
Im ersten Teil der Artikelserie ging es um die Ursprünge und Vorteile von Long-short-Aktienstrategien.
Über den Autor:
Marc Siebel ist Portfoliomanager und Gründer von Peacock Capital, einem bankenunabhängigen Asset Manager. Seine berufliche Karriere begann er 2000 im institutionellen Asset Management bei der damaligen West LB. Später wechselte er zum Bankhaus Lampe ins Asset Management und baute dort seine Spezialisierung auf europäische Nebenwerte aus.
Im Oktober 2012 gründete der 42-Jährige dann Peacock Capital. Siebel wurde in den vergangenen Jahren mehrfach im Rahmen des Thomson Reuters Extel Survey als einer der 30 besten Fondsmanager Europas ausgezeichnet.