Mark Pawlytta von KPMG Law Stiftungsrechtsreform: „In der Praxis ist Argumentationskraft notwendig“

Mark Pawlytta von KPMG Law: „Bestehenden Stiftungen ist anzuraten, ihre Satzung gerade auch zum Stiftungsvermögen anzupassen, soweit diese Aufteilung noch nicht klar in der Satzung abgebildet ist.“

Mark Pawlytta von KPMG Law: „Bestehenden Stiftungen ist anzuraten, ihre Satzung gerade auch zum Stiftungsvermögen anzupassen, soweit diese Aufteilung noch nicht klar in der Satzung abgebildet ist.“ Foto: KPMG

Der Gesetzgeber hat im vergangenen Jahr per Reform das Stiftungszivilrecht, das zuvor ein loser Flickenteppich gewesen war und von 16 Bundesländern unterschiedlich geregelt wurde, im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vereinheitlicht. Er versuchte zudem, das Recht zu modernisieren und es auf die Bedürfnisse von Stiftungen und Stiftern besser auszurichten. Teilweise ist das gelungen.

Vereinheitlichung des Rechts und Stiftungsaufsicht

Den Bundesländern fällt es noch schwer, die Vereinheitlichung des Stiftungsrechts zu akzeptieren. So müssen alle Bundesländer ihre alten Stiftungsgesetze reformieren, da ihnen nur noch das Recht zusteht, die Stiftungsaufsicht zu regeln. Noch haben nicht alle Bundesländer ihr Landesstiftungsgesetz erneuert, und es finden sich zudem immer noch alte Regelungen im Landesstiftungsrecht, die fraglich sind. So müssen beispielsweise in Baden-Württemberg die Aufnahme eines Darlehens oder die Veräußerung einer Immobilie der Stiftungsaufsicht angezeigt werden. Sie dürfen erst durchgeführt werden, nachdem die Aufsicht die Rechtmäßigkeit bestätigt hat.

Das neue Bundesstiftungsrecht sieht solche Anzeigepflichten eigentlich nicht mehr vor. Im Gegenteil. Nach neuem Recht darf Vermögen wie beispielsweise Grundstücke umgeschichtet, also unter anderem verkauft werden. Wenn dies die Satzung nicht einschränkt, gibt es auch keinen Grund, die Aufsicht vorher um Erlaubnis fragen zu müssen. Hätte der Bundesgesetzgeber Darlehen und Immobilien als besonders riskant und wichtig für Stiftungen angesehen, hätte er das im BGB regeln müssen.

Anforderung an Änderung des Stiftungszwecks

Insgesamt ist festzustellen, dass viele Stiftungsaufsichtsbehörden auch das neue Stiftungsrecht ähnlich wie das alte Recht auslegen. Wollte eine Stiftung vor dem 1. Juli 2023 den Stiftungszweck austauschen, ging das nur unter sehr strengen Voraussetzungen. Während nach altem Recht eine Zweckänderung in aller Regel nur zulässig war, wenn die Erfüllung des alten Zwecks objektiv für jedermann unmöglich geworden war, kann nach neuem Recht der Stiftungszweck geändert werden, wenn dieser nicht mehr dauernd und nachhaltig erfüllt werden kann.

Der Gesetzgeber hat eine Kritik aus der Praxis aufgegriffen und Zweckänderungen erleichtern wollen. Viele Aufsichtsbehörden legen aber bei der Auslegung des neuen Rechts immer noch die alten, strengeren Maßstäbe an. Hier ist in der Praxis viel Argumentationskraft und -geschick notwendig.

Die neue Struktur des Stiftungsvermögens

Als positiv ist die neue und klare Aufteilung des Stiftungsvermögens zu bewerten. Jede Stiftung verfügt über ein Grundstockvermögen, also das „unantastbare Kernvermögen“, und das sonstige Vermögen. Der Gesetzgeber hat damit eine für alle deutschen Stiftungen einheitliche Vermögensstruktur geschaffen.

Bestehenden Stiftungen ist anzuraten, ihre Satzung gerade auch zum Stiftungsvermögen anzupassen, soweit diese Aufteilung noch nicht klar in der Satzung abgebildet ist. Ferner zeigt sich, dass jeder Vorstand eine Vorstellung haben sollte, welches Vermögen zum Grundstockvermögen und zum sonstigen Vermögen gehört. Die Aufsichtsbehörden fragen inzwischen häufiger nach. Nicht wenige Stiftungen sind hier unsicher. Stiftungen, die einen Jahresabschluss mit einer Bilanz und einer Gewinn- und Verlustrechnung erstellen, rätseln hin und wieder auch, denn weder das Eigenkapital auf der Passivseite noch beispielsweise das Anlagevermögen auf der Aktivseite sind automatisch zwingend Bestandteil des Grundstockvermögens.

 

Ebenso hat es sich bewährt, wenn Stiftungen das neue Recht zur Umschichtung des Stiftungsvermögens eindeutig in der Satzung verankert haben, da es dann weniger Anlass für Nachfragen der Stiftungsaufsichtsbehörden gibt. Wenn eine Stiftung dies noch nicht getan hat, ist eine Anpassung der Stiftungssatzung an das neue Recht zu empfehlen.

Die Business Judgement Rule

Viele Vorstände fühlen sich wohler, wenn die für Stiftungen erstmals gesetzlich geregelte Business Judgement Rule auch in der Stiftungsatzung steht. Obwohl die Regelung des haftungsfreien Ermessensspielraums der Organmitglieder nach dem Gesetz auch dann gelten müsste, wenn die Satzung hierzu schweigt, drängen selbst die Aufsichtsbehörden dazu, diese Regelung in die Satzung einzufügen.

Die neue Regel besagt, dass eine Pflichtverletzung eines Organmitglieds nicht vorliegt, wenn dieses bei der Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben die gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben beachtet und vernünftigerweise annehmen durfte, auf Grundlage angemessener Informationen zum Wohl der Stiftung zu handeln. Hierdurch wird das Haftungsrisiko von Stiftungsorganen, die oftmals ehrenamtlich tätig sind, reduziert. Eine Satzungsregelung ist tatsächlich zu empfehlen, denn so gibt es keine Diskussionen, beispielsweise über die Frage, ob die gesetzliche Regelung mangels Erwähnung in der Satzung gerade nicht gelten sollte.

Änderungen der Stiftungs-Governance

Wenn man ohnehin die Satzung modernisiert, sollte auch überlegt werden, ob die Regelungen zum Vorstand und, soweit vorhanden, auch zu anderen Gremien neu gefasst werden, etwa Beiräte und/oder Kuratorien. Bei vielen Stiftungen hat sich über die Jahre gezeigt, dass manche Gremien schlicht zu groß sind. Es fällt häufig schwer, Nachfolger für die Gremienarbeit zu finden, gerade wenn diese ehrenamt- lich tätig sind. Die jüngsten Erfahrungen zeigen, dass die Aufsichtsbehörden aufgeschlossen dafür sind, einer „Verschlankung“ der Gremien zuzustimmen.

Erstmaliges Stiftungsregister ab 2026

Um mehr Publizität im Stiftungssektor zu schaffen, wird zum Jahresbeginn 2026 ein grundsätzlich für jedermann einsehbares Stiftungsregister eingeführt. Hier bleibt die Entwicklung zwar abzuwarten, doch zeigt sich schon jetzt, dass es sinnvoll ist, im Rahmen der Satzungsmodernisierung darüber nachzudenken, welche Regelungen in der Stiftungssatzung zwingend enthalten sein müssen oder auch in ein Dokument ausgelagert werden können, das nicht im Register hinterlegt werden muss.  

 

Diese zukünftige Publizität, die nur beschränkt oder verweigert werden kann, wenn berechtigte Interessen Dritter oder der Stiftung selbst der Einsicht entgegenstehen, sollte bereits jetzt bei Satzungsdokumenten mitbedacht werden. Es scheint gut möglich, dass mit dem Inkrafttreten des Stiftungsregisters im Jahr 2026 diese Frage stärker in den Blickpunkt der Aufsichtsbehörden rückt und Transparenzfragen kritischer beurteilt werden.

Ausblick

Es gibt viele Gründe für bereits errichtete Stiftungen, ihre Stiftungssatzung an das neue Stiftungsrecht anzupassen. Besonders erfreulich ist die Situation für neue Stiftungen. Denn das neue Recht gewährt den Stiftern mehr Gestaltungsmöglichkeiten als das alte Recht, speziell mit Blick auf Satzungsänderungen und das Stiftungsvermögen. Dies gilt insbesondere, wenn diese flexiblen Möglichkeiten bereits im Stiftungsgeschäft und der Gründungssatzung abgebildet werden.


Über den Autor:

Mark Pawlytta ist Rechtsanwalt und Partner bei KPMG Law. Er kümmert sich seit mehr als 20 Jahren um die Sicherung des Vermögens von Unternehmern, Privatpersonen und Stiftungen und leitet diesen Bereich der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft in Deutschland.

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