Etikettenschwindel bei der Inflation „Man müsste von gewollter Deflation sprechen“

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Ergebnis einer Austeritätspolitik

Die niedrige Preissteigerung im Euroraum mag in der Tat sehr niedrig und gefährlich nahe an Deflation scheinen. Das trügt jedoch. Was wir hier sehen, ist etwas ganz anderes. Es ist nicht Ausdruck einer Wachstumsschwäche oder gar Menetekel japanischer Verhältnisse. Es ist ganz einfach das Ergebnis einer bewusst und gegen viele Widerstände betriebenen Austeritätspolitik. Durch sie sollen die Fehlentwicklungen in einigen Mitgliedsländern des Euros überwunden werden.

Das ist die berühmte interne Anpassung, die in einer Währungsunion mit festen Wechselkursen die früher möglichen Abwertungen ersetzt.

Lange Zeit hat sich die Konsolidierungspolitik nicht in den Preisen niedergeschlagen, weil Umsatzsteuern und Gebühren erhöht wurden, um die Einnahmen zu steigern. Inzwischen ist dieser Effekt ausgelaufen und die Preise reagieren modellgerecht.

Wenn überhaupt "gewollte" Deflation

Wenn man hier überhaupt von Deflation sprechen will, dann müsste man von einer "gewollten" Deflation reden. Das ist nichts, das man mit Geldpolitik bekämpfen muss. Im Gegenteil muss man es eher fördern, damit die Anpassung bald zu Ende geht und man wieder auf Wachstum setzen kann. Objektiv gesehen war die Zinssenkung daher nicht erforderlich.

Sinnvoller wäre es aus meiner Sicht gewesen, wenn die EZB die niedrige Inflation als Zeichen für die fortschreitende Gesundung im Euroraum erklärt und als Ermutigung für die weitere Entwicklung dargestellt hätte. Der Hinweis auf Deflationsgefahren in Europa könnte manchen Investor verunsichern.

Andererseits sollte man den Streit über die Geldpolitik, der in den letzten Tagen entstanden ist, aber auch nicht hochspielen. Ein Viertel Prozentpunkt höhere oder niedrigere Leitzinsen machen den Kohl nicht fett.

Ein früherer Vorstand einer großen Bank sagte mir: Darüber hätten wir früher gelacht. Es ist bemerkenswert, dass die langfristigen Zinsen in Spanien und Italien als Folge der Aktion der Europäischen Zentralbank nicht gesunken, sondern im Gegenteil gestiegen sind.

Für den Anleger

Dass die Inflation so stark zurückgegangen ist, ist für die Märkte eine gute Nachricht. Es gibt daher keinen Grund, in Panik zu geraten und Deflation und japanische Verhältnisse in Europa zu befürchten. Die Zinssenkung wird auf die Märkte keinen größeren Einfluss haben.

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