Mainsky-Berater Adolf Rosenstock Fallende Realzinsen sind ein Dilemma für die EZB

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Eigentlich müsste die EZB wieder Zinsen senken …

In einer anderen Researchpublikation der EZB wird ein Richtungsindikator für die EZB-Geldpolitik basierend auf früheren Arbeiten des ehemaligen Notenbankpräsidenten Zyperns, Orphanides, vorgestellt. Ähnlich einer Taylor-Rule wird eine einfache Formel mit nur zwei Variablen aufgestellt: a) der Abweichung der aktuellen Inflationsrate von der Zielrate und b) der Differenz zwischen der in einem Jahre erwarteten Wachstumsrate und der Potenzialrate. Letztere unterliegen erheblichen Schätzrisiken. In dem Researchpaper erzielen die Daten des IMF die brauchbarsten Ergebnisse. Im nächsten Chart vergleichen wir diesen Orphanides-Indikator mit unserem eigenen Indikator, der exakt den gleichen Zweck verfolgt. Für die letzten Monate zeigen beide einen zunehmenden Druck die Geldpolitik wieder zu lockern. Insgesamt bleiben wir aber bei unserem eigenen Mainsky EZB Indikator, da er bessere Vorlaufeigenschaften aufweist.

Auch wenn die EZB und insbesondere Präsident Draghi immer wieder betonen, die EZB hätte noch ausreichende Möglichkeiten, das Inflationsziel von 2 Prozent bei stabilem Wachstum zu erreichen, bleiben wir skeptisch hinsichtlich der verbliebenen Gestaltungsmöglichkeiten, in einer neuen Rezession eine Wende einzuleiten.

… aber nur QE ohne Tabus ist möglich – und die Fiskalpolitik wird gefordert

Auf jetzigem Niveau sind neue Zinssenkungen so gut wie unmöglich. Es bleibt nur die Wiederaufnahme nicht konventioneller Maßnahmen, die weit über die Anleihekäufe der Vergangenheit hinausgehen müssten. Die Bank von Japan hat hier schon vor Jahren Neuland mit dem Ankauf von Aktien und der Zielvorgabe für 10-jährige JGBs beschritten. Die Umsetzung wäre in der Eurozone technisch und politisch schwieriger, sollte aber kein Tabu sein. Daneben wird die Fiskalpolitik eine aktivere Rolle übernehmen müssen. Siehe hierzu auch unseren Artikel aus dem Jahr 2016.

Der Trend fallender Realzinsen wird wahrscheinlich weitergehen. Da Nominalzinsen aber nicht markant unter null  Prozent fallen können, bleiben der EZB in einem Abschwung oder sogar einer Rezession nur eine massive Ausweitung unkonventioneller Maßnahmen, das heißt Ankauf einer breiteren Palette von Assets. Ebenso wird eine deutlich expansivere Fiskalpolitik nötig sein.


Über den Autor:

Adolf Rosenstock analysiert seit über 30 Jahren Kapitalmärkte. Seit 2007 ist er unter anderem für Mainsky Asset Management als unabhängiger Berater für strategisches Anlagemanagement tätig. 

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