Märkte & Geldpolitik auf einen Blick Das erste Halbjahr 2016 – und was noch passieren könnte

Martin Utschneider von der Privatbank Donner & Reuschel

Martin Utschneider von der Privatbank Donner & Reuschel

Die weltweit stabile Konjunkturlage im 1. Halbjahr war – abgesehen von China – auf den konsumfreudigen US-Bürger zurückzuführen. Er war im bisherigen Jahresverlauf die wesentliche Säule des Wirtschaftswachstums. Zudem unterstützte wie bereits im vergangenen Jahr der Staatssektor mit seiner Ausgabenerhöhung den leichten Aufschwung.

Insgesamt konnten aber diese Ausgabekomponenten die vorhandene Investitionszurückhaltung und Exportschwäche des US-Unternehmenssektors nicht überkompensieren. Damit zeigte die US-Industrie zum Jahresstart deutliche Bremsspuren und es könnte sich für den industriellen Output in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres sogar ein leichtes Minus ergeben. 

Als ebenso risikobehaftet ist mittlerweile der US-Arbeitsmarkt zu sehen, der die erfreuliche Entwicklung im 1. Quartal nicht fortsetzte. Denn die Schaffung neuer Stellen verfehlte sowohl im April als auch im Mai die Markterwartungen deutlich. Insgesamt fällt damit die bisherige Zwischenbilanz für die erste Jahreshälfte am US-Arbeitsmarkt nur noch bescheiden aus.

Blick nach Europa

Die Wirtschaft in der Eurozone entwickelte sich auch in Folge des vergleichsweise schwachen Euro im bisherigen Jahresverlauf 2016 zufriedenstellend. Hier wirkten Nachfrageeffekte des Staatssektors in den Bereichen Infrastruktur und Migrationsaufwendungen insbesondere in Deutschland positiv.

Der in 2015 erzielte steuerliche Einnahmenüberschuss wird in den Jahren 2016 bis 2019 investiv spürbar sein und die Staatsquote anheben. Auch der deutsche Export zeigte nach einem enttäuschenden Jahresstart eine zuletzt dynamische Tendenz.

Ein wesentlicher Impuls für den überraschend guten Verlauf lieferten die Exporte mit EU-Ländern außerhalb der Eurozone. Diese könnten den sogenannten Brexit-Effekt für die deutsche Exportindustrie etwas abmildern. Denn bereits auf kurze Sicht ist wegen des schwachen Pfundes eine schwierigere Situation für Exporte auf die Insel entstanden.   

Und was trieben die Notenbanken so?

In einer historischen Entscheidung hat die US-Notenbank (Fed) den Leitzins im Dezember 2015 erstmals wieder angehoben. Er soll künftig in einer Bandbreite von 0,25 Prozent bis 0,50 Prozent schwanken.

Mit dem Einläuten der US-Zinswende durch die Federal Reserve ergibt sich nun eine auffällige Divergenz zur Notenbankpolitik der anderen G8-Industriestaaten, die durch eine Beibehaltung der aktuellen Nullzinspolitik und weiteren Zinssenkungen geprägt ist.

In der Mai-Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) wurden der Einlagesatz auf minus 0,4 Prozent gesenkt und der erstmalige Ankauf von Unternehmensanleihen eingeleitet. Das wöchentliche Kaufvolumen beträgt nun 20 Milliarden Euro, das Wertpapierkaufprogramm wurde zusätzlich bis Ende 2017 verlängert.

Die Zentralbanken von England und Japan sendeten weiterhin expansive Signale. Aufgrund der Währungsturbulenzen im Gefolge des Referendums im Vereinigten Königreich waren die Schweizer und die Britische Notenbank zu Eingriffen am Devisenmarkt gezwungen. Insgesamt befanden sich die Kapitalmärkte in einem geldpolitisch stark alimentierten Umfeld.
 
Schlechter Jahresstart bei Aktien

Das Jahr 2016 begann für die weltweiten Aktienmärkte mit einer makroökonomischen Bürde. Das Wachstum der großen Volkswirtschaften musste aufgrund einbrechender Rohstoffpreise und deflationärer Tendenzen teils erheblich nach unten korrigiert werden. Die im Jahr 2015 erreichten neuen Allzeithöchststände waren deshalb schon im ersten Quartal anfällig für stärkere Gewinnmitnahmen.

Unterstützend wirkten über weite Strecken noch die historisch niedrigen Zinsen, die sich aus der ultra-expansiven Geldpolitik ableiten ließen. Im weiteren Jahresverlauf kam es immer wieder zu Erholungsversuchen Richtung Jahresausgangsniveaus, allerdings verhagelte das britische Referendum zur EU-Mitgliedschaft nach dem 23. Juni schließlich jegliche Aufwärtsbemühungen.

Zu den ökonomischen Belastungsfaktoren gesellten sich neben der merklichen Abkühlung in den Schwellenländern (vor allem China, Russland und Brasilien) später Zinserhöhungsängste in den USA sowie erneute Diskussionen um Griechenland im Mai 2016. Unter teils erheblichen Wochenschwankungen endete das erste Halbjahr mit zweistelligen Verlusten in den meisten Indizes außer in den USA.

In der Berichtsperiode landeten Dax und Stoxx Europe 600 schließlich deutlich im Minus, wobei sich die tiefsten Niveaus bereits zu Anfang des Jahres messen ließen. Für Europa und seine Finanzmärkte mutierte diese Volksabstimmung zu einem erheblichen externen Schock.

Brexit auch in den USA ein Thema

Ein differenzierteres Bild boten die amerikanischen Indizes. Begleitet durch eine solide Dynamik am Arbeitsmarkt, kam es zu leicht steigenden Arbeitskosten und daraus resultierenden negativen Folgen für das künftige Gewinnwachstum der Unternehmen. Parallel zur ersten Zinserhöhung der Fed im Dezember kam allerdings auch die US-Industrieproduktion unter Druck.

In dieser Gemengelage versuchte der S&P 500 (in seiner Variante inklusive Dividenden, „Total Return“) sogar noch neue Allzeithöchstkurse und auch der Dow Jones Industrial Average erklomm mehrere Male die Marke von 18.000 Punkten.

Letztlich konnten sich aber auch die US-Indizes nicht dem Brexit-Sog entziehen und verloren gegen Ende des Berichtzeitraums ihre zuvor erlangten Gewinne fast gänzlich: Es verblieb ein Gewinn von knapp 2,5 Prozent (S&P 500).

Nach seiner knappen Halbierung im Jahr 2015 konnte der Shanghai Composite Index mit dem Jahresende 2015 wieder 70 Prozent des Absturzes aufholen. Allerdings folgte zu Beginn des Jahres prompt die Ernüchterung und der Index gab bis zum Halbjahr wiederum fast 18 Prozent ab.

Im Nachbarland Japan lief es nicht viel besser. Trotz weiterhin sehr expansiver Maßnahmen der Notenbank konnte der Nikkei die 20.000-Punkte Marke nicht mehr erreichen und landete im Zuge einer starken Yen-Aufwertung sogar nur noch bei knapp 23.200 Punkten, ein Verlust von nahezu 19 Prozent in 2016.

Die Aufwertung des US-Dollars in Kombination mit einer sich stabilisierenden Wachstumsentwicklung in den Schwellenländern trug in der ersten Jahreshälfte zu einem leichten Plus des MSCI Emerging Markets Index von annähernd 3 Prozent bei. Der MSCI World Total Return (USD) als globales Aktienbarometer konnte sich in dieser Gemengelage im ersten Halbjahr 2016 nur knapp behaupten und landete bei minus 1,8 Prozent.