Wenn Wertpapierdienstleister ihre internen Prozesse an die Nachhaltigkeitsanforderungen anpassen, orientierten sie sich bislang an mehreren wichtigen Regelwerken: Zum einen natürlich an dem, was die delegierte Verordnung zur Mifid II von ihnen fordert. Und zum anderen an zwei Leitlinien zu Nachhaltigkeitsanforderungen, die von der Esma als europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde im Jahr 2023 finalisiert wurden – eine im April 2023 und eine im August 2023.
Am 26. September 2024 hat die Bafin dieses Themengebiet auch in BT 5 und BT 7.1 der MaComp aufgenommen. Im Wesentlichen hat sie dabei die Inhalte aus den Leitlinien der Esma inhaltlich nicht geändert. Dennoch sollten Wertpapierdienstleister mit Blick auf ihre internen Prozesse analysieren, ob diese vollständig sind. Denn: Schließlich laufen aktuell bereits die jährlichen externen Prüfungen zum Wertpapier- und Depotgeschäft an.
Welche Anforderungen beinhaltet die MaComp nun in Bezug auf die Zielmarktdefinition zu nachhaltigen Produkten?
Die Bafin hat im Rahmen der Zielmarktkategorien die nachhaltigkeitsbezogenen Ziele in den Wortlaut der MaComp miteingefügt. Diese müssen Wertpapierdienstleister innerhalb der Kategorie „Ziele und Bedürfnisse“ berücksichtigen. Definieren die Institute den Zielmarkt, müssen sie dabei detailliert auf die unterschiedlichen nachhaltigkeitsbezogenen Merkmale eingehen. Ein Beispiel: Die Wertpapierdienstleister müssen den Mindestanteil des Produkts berücksichtigen, der in ökologisch nachhaltige Investitionen im Sinne der EU-Taxonomie-Verordnung angelegt ist.
Definieren die Institute einen negativen Zielmarkt, gibt es für sie eine Besonderheit: Sie müssen keinen negativen Zielmarkt zu Produkten bestimmen, die Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen. Die nachhaltigkeitsbezogenen Ziele von Produkten müssen also nur dazu beitragen, einen „positiven“ Zielmarkt für die Kunden mit kompatiblen nachhaltigkeitsbezogenen Zielen zu identifizieren. Hat ein Kunde keine Nachhaltigkeitspräferenzen, können Wertpapierdienstleister dennoch diese Produkte an ihn vertreiben – zumindest dann, wenn die Zielmarktkategorien übereinstimmen, die sich nicht auf die Nachhaltigkeit beziehen.
Die MaComp verpflichtet Wertpapierdienstleister bei den Nachhaltigkeitsfaktoren von Produkten auch dazu, regelmäßig die hierzu bislang definierten Zielmarktkriterien zu überprüfen. Also sollten Institute entsprechend prüfen, inwiefern sich Nachhaltigkeitsmerkmale und ihre Bestandteile verändert haben, ob die bislang definierten Zielmarktkriterien noch passend sind und die ursprünglich nachhaltigen Produkte auch in Zukunft immer noch als solche bezeichnet werden können.
Auf welche Details müssen sich die Institute zur Nachhaltigkeitspräferenzabfrage jetzt einstellen?
Die Bafin hat auch weitere Vorgaben in die MaComp eingefügt, die vor allem Berater und Vermögensverwalter betreffen. Aufgrund dieser Vorgaben müssen die Mitarbeiter den Kunden helfen, das Konzept der Nachhaltigkeitspräferenzen zu verstehen. Außerdem müssen die Kunden auch verstehen können, was hinter den Entscheidungen steckt, die sie zu den Nachhaltigkeitspräferenzen treffen. Berater und Vermögensverwalter sind also dazu verpflichtet, Begriffe zu erläutern. Außerdem müssen sie erklären, wie sich die Definitionen von Nachhaltigkeitspräferenzen sowie Produkte beziehungsweise Strategien mit und ohne Nachhaltigkeitsfaktoren unterscheiden. Wenn Berater und Vermögensverwalter eine Definition erläutern, müssen sie Fachbegriffe vermeiden.
Es ist natürlich davon auszugehen, dass Berater und Vermögensverwalter diese Anforderungen im Kundendialog bereits umsetzen. Dennoch sollten sie nachweisen, dass sie diese wirklich einhalten. Dafür sollten Berater und Vermögensverwalter diese prüfungssicher dokumentieren. Möglich ist das bei Beratern zum Beispiel in der sogenannten Geeignetheitserklärung, die das Beratungsgespräch dokumentiert.
Berater und Vermögensverwalter müssen die Informationen der Kunden zu deren Nachhaltigkeitspräferenzen detailliert einholen. Dafür müssen sie erfragen, ob und welche Nachhaltigkeitspräferenzen zu den einzelnen Nachhaltigkeitsfaktoren bestehen. Danach sollen die Berater und Vermögensverwalter bestimmen, welchen Mindestanteil die Kunden in entsprechend nachhaltige Produkte beziehungsweise Strategien investieren wollen. Außerdem sind sie dazu verpflichtet, Angaben dazu einzuholen, welche wichtigsten nachteiligen Auswirkungen für die Kunden wichtig sind.
Berater und Vermögensverwalter müssen hierbei darauf achten, während des gesamten Verfahrens einen neutralen und unvoreingenommenen Ansatz zu verfolgen. Das soll verhindern, dass sie die Antworten der Kunden beeinflussen. Berater und Vermögensverwalter dürfen den Kunden zum Beispiel keine Antworten vorgeben. Damit Berater und Vermögensverwalter die Mindestanteile, die Kunden in nachhaltige Produkte beziehungsweise Strategien investiert haben wollen, leichter bestimmen können, dürfen sie die Mindestanteile in Prozentsätzen angeben.
Eine Neuerung besteht in Kundengesprächen für den Fall, bei dem ein Kunde Nachhaltigkeitspräferenzen äußert, sich jedoch auf keine detaillierten Voraussetzungen festlegen möchte. In diesen Fällen können Berater und Vermögensverwalter alle Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen.
Ermitteln Berater und Vermögensverwalter Produkte beziehungsweise Strategien, die für Kunden geeignet sind, müssen sie immer auch die Kenntnisse und Erfahrungen, die finanzielle Situation sowie die Anlageziele des Kunden erfragen. Diese Merkmale müssen sie im Verhältnis zu den Nachhaltigkeitspräferenzen vorrangig berücksichtigen. Erst in einem zweiten Schritt müssen sie bei der Geeignetheitsprüfung die Nachhaltigkeitsmerkmale beachten.
Ein Berater oder Vermögensverwalter darf ein Produkt beziehungsweise eine Strategie, die nicht den ursprünglichen Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden entspricht, nur dann empfehlen, wenn der Kunde seine Nachhaltigkeitspräferenzen anpasst. Wie zum Beispiel der Berater das Vorgehen und die Entscheidung des Kunden begründet, muss von diesem in der Geeignetheitserklärung dokumentiert werden. Haben Berater oder Vermögensverwalter die Erklärung angepasst, können diese erst danach Kunden Produkte beziehungsweise Strategien anbieten, die nicht oder nicht vollständig der vorherigen Nachhaltigkeitspräferenz entsprechen. Allerdings ist das eben nur möglich, wenn die Kunden die Nachhaltigkeitspräferenzen anpassen. Diese neu in die MaComp eingefügte Passage sollte den Instituten im Wesentlichen aber schon bekannt sein, denn: Auch in der delegierten Verordnung der Mifid II findet sich eine Regelung, dessen Inhalt dem der MaComp vergleichbar ist.
Kunden, die bei der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage angeben, keine Nachhaltigkeitspräferenzen zu haben oder die Frage unbeantwortet lassen, können Berater und Vermögensverwalter als „nachhaltigkeitsneutral“ einordnen. Das hat zur Folge, dass Berater und Vermögensverwalter diesen Kunden Produkte beziehungsweise Strategien mit und ohne Nachhaltigkeitsfaktoren empfehlen können.
Ergeben sich mit der aktualisierten MaComp weitere für Wertpapierdienstleister relevante Änderungen, die sich nicht auf das Thema Nachhaltigkeit beziehen?
Die Bafin hat die MaComp insbesondere auch zum Themengebiet „Product Governance“ angepasst. Nachfolgend sind beispielhaft hierzu ebenfalls einzelne Punkte dargestellt.
Entsprechend dem neuen Wortlaut hat die Bafin Anleihen mit einer Make-Whole-Klausel, die über keine anderen eingebetteten Derivate als eine Make-Whole-Klausel verfügen, aus dem Anwendungsbereich des BT 5 MaComp zum Themengebiet Product Governance herausgenommen.
Des Weiteren stellt die Bafin in der MaComp klar, dass die Institute Entscheidungen dokumentieren müssen, die sie im Rahmen der Produktüberwachungsprozesse treffen. Dies gilt insbesondere für Entscheidungen zur Zielmarktbestimmung und die damit verbundenen Vertriebsstrategien. Bei den Zielmarktkriterien zu den Anlagezielen müssen Institute neben dem erwarteten Anlagehorizont auch die empfohlene Haltedauer berücksichtigen. Dabei sollen sie die potenziellen Auswirkungen für Kunden – insbesondere hinsichtlich der Kosten – einbeziehen, wenn die Kunden vorzeitig aussteigen.
Wenn Vertriebsunternehmen einen Zielmarkt bestimmen, können sie den Umfang davon abhängig machen, wie komplex das Produkt wirklich ist. Wenn ein Produkt weniger komplex ist, müssen die Institute den Zielmarkt also weniger detailreich angeben. Sie müssen jedoch den Grad der Komplexität, der den hergestellten Produkten beigemessen wird, definieren und angemessen abstufen. Im Anschluss bestimmen sie dann, wie detailreich sie den Zielmarkt definieren müssen. Aber auch hier gilt: Wie die Institute Zielmärkte definieren und darüber entscheiden, sollten sie nachvollziehbar dokumentieren.
Des Weiteren hat die Bafin klargestellt, dass ein Vertriebsunternehmen nicht nur einen eigenen Zielmarkt, sondern auch eine eigene Vertriebsstrategie bestimmen muss. Hierfür überprüft das Vertriebsunternehmen zunächst die Vertriebsstrategie, die der Konzepteur festgelegt hat. Danach muss das Vertriebsunternehmen, soweit erforderlich, die vom Konzepteur festgelegte Vertriebsstrategie verfeinern.
Sofern Vertriebsunternehmen komplexere Produkte nach einer solchen Analyse der Vertriebswege auch mittels beratungsfreier Dienstleistungen vertreiben wollen, müssen sie Maßnahmen ermitteln, mit denen die Vertriebsstrategie dennoch mit dem Zielmarkt vereinbar ist. So könnte es eine Maßnahme sein, entsprechende Produkte nur auf Anfrage eines Kunden zur Verfügung zu stellen, diese selbst jedoch nicht zu vermarkten.
Vertriebsunternehmen müssen Produkte fortlaufend überprüfen, solange sie diese anbieten, verkaufen oder empfehlen. Wenn zum Beispiel ein Vertriebsunternehmen ein Produkt aber nicht mehr anbietet, verkauft oder empfiehlt, ist es auch nicht mehr verpflichtet, den Zielmarkt dieses Produktes weiterhin fortlaufend zu überprüfen. Und das auch dann, wenn ein Kunde möglicherweise noch Anlagen in diesem Produkt hält. Anders sieht es aus, wenn ein Vertriebsunternehmen seinen Kunden empfiehlt, ein Produkt, das es nicht mehr anbietet oder verkauft, zu halten. In diesem Fall muss es den Zielmarkt überprüfen, bevor es die Halte-Empfehlung abgibt.
Bedeutung für die Praxis
Die Bafin hat in der MaComp nochmals detailreicher formuliert, was das Regelwerk von den internen Prozessen der Berater und Vermögensverwalter fordert. Wenn Institute in der Praxis den Umsetzungsstand des BT 5 und BT 7.1 der MaComp vollständig analysieren, dürften sie im zweiten Schritt an der ein oder anderen Stelle Nachbesserungsbedarf finden. Dies bezieht sich insbesondere auf die Themengebiete Nachhaltigkeit, Product-Governance-Prozesse sowie die Geeignetheitsprüfung. Um es Beratern und Vermögensverwaltern etwas einfacher zu machen, stellt die Bafin auf ihrer Webseite Änderungsversionen zu BT 5 und BT 7.1 MaComp zur Verfügung.
Über die Gastautorin:
Anika Feger, Certified Compliance Professional, ist Gesellschafterin und Geschäftsführerin des Compliance Project Office und Inhaberin sowie Rechtsanwältin der Kanzlei Compliance Law Office - Feger Rechtsanwälte, jeweils mit Sitz in Berlin. Anika Feger unterstützt unter anderem Finanz- und Wertpapierdienstleister wie Privatbanken und Vermögensverwalter dabei, wie sie aufsichtsrechtskonform regulatorische Anforderungen in internen Prozessen umsetzen können. Anika Feger verfügt außerdem über eine langjährige Berufserfahrung als interne Compliance- und Geldwäschebeauftragte sowie Justiziarin zum Bank- und Kapitalmarktrecht und war unter anderem für eine deutsche Großbank sowie verschiedene Privat- und Genossenschaftsbanken tätig.