MaComp-Aktualisierung Was sich bei der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage ändert

Die Rechtsanwälte Peter Frey und Jörg Streißle von Annerton:

Die Rechtsanwälte Peter Frey (links) und Jörg Streißle von Annerton erklären, wie sich die MaComp-Änderungen auf die Anlageberatung und Vermögensverwaltung auswirken. Foto: Annerton

Zum Ende September 2024 aktualisierte die Bafin die Mindestanforderungen an die Compliance (MaComp). Im Fokus: Nachhaltigkeitskriterien und die Frage, wie diese bei der Anlageberatung und Vermögensverwaltung zu berücksichtigen sind. Mit der Aktualisierung der MaComp setzte die Bafin mehrere Leitlinien der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde European Security Markets Authority (ESMA) um, die ein erheblich dichteres Regelungsnetz schaffen.

Nachhaltigkeitspräferenzen

Dreh- und Angelpunkt der Änderungen sind die Nachhaltigkeitspräferenzen, wenn Kunden entscheiden, ob und inwieweit bei Finanzanlagen die Kriterien Umwelt, Soziales und/oder Unternehmensführung berücksichtigt werden sollen. Die Delegierte Verordnung 2017/565, auf die die MaComp verweist, kennt gleich drei Arten von Nachhaltigkeitspräferenzen, nämlich Präferenzen für:

  • ökologisch nachhaltige Investitionen im Sinne der Verordnung (EU) 2020/852 (Taxonomie-Verordnung)
  • nachhaltige Investitionen im Sinne der Verordnung (EU) 2019/2088 (Offenlegungsverordnung – SFDR), die Umweltziele oder soziale Ziele oder auch beides anstreben können, und
  • Investitionen, bei denen die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen berücksichtigt werden.

Kundeninformation

Damit die Kunden das Konzept der Nachhaltigkeitspräferenzen auch verstehen und sachkundig entscheiden können, müssen die Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WpDUs) in einer Art Glossar die wichtigsten Begriffe im Bereich ESG erläutern. Dies gilt auch für die Unterschiede zwischen den verschiedenen Nachhaltigkeitspräferenzen und Produkten mit und ohne Nachhaltigkeitsfaktoren, die diese Präferenzen umsetzen. Fachausdrücke müssen hierbei vermieden werden.

Einzuholende Informationen

Auch die bisherige Fassung der MaComp sah vor, dass Banken und Vermögensverwalter Informationen jenseits der klassischen Geeignetheitskriterien wie den finanziellen Verhältnissen und Erfahrungen einholen. Die bisherige Regelung beschränkte sich jedoch auf eine bloße Empfehlung an die WpDU, Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden zu erheben.

Umso detaillierter ist die Neuregelung: In einem ersten Schritt muss der Kunde gefragt werden, ob er überhaupt Nachhaltigkeitspräferenzen hat. Entscheidet sich der Kunde gegen Nachhaltigkeitspräferenzen, können ihm Produkte mit oder ohne Nachhaltigkeitsfaktoren angeboten werden. Antwortet der Kunde hingegen mit „Ja“, setzt er einen in der MaComp sehr detailreich beschriebenen Prozess in Gang.

Zunächst muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen den Kunden fragen, welche der vorstehenden Nachhaltigkeitspräferenzen er hat, wobei zwischen den drei Kategorien unterschieden werden muss. Mehrfachnennungen sind möglich.

Strebt der Kunde nachhaltige oder ökologisch nachhaltige Investitionen an, muss erfragt werden, welchen Mindestanteil im Portfolio des Kunden diese Investitionen jeweils betragen sollen. Die Bafin erachtet hierbei eine standardisierte Abfrage, wie beispielsweise „mindestens 20 Prozent“, als zulässig. Diese Mindestanteile sollen dann in hinreichend granularen Schritten angegeben werden können. Das angeführte Beispiel spricht von 5-Prozent-Schritten.

Entscheidet sich der Kunde für Investitionen, bei denen die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen berücksichtigt werden, muss das WpDU erfragen, welche Arten von Nachteilen bei den Investitionen des Kunden ausgeschlossen werden sollen. Hierbei können Banken und Vermögensverwalter zusammenfassende Kategorien wie „Treibhausgasemission“, „Biodiversität“ oder „Wasser“ verwenden. Zusätzlich – so sieht es die MaComp vor – sollen die Kunden auch die qualitativen und quantitativen Elemente angeben, mit denen die Berücksichtigung nachgewiesen wird.

Berücksichtigung in der Anlageberatung und der Vermögensverwaltung

Grundsätzlich sind die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden auf Einzeltitelbasis umzusetzen. Hat der Kunden das WpDU mit einer Vermögensverwaltung beauftragt oder erbringt das Unternehmen die Anlageberatung mit Portfolioansatz, so müssen die Präferenzen hingegen auf Portfolioebene umgesetzt werden. Die Verwendung von Musterportfolios ist zwar möglich, darf aber nicht dazu führen, dass die individuellen Präferenzen des Kunden keine hinreichende Beachtung mehr finden oder der Kunde zu einer von ihm letztlich nicht gewollten Kombination von ESG-Kriterien veranlasst wird.

Findet sich in der Palette eines WpDU an grundsätzlich für den Kunden geeigneten Produkten keines, das auch seinen Nachhaltigkeitspräferenzen entspricht, darf das WpDU ihm nur dann ein anderes Produkt anbieten, wenn der Kunde seine Nachhaltigkeitspräferenzen anpasst. Hierbei darf jedoch das Pferd nicht von hinten aufgezäumt werden: Werden die Präferenzen des Kunden angepasst, darf dies nicht auf die zur Verfügung stehende Produktpalette abgestimmt werden. Zunächst muss der Kunde seine neuen Präferenzen mitteilen, erst dann darf ihm ein – hoffentlich passendes – Angebot unterbreitet werden. Findet sich weiterhin kein passendes Produkt, geht das Spiel von vorn los…

Für den Abschluss eines Vermögensverwaltungsmandates gilt Entsprechendes: Erfüllt das Unternehmen die Präferenzen des Kunden nicht, kann dieser sie ändern. Das muss im Vermögensverwaltungsvertrag dokumentiert werden. 

Unentschlossene Kunden

Will der Kunde, dass ESG-Aspekte bei seinen Finanzanlagen grundsätzlich berücksichtigt werden, jedoch weder eine der oben genannten Nachhaltigkeitspräferenz priorisieren noch einen Mindestanteil festlegen, kann das WpDu frei auswählen, welche Nachhaltigkeitspräferenz es berücksichtigt. Welche Nachhaltigkeitsfaktoren dann angewendet werden, erläutert das WpDU dem Kunden. Dass der Kunde seine Nachhaltigkeitspräferenzen nicht weiter spezifizieren möchte, dokumentiert das WpDU in der Geeignetheitserklärung.

Das Gleiche passiert, wenn der Kunde sich zwar für mehrere Nachhaltigkeitspräferenzen entscheidet, zwischen diesen aber wiederum nicht priorisiert.

Akuter Handlungsbedarf

Auf Seiten der WpDU besteht akuter Handlungsbedarf. Etliche Dokumente, wie etwa der WpHG-Bogen und die Geeignetheitserklärung, müssen an die zusätzlichen Anforderungen angepasst und Mitarbeiter entsprechend geschult werden. Unter Umständen muss das eine oder andere Unternehmen sogar seine Investmentprozesse überdenken, um ein Angebot bereitzuhalten, das hinreichende ESG-Konformität gewährleistet. Die größte Herausforderung besteht darin, einerseits den Regularien zu erfüllen, andererseits aber auch einen pragmatischen und gangbaren Weg für die Praxis zu finden.


Über die Autoren:

Peter Frey ist Gründungspartner der Annerton Rechtsanwaltsgesellschaft. Er berät nationale und internationale Unternehmen vornehmlich in den Bereichen Bank- und Bankaufsichtsrecht, Finanzdienstleistungsrecht, Zahlungsdienste- und Zahlungsdiensteaufsichtsrecht sowie Geldwäscherecht und Outsourcing.

Jörg Streißle ist seit 2021 Mitglied der Rechtsanwaltskanzlei Annerton Rechtsanwaltsgesellschaft. Er berät Banken, Wertpapierdienstleister und Zahlungsinstitute in aufsichts- und vertragsrechtlichen Angelegenheiten und vertritt ihre Interessen vor Gericht. Zuvor leitete er über mehr als 10 Jahre die Rechtsabteilung von Merck Finck.

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