Sechs Gründe Was jetzt für Lokalwährungs- und Staatsanleihen aus Schwellenländern spricht

Cem Karacadag (links) und Ricardo Adrogué (rechts) von Barings erklären, warum sich Einstiegschancen bei Staats- und Lokalwährungsanleihen aus Schwellenländern bieten.

Cem Karacadag (links) und Ricardo Adrogué (rechts) von Barings erklären, warum sich Einstiegschancen bei Staats- und Lokalwährungsanleihen aus Schwellenländern bieten. Foto: Barings

Von einer „zunehmend düsteren Entwicklung im Jahr 2022“ spricht der IWF in einem aktuellen Report. Nicht nur der Titel klingt pessimistisch. Der IWF stellt fest, dass der weiterhin Pandemie-geschwächten Weltwirtschaft gleich mehrere weitere Krisen zusetzen. Dazu gehören die hohe Inflation, vor allem in Europa und den USA, die Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine sowie die staatlich verordneten Lockdowns in China wie auch die sich dort weiter zuspitzende Immobilienkrise. Die Inflation könnte sich als schwieriger zu senken erweisen als gedacht, wenn sich auch die Lage auf den Arbeitsmärkten enger gestaltet als erwartet. Eine Verschärfung der globalen Finanzmärkte könnte wiederum zu Schuldenproblemen in den Schwellen- und Entwicklungsländern führen. Sollten Anleger deshalb lieber die Finger von der Asset-Klasse Emerging Market Debt lassen?

Wer hofft, dass sich die Lage bald bessert, wird von den Expertinnen und Experten des IWF enttäuscht. Der Internationale Währungsfonds korrigiert seine Wachstumsvorhersage erneut nach unten. Der Report rechnet für das laufende Jahr nur noch mit einem weltweiten Wachstum von 3,2 Prozent – nochmal 0,4 Prozentpunkte weniger als bei der letzten Prognose im April. Für die Schwellen- und Entwicklungsländer erwarten die IWF-Experten einen Rückgang des Wachstums von 6,8 Prozent 2021 auf 3,6 Prozent in diesem Jahr.

Schwellenländeranleihen unter Druck

Auch wenn die Zinsen steigen: Real gerechnet, nach Abzug der Inflation, sind sie noch immer negativ. Wo also anlegen? Neben Unternehmensanleihen bieten vor allem Bonds aus Schwellenländern höhere Renditen. Gemessen am Bloomberg-Index für Staatspapiere aus Schwellenländern in lokaler Währung liegen sie bei knapp fünf Prozent.

Nur: Schwellenländeranleihen gehörten im zweiten Quartal 2022 erneut zu den Teilmärkten mit der schlechtesten Wertentwicklung. Unter Druck stand die Anlageklasse aber schon länger. Seit Beginn des Jahres 2021 sinken die Kurse so dramatisch wie seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr. Die Unsicherheit ist groß: Laut Daten von JP Morgan zogen Anleger im bisherigen Jahresverlauf netto 50 Milliarden Dollar aus Fonds für Schwellenländeranleihen ab, der höchste Betrag seit mindestens 17 Jahren. Jedoch haben Schwellenländeranleihen in der Vergangenheit ähnliche Stürme gut überstanden, und Anleger, die an der Anlageklasse festgehalten haben, wurden belohnt.

Gerade Schwellenländeranleihen in Lokalwährung – also die Anleihen, die von Staaten begeben werden und auf die jeweils eigene Währung lauten – haben sich in der ersten Jahreshälfte 2022 als vergleichsweise widerstandsfähig erwiesen. Derzeit erreichen ihre realen Renditen historische Höchststände, viele Währungen sind unterbewertet und die lokalen Zentralbanken kontrollieren die Finanzierungsbedingungen. Anleger dürfen also für die weitere Entwicklung zuversichtlich sein.

Sechs bestimmende Faktoren für Schwellenländeranleihen

Es gibt sechs Faktoren, die für das Segment der Schwellenländeranleihen im weiteren Jahresverlauf 2022 bestimmend sein werden:

Die Geldpolitik der großen Notenbanken: Der wohl größte Unsicherheitsfaktor für Sovereign und Local Debt der Schwellenländer ist die restriktivere Geldpolitik der großen Notenbanken. So haben die Fed in den USA und die Europäische Zentralbank (EZB) die geldpolitischen Zügel angezogen, um die Inflation wieder auf ein normales Niveau zu bringen. Dadurch haben sich die finanziellen Bedingungen weltweit deutlich verschärft: Insbesondere der starke US-Dollar, die höheren Renditen für Investment-Grade- und Hochzinsanleihen sowie die hohen US-Hypothekenzinsen bremsen die Nachfrage. Möglicherweise beendet die Fed ihren Straffungszyklus daher aber auch früher als erwartet, was Schwellenländeranleihen stützen könnte. Für den Sektor sprechen aber noch weitere positive Trends.

Der Vorsprung im Zyklus: Viele Schwellenländer haben ihre Zinsen bereits erhöht, auch um Kapitalflucht zu verhindern. Im Vergleich zu den USA und erst recht zum Euro-Raum liegen sie daher früh im geldpolitischen Zyklus. Das verbessert ihre Chancen, mit dem Zyklus zurechtzukommen, und trägt bei Anlegern zur besseren Streuung der Risiken bei. Dazu kommt: Der Spread zwischen Lokalwährungsanleihen und US-Treasuries sorgt für einen Renditepuffer, was auch die Möglichkeit für Carry Trades bietet.