Liqid verwaltet mehr als 2,5 Milliarden Euro. Und zunehmend rücken Private Markets und Private Equity auch hier in den Fokus des „digitalen Family Office“. „Wir bieten nicht die Zahnarzt-Tranche von der Resterampe“, so Christian Schneider-Sickert, Gründer von Liqid. In welchem Spannungsfeld das Unternehmen unterwegs ist und mit welchen Partnern künftig auch illiquide Investmentlösungen angeboten werden, erklärt Schneider-Sickert im Interview.
DAS INVESTMENT: Herr Schneider-Sickert, Sie sind leidenschaftlicher Ruderer, fahren mehrmals die Woche 10 Kilometer. Was haben die Kapitalmärkte und das Wasser gemeinsam?
Christian Schneider-Sickert: Eine ganze Menge. Wenn Sie in einem Achter sitzen, müssen alle Ruderer absolut synchron sein, um die höchste Geschwindigkeit zu erreichen. Ähnlich ist es am Kapitalmarkt: Hier muss ein Team von Experten harmonisch zusammenarbeiten, um das Potenzial voll auszuschöpfen. Interessant ist, dass Sie den Team-Aspekt betonen.
Wie spiegelt sich dieser in der Struktur von Liqid wider?
Schneider-Sickert: Wir sind nun schon einige Jahre am Markt und gut eingespielt. Bei uns arbeiten Analysten, Technologie-Experten und Kundenbetreuer eng zusammen. Außerdem haben wir renommierte Partner auf Gesellschafterebene.
Einer davon ist das Multi-Family-Office HQ Trust. Aus dieser Zusammenarbeit entstand 2015 Liqid. Bevor Sie in die Vermögensverwaltung einstiegen, waren Sie Manager beim Mediengiganten Bertelsmann. Nicht gerade der konventionelle Weg, oder?
Schneider-Sickert: Innovation und Disruption haben mich immer angezogen. Mitte der 2010er wurden in Großbritannien Dienste populär, welche die Zugänglichkeit des Internets mit hochwertigen Finanzdienstleistungen kombinierten. Das fand ich irre spannend. Zumal ich in dieser Zeit selbst unzufrieden mit der Finanzwelt war: Die klassischen Banken waren mir zu verstaubt, die wirklich guten Privatbanken zu elitär. Über zwei Ecken habe ich die Kollegen von HQ Trust kennengelernt. Gemeinsam wollten wir mit einer digitalen Plattform die Prinzipien eines Family Office für die breite Masse öffnen.
Mittlerweile verwalten Sie 2,5 Milliarden Euro. Sehen Sie sich eher als Finanz- oder als Tech-Unternehmen?
Schneider-Sickert: Genau in der Mitte. Wir müssen im Finanzbereich so gut sein, dass wir mit den besten Privatbanken mithalten können. Dafür arbeiten wir seit 2022 eng mit der LGT zusammen. Unsere digitalen Prozesse und das User Interface müssen wiederum den Ansprüchen der modernen Web-Dienste genügen.
Wer sind Ihre Kunden?
Schneider-Sickert: Das sind Menschen, die etwas im Leben bewegen. Die Bandbreite reicht vom Mittelstandsunternehmer über den Agenturgründer bis zum freiberuflichen Arzt. Altersmäßig liegen die meistens zwischen 40 und 60 Jahren, erfahrungsgemäß haben sie erst zu diesem Zeitpunkt größere Vermögen.
Wie sprechen Sie diese Menschen an, damit sie nicht bei den klassischen Adressen anklopfen?
Schneider-Sickert: Einige unserer Kunden fühlen sich von der alten Private-Banking-Welt nicht mehr richtig angesprochen. Die finden bei uns digitale Freiheit und können alles über ein Dashboard steuern, aber auch mit einem Berater sprechen. Manche sehen uns als frischen Wind in der Branche und vertrauen uns einen Teil ihres Vermögens an. Als Wealth Manager darfst du nie den Anspruch haben, einen Kunden ganz für dich zu haben. Das ist bei uns nicht viel anders als in der alten Welt.
2024 legen Sie den Fokus verstärkt auf Private Equity und senken die Einstiegshürde. Erklären Sie bitte diesen Schritt.
Schneider-Sickert: Private Markets waren bislang eher ein exklusives Spielfeld für institutionelle Investoren und hochvermögende Privatanleger. Regulatorische Schwellen standen einer breiten Demokratisierung im Weg. Das hat sich glücklicherweise geändert. Nun wollen wir so viele wie möglich an diese Asset-Klasse heranführen.
Da sind Sie nicht allein. Immer mehr Asset Manager wittern das Geschäft mit Private Markets.
Schneider-Sickert: Gerade jetzt, wo mehrere Player auf den Markt drängen, ist Expertise umso wichtiger. Denn machen wir uns nichts vor: Es wird neben guten Produkten auch viel Müll auf den Markt kommen.
Und Sie haben diese Expertise?
Schneider-Sickert: Wir bieten nicht die Zahnarzt-Tranche von der Resterampe. Dafür kooperieren wir mit namhaften Partnern, etwa den Private-Equity-Fonds von KKR, Blackstone und Carlyle. Die haben einen hervorragenden Track Record in diesem Segment.
Welche Rolle spielt Private Equity in Ihrem bestehenden Universum?
Schneider-Sickert: Diese Asset-Klasse wird integraler Bestandteil unserer Anlagestrategie. Dafür werden wir unseren gesamten Onboarding-Prozess anpassen. Man startet mit einem voll-liquiden Basisportfolio, welches man bei Bedarf mit semi-liquiden Private-Markets-Bausteinen veredeln kann.
Es gibt derzeit risikolos 4 Prozent Zinsen. Entdeckt nun jeder den Venture Capitalisten in sich, oder wie erklären Sie sich das plötzliche Interesse an Private Markets?
Schneider-Sickert: Zinsen sind eine Nebensache. Private Equity ermöglicht es uns, direkt in das Rückgrat der Wirtschaft zu investieren – dort, wo echter Wert geschaffen wird. 90 Prozent der Realwirtschaft finden abseits der Börsen statt. Hier gestalten wir aktiv Unternehmenserfolge mit, anstatt nur zuzuschauen.
Mit welcher Rendite rechnen Sie?
Schneider-Sickert: In den vergangenen 20 Jahren erzielten Private- Equity-Manager durchschnittliche Nettorenditen von 14,5 Prozent pro Jahr. Mit unserem neuen Angebot, Private Equity NXT, zielen wir auf eine Rendite von 12 Prozent nach Kosten pro Jahr. Zum Vergleich: Auf dem globalen Aktienmarkt waren es 8,7 Prozent. Sie bieten einen Robo-Advisor, eine Vermögensverwaltung und nun den Schwerpunkt auf Private Equity.
Das klingt nach einem Mix aus Scalable Capital und Moonfare. Droht da nicht eine Verwässerung?
Schneider-Sickert: Klar gibt es dieses Spannungsfeld. Aber wir wissen sehr genau, was wir sein wollen – und vor allem, was nicht.
Und zwar?
Schneider-Sickert: Wir bewegen uns nicht im klassischen Retail-Markt, sondern sehen uns als digitales Family Office an der Schnittstelle von Finanzen und Technologie. Aber wir schauen gar nicht so viel nach links und rechts, wie Sie vielleicht denken. Sondern konzentrieren uns auf die eigentliche Herausforderung: Private Equity ist in Europa verglichen mit den USA immer noch vollkommen unterentwickelt, selbst bei den Großkunden in den Privatbanken. Man schaue sich nur die Portfolios deutscher Versicherungen an. Konservativer geht es kaum. Deutschland ist immer noch viel zu zaghaft.
Bis sich das ändert, brauchen Sie einen langen Atem.
Schneider-Sickert: Das stimmt. Wir haben gerade erst die Boote zu Wasser gelassen, um Ihr Bild vom Anfang aufzugreifen. Und das Schöne ist: Das ist kein „Winner takes it all“-Markt, wo man nur profitiert, wenn es anderen schlecht geht. Wir können alle gemeinsam wachsen.