Reaktionen auf die Leitzinssenkung der EZB „Es kommt ein Punkt, wo die Inflation so schwach ist …“

Der EZB-Rat hat auf seiner Sitzung in Frankfurt den Hauptrefinanzierungssatz um einen viertel Punkt auf 0,25 Prozent reduziert. Die Entscheidung war nur von drei von 70 Ökonomen in einer Bloomberg-Umfrage erwartet worden. Die EZB hat außerdem den Einlagensatz bei Null belassen und den Spitzenrefinanzierungssatz auf 0,75 Prozent gesenkt. EZB- Präsident Mario Draghi wird sich um 14.30 Uhr in einer Pressekonferenz äußern.

Die EZB hat nun nur noch Spielraum für eine weitere Senkung um einen viertel Punkt, bis Null erreicht ist. Daher nimmt die Wahrscheinlichkeit unkonventioneller Instrumente wie einer quantitativen Lockerung oder eines negativen Einlagensatzes zu, wenn die Preisentwicklung sich weiter abschwächt oder die aufkeimende Konjunkturerholung ins Stocken gerät. Die Inflation im Euroraum beträgt weniger als die Hälfte des EZB-Ziels und die Arbeitslosigkeit befindet sich weiter auf dem höchsten Stand seit Einführung des Euro im Jahr 1999.

“Es kommt ein Punkt, wo die Inflation so schwach ist und schwächer als erwartet ausfällt, dass dem Argument für eine Lockerung der Geldpolitik nur schwer zu widerstehen ist”, sagt Richard Barwell, leitender Europa-Ökonom bei Royal Bank of Scotland in London, der die Zinssenkung prognostiziert hatte. “Schlechte Arbeitslosenzahlen erhärten das Argument nur.”

Die Bank of England hat am Donnerstag den Leitzins unangetastet auf einem Rekordtief von 0,5 Prozent und das Bondkaufprogramm unverändert bei 375 Milliarden Pfund (446 Milliarden Euro) belassen.

Der Euro fiel nach der EZB-Entscheidung bis auf 1,3354 Dollar, verglichen mit 1,3510 Dollar vor der Bekanntgabe.

In den 17 Ländern des Euroraums ist die Teuerungsrate im Oktober auf 0,7 Prozent gesunken. Die EZB strebt an, die Preissteigerungen mittelfristig nahe, aber unter, 2 Prozent zu halten. Als die Inflation im April auf 1,2 Prozent fiel, nahm die EZB einen Monat später die Zinsen auf ein Rekordtief von 0,5 Prozent zurück.

Die Wirtschaft des Euroraums hat im zweiten Quartal zwar die bisher längste Rezession in ihrer Geschichte hinter sich gelassen, jedoch scheint die Erholung zerbrechlich zu sein. Die Arbeitslosenquote liegt auf einem Rekordhoch von 12,2 Prozent und die Gemeinschaftswährung hat in diesem Jahr fast 5 Prozent gegenüber anderen wichtigen Devisen gewonnen, was die Wettbewerbsfähigkeit von Exporteuren dämpft und auf die Preise drückt.

“Sowohl traditionelle als auch unkonventionelle geldpolitische Instrumente sind unwirksam geworden, die Euroraum-Wirtschaft anzuschieben”, sagte Carsten Brzeski, leitender Ökonom bei ING Groep in Brüssel. “Trotzdem gibt es nichts Schlimmeres für eine Notenbank als zugeben zu müssen, dass sie die Grenzen ihres Einflussbereichs erreicht hat.”

Draghi hat wiederholt betont, dass er noch verschiedene Instrumente zur Verfügung hat, einschließlich der Bereitstellung von mehr Liquidität für die Euroraum-Finanzmärkte. Ein Expertengremium, das die Liquiditäts-Optionen ausloten soll, hat vergangenen Monat zwei Wochen getagt.

Als neue Maßnahmen vorstellbar wären längerfristige Refinanzierungsgeschäfte mit festen oder variablen Zinssätzen, verschiedenen Laufzeiten oder Vorschriften, wie die Banken die Gelder zu verwenden haben. Andere mögliche Maßnahmen könnten Veränderungen bei den Reserve- oder Sicherheiten-Anforderungen, die Aussetzung von liquiditätsentziehenden Geschäften oder die Ausweitung von Krediten mit voller Zuteilung sein.

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