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Big is beautiful – viele Absolventen und Fachkräfte wollen in Metropolen arbeiten, und auch große Arbeitgeber, die jeder kennt, sind oft die erste Wahl. Gerechnet wird mit guten Konditionen, State-of-the-Art-Weiterbildung und der Flexibilität, auf individuelle Lebenssituationen einzugehen. Doch auch kleinere und mittelständische Institutionen – darunter viele institutionelle Investoren und versorgungsnahe Einrichtungen – können bei Nachwuchs und Quereinsteigern punkten, wenn sie strategisch vorgehen. Eine Anleitung in acht Schritten.
Das Interesse von Arbeitssuchenden an großen Namen ist ungebrochen – das gilt sowohl für Einsteiger als auch für erfahrene Fachleute, die in der Regel mithilfe professioneller Personaldienstleister gesucht werden. Spektakuläre Zusammenschlüsse wie jüngst das Beispiel Barmenia und Gothaer beflügeln regelmäßig die Personalsuche der beteiligten Unternehmen. Wie können kleine und mittlere Anbieter angesichts dieser Konkurrenz punkten, die zudem oft abseits der Metropolen beheimatet sind?
Viele kleinere und mittelständische Institutionen unterschätzen dabei die Kraft ihrer Arbeitgebermarke, deren Aufbau und Pflege. Gerade für institutionelle Investoren und versorgungsnahe Einrichtungen ist eine klare Identität von entscheidender Bedeutung – ganz gleich, ob das Unternehmen selbst sucht oder für eine Fach- oder Führungsposition einen Headhunter beauftragt.
Schritt 1: Warum wir, warum hier?
Die Entwicklung eines prägnanten Arbeitgeberprofils ist die Grundlage. Wer sind wir? Warum tun wir, was wir tun? Was unterscheidet uns von einer Bank oder einer Versicherung? Welche Werte leben wir? Wie stellen wir uns unsere Zukunft vor?
Hier kommen zum Beispiel Langfristigkeit, Gemeinwohlorientierung oder Verlässlichkeit infrage. In Zeiten der Nachhaltigkeit gewinnt das gesellschaftliche Mandat an Bedeutung. Viele Bewerber suchen heute nicht nur Vergütung, sondern Sinn. Eine Pensionseinrichtung könnte also herausstellen, dass sie Altersvorsorgethemen sicherstellt – nicht als „Verwaltungsakt“, sondern als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Um solche Aspekte zu vermitteln, sind neben klarer, glaubwürdiger Sprache „echte Gesichter“ und konkrete Geschichten wichtig. Porträts von Mitarbeitern, ihre Wege und Projekte oder Berichte aus dem Alltag im Unternehmen sind glaubwürdiger als ausgelaugte HR-Floskeln.
Schritt 2: Offenheit für Nischenprofil
Mittelständische Einrichtungen brauchen nicht Tausende Bewerbungen – sie brauchen wenige, aber passende Profile: Fachleute für Verwaltung, IT, Kapitalanlage, Aktuariat oder Recht. In den seltensten Fällen wird ein Bewerber alle Anforderungen des gewünschten Profils erfüllen. Der Arbeitgeber sollte sich im Vorfeld die Frage stellen: Welche Qualifikationen sind unabdingbar und welche können im Job entwickelt werden?
So kann etwa bei der Suche nach einem jungen Kollegen ein Schwerpunkt auf Schlüsselqualifikationen wie Datenaffinität, Nachhaltigkeitsinteresse oder Quant-Fokus gelegt werden. Eventuelle Lücken im Fachwissen rund um die institutionelle Geldanlage können bei der täglichen Arbeit und mit Weiterbildungsmaßnahmen aufgefangen werden.
Haben mehrere Kollegen oder das gesamte Team Weiterbildungsbedarf, können kleine Innovationszellen helfen – etwa ein Mini-Projektteam für digitale Verwaltung oder ein KI-Pilotprojekt. Das spricht Bewerber an, die gestalten wollen, und die werden gerade bei Mittelständlern gebraucht.
Schritt 3: KI – Einstieg mit einfachen Mitteln
Auch ohne große HR-Infrastruktur können Unternehmen künstliche Intelligenz und digitale Werkzeuge nutzen, um Prozesse effizienter, schneller und damit besser zu machen. Gerade kleinere Versorgungswerke oder Pensionskassen stehen oft vor dieser Herausforderung: Sie verfügen nicht über eine eigene, breit aufgestellte HR-Abteilung, ihre Verwaltungskosten unterliegen der Prüfung durch Trägergremien, und die Digitalisierung kommt nur schleppend voran.
Doch auch außerhalb der Großkonzerne kann für Einstiegspositionen oder weniger hoch qualifizierte Jobprofile digitales Recruiting eingesetzt werden. Viele kostengünstige oder sogar kostenlose Tools erleichtern den Einstieg:
- Bewerbermanagement-Tools: Kauf- oder Abomodelle zum überschaubaren Preis oder Open-Source-Tools wie CATS oder Odoo können dabei helfen, Bewerbungen zu strukturieren und Prozesse zu automatisieren.
- Digitale Formulare können Papierbewerbungen ersetzen, Zeit sparen und Abläufe vereinfachen. •Kalender-Tools erleichtern Interview-Terminierungen und können dabei helfen, alle Beteiligten auf dem aktuellen Stand des Prozesses zu halten.
- KI-gestützte Anzeigentexte: Text-Generatoren schreiben professionelle, individuelle Stellenausschreibungen und stellen nebenbei sicher, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden, etwa im Bereich Inklusivität.
Viele kleinere Häuser schrecken vor der Digitalisierung ihres Recruitings zurück, weil sie gleich im ersten Schritt ein perfektes System implementieren möchten. Dabei ist ein schrittweiser Ansatz sinnvoller. Schon kleine Veränderungen können einen Unterschied machen, und die Lernerfolge daraus können in spätere Projekte einfließen. Digitalisierung im Recruiting ist kein Projekt, sondern ein Prozess.
Schritt 4: Interne Ressourcen zielgerichtet nutzen
Wer keine HR-Abteilung hat, sollte zumindest eine Ansprechperson definieren, die – gegebenenfalls nebenamtlich – für Personal und Recruiting verantwortlich ist. Diese Person könnte etwa aus den Bereichen Verwaltung, IT oder Kommunikation stammen. Sie kann sich über Webinare oder kurze Weiterbildungen zum Thema Recruiting qualifizieren, Tools testen und ihre Einführung steuern sowie als Schnittstelle zu externen Partnern oder Dienstleistern dienen.
Auch ohne langjährige Personalerfahrung führt die Bündelung der Verantwortung fast zwangsläufig zu stringenteren Prozessen und besseren Ergebnissen. Zugleich ist ein zentraler Ansprechpartner ein professionelles Signal nach außen und damit ein zentraler Punkt für die Wahrnehmung des Unternehmens durch Bewerber.
Schritt 5: Bewerbererlebnis
Digitalisierung beginnt nicht erst bei den Tools, die zum Einsatz kommen, sondern bereits beim Denken in Prozessen. Tools können unterstützen und professionalisieren, doch ein überzeugender Recruiting-Prozess ist zuallererst eine Denkaufgabe. Zentral dabei sollte die Perspektive der Bewerber sein – also die Erfahrungen, die sie im Laufe des Bewerbungsprozesses machen.
- Transparenz und Verbindlichkeit: Kann ich mich unkompliziert bewerben? Erlebe ich die Kommunikation vonseiten des Unternehmens als wertschätzend? Erhalte ich schnelles und konstruktives Feedback?
- Sichtbarkeit durch Persönlichkeit: Ist die Unternehmenswebsite authentisch? Ist das Unternehmen in sozialen Medien präsent? Kann ich mir ein Bild von Arbeits-und Unternehmenskultur machen?
- Flexible Interviewformate: Kann ich Gespräche per Telefon oder Video führen, oder muss ich zu jedem einzelnen Gespräch anreisen?
Wichtig: Hier gibt es keinen Generalschalter, der zwischen gut und schlecht unterscheidet. Viele kleine Verbesserungen machen den Unterschied. Um sich nicht zu übernehmen (und im Ergebnis dem Außeneindruck eher zu schaden), empfiehlt es sich, mit einigen wenigen Verbesserungen zu beginnen und regelmäßig zu evaluieren, welche weiteren Punkte sinnvoll erscheinen. Eine große Hilfe kann eine einfache Feedbackfrage an die Bewerber sein: „Was können wir nächstes Mal besser machen?“.
Schritt 6: Weiterbildung und interne Mobilität nutzen
Viele kleinere Einrichtungen können mit stabilen Strukturen und langjähriger Beschäftigung punkten. Solidität und Verlässlichkeit sind starke Argumente – können allerdings auch als Korsett wahrgenommen werden. Gerade junge Talente, die auch an Flexibilität in mehrfacher Hinsicht interessiert sind, suchen deshalb nach Perspektiven.
- Klar definierte Lernpfade können Chancen aufzeigen. Fach- und Führungskarrierewege können etwa vom Junior über den Spezialisten bis zur Führungskraft vorgezeichnet werden.
- Weiterbildungsplattformen sind kostengünstig verfügbar (etwa Udemy Business, Coursera, KI-Campus) und können mit vordefinierten Lernzielen über die Zeit verknüpft werden und von Anfang an vermitteln, dass der Anspruch über bloßes „Learning by Doing“ hinausgeht.
- Job-Rotation und Ermutigung zum internen Wechsel erweitern das Blickfeld und die Lernoptionen und begegnen der Befürchtung, auf eine einmal getroffene Entscheidung festgelegt zu sein.
- Ebenfalls motivierend wirken das Angebot, neue Tools auszuprobieren oder eine Rolle bei ihrer Implementierung zu spielen, sowie die Möglichkeit, im sinnvollen Rahmen Projektverantwortung zu übernehmen.
Kurz: Alles, was starre Routinen aufbricht und Lernerfolge ermöglicht, lässt den Arbeitgeber attraktiv erscheinen. Gerade kleinere und mittelständische Anbieter mit in der Regel flexibleren Strukturen können hier ihre Stärke ausspielen.
Schritt 7: Flexibilität und Unternehmenskultur
Die Gründe für den Wunsch nach Flexibilität sind vielfältig: Von der Familiengründung über persönliche Wünsche und Träume bis hin zur Pflege naher Angehöriger können viele Entwicklungen Einfluss darauf nehmen, welche Arbeitsbedingungen für einen Menschen ideal sind. In vielen Fällen sind solche Parameter wichtiger als das Gehalt. Das ist eine große Chance gerade für kleinere Häuser, die oft flexibler aufgestellt sind.
- Homeoffice und hybrides Arbeiten sollten möglichst verfügbar gemacht werden, auch ohne teure Technik – oft reichen ein Laptop, VPN und Office365.
- Vertrauensarbeitszeit und individuelle Teilzeitmodelle können familienfreundliche Lösungen erleichtern.
- Eine offene Gesprächskultur mit kurzen Wegen und ehrlichem Feedback zählt für viele Bewerber mehr als eine Konzernhierarchie.
Kleine Maßnahmen und eine aktiv von oben vorgelebte Unternehmenskultur können ein Betriebsklima schaffen, das authentisch, menschlich und zukunftsgewandt ist – ganz ohne teure Imagekampagnen.
Schritt 8: Netzwerke, Kooperationen und Sichtbarkeit
Viele mittelständische Unternehmen sind auf dem Arbeitsmarkt nicht ausreichend präsent. Wer nicht sichtbar ist, wird nicht gefunden. Der Schlüssel ist nicht zwingend ein großes Werbebudget, sondern eine gezielte Präsenz und kluge Allianzen.
- Kooperationen mit Berufs- und Interessensverbänden, Kammern, Hochschulen oder öffentlichen Trägern, etwa im Rahmen von Jobmessen, Praktika, Workshops oder Career Days.
- Aktive Nutzung von Xing, LinkedIn oder Fachgruppen auf Meetup.com, um das Unternehmen zu präsentieren – etwa über Mitarbeitervorstellungen, Projektberichte und Einblicke in die tägliche Arbeit.
- Aufbau und Pflege einer Karriereseite – hier geht es nicht um die Menge an Information, sondern um echte Ansprechpartner, klare Information und einen verbindlichen, menschlichen Ton.
- Stellenanzeigen müssen die Zielgruppe dort erreichen, wo sie sich bewegt – etwa auf Jobbörsen, in Branchen-Newslettern, im akademischen Umfeld (CFA Institute) oder bei Nischen-Plattformen wie Efinancial Careers oder Public Jobs.
Sichtbarkeit bedeutet: Als Arbeitgeber wahrgenommen werden und damit überhaupt erst für eine Bewerbung in Betracht gezogen werden.
Fazit
Auch ohne massive Budgets oder große Teams können kleinere Unternehmen im Recruiting punkten. Es geht um
- klare Kommunikation der eigenen Identität,
- gezielte digitale Tools und
- ein echtes Interesse an den Menschen, die das Unternehmen gewinnen will.
Mit Authentizität, Fokussierung und kleinen, smarten Digitalisierungsschritten entsteht eine Arbeitgebermarke, die sich sehen lassen kann – und aus dem Schatten der großen Namen heraustritt.
Über die Autorin:
Rita Pfahls ist Partnerin bei Indigo Headhunters. Zuvor war sie bei Franklin Templeton in Deutschland verantwortlich für das institutionelle Kundengeschäft. Weitere Karrierestationen waren bei Universal Investment, Deka und Mercer.
