Leidenschaft, Hobby oder Geldanlage „Nur jeder fünfte Kunstsammler ist ein Stratege“

Nicole Ströll: Die Kunstspezialisten über die neusten Trends am Kunstmarkt.

Nicole Ströll: Die Kunstspezialisten über die neusten Trends am Kunstmarkt.

private banking magazin: Frau Ströll, wie viele Kunstinteressierte kaufen, was ihnen gefällt und bei wie vielen liegt eine echte Strategie dahinter?

Nicole Ströll:  Etwa 80 Prozent sind Liebhaber. Sie kaufen Kunst, die sie einfach interessiert. Die Freude am Werk ist der zentrale Antrieb, der Wiederverkauf aber fraglich. Nur etwa 20 Prozent verfolgen beim Sammlungsaufbau eine Strategie und beschäftigen sich in diesem Zuge bewusst mit Werterhalt und Wertsteigerung.

Kennen Sie Kunstsammler, die die Werke als reine Geldanlage betrachten?

Ströll: Bei dem überwiegenden Teil der Sammler steht der emotionale Nutzen im Vordergrund. Man will ja mit der Kunst leben. Kunst repräsentiert auch immer einen bestimmten Lebensstil und eine Kennerschaft. Der monetäre Aspekt steht an zweiter Stelle, ist in den vergangenen Jahren aber viel stärker in den Fokus gerückt. Nur sehr wenige Sammler, so meine Erfahrung, sehen Kunst als reine Geldanlage.

Welche grundsätzlichen Strategien gibt es?

Ströll: Wesentlich ist die Frage, ob ein Kunstliebhaber lieber in etablierte, so genannte Blue-Chip-Künstler oder eher risikoreich in Marktneulinge investieren möchte. Natürlich gibt es auch ausgewogene Strategien. Generell gilt es auch bei Kunst, die Risiken zu streuen. Lieber verschiedene Künstler kaufen, die idealerweise über internationales Renommee verfügen und entsprechend lange am Kunstmarkt etabliert sind als alles auf eine Karte – also auf einen Künstler – setzen.

Damit lässt sich erheblich das Risiko verringern, Kunst zu erwerben, deren Halbwertszeit bei veränderten modischen Trends schnell erreicht ist. Fünf bis zehn Jahre sind eine Ewigkeit auf dem Kunstmarkt. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich der Fokus beispielsweise stark von der Alten Kunst – Gemälde, Möbel, Kunstgewerbe – hin zur Zeitgenössischen Kunst verschoben. Wie in der Mode kann morgen das Gegenteil von heute gefragt sein. Auch für Kunstinvestments gilt daher, die Anlagestrategie regelmäßig zu evaluieren und unter Umständen anzupassen. Es sei denn, man kauft ein Werk einfach nur, weil es einem gefällt.

Wodurch entsteht bei Kunstwerken der Wertzuwachs?

Ströll: Das ist unterschiedlich. Die wichtigsten preisbildenden Faktoren sind neben der Innovationskraft eines Künstlers und dem betreuende Galeristen auch, wie oft der Künstler ausgestellt hat und was über ihn publiziert wurde. Wichtig ist außerdem, ob es sich um ein Schlüsselwerk des Künstlers handelt. Nicht jedes Werk von Gerhard Richter ist automatisch ein guter Richter.

Wie bewerten Sie die vom Tefaf Art Market Report 2016 erfassten 45 Milliarden Euro Volumen am Kunstmarkt?

Ströll: Der Kunstmarkt ist über die vergangenen Jahre erstaunlich konstant geblieben. Selbst die Krise 2008 konnte ihm nicht viel anhaben. Allerdings ging es vor rund zehn Jahren noch um andere Summen. Da war schon alles über zehn Millionen sensationell.

Heute werden Rekorderlöse von über 100 Millionen erzielt. Das Gemälde „Untitled“ von Jean-Michel Basquiat wurde dieses Jahr zum Beispiel für 110 Millionen Dollar bei Sotheby’s versteigert. Gekauft hatte es der Einlieferer 1984 für 19.000 Dollar. Dass das Volumen dennoch vergleichsweise konstant ist, liegt mit daran, dass wenige wichtige Galerien den Markt dominieren.