Kurzarbeit, Hilfsprogramme & Co. Das rechtliche Umfeld für Unternehmer in der Corona-Krise

Corona-Testzentrum in Schwäbisch Gmünd: Patienten mit Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 lassen sich testen.

Corona-Testzentrum in Schwäbisch Gmünd: Patienten mit Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 lassen sich testen. Foto: imago images / onw-images

Das Bundesjustizministerium hat am 16. März 2020 angekündigt, die Insolvenzantragspflichten für coronabedingte Schieflagen von Unternehmen durch eine kurzfristige Gesetzesänderung lockern zu wollen. Dieser begrüßenswerte Schritt wird der Infektion auch der Wirtschaft durch das Coronavirus aber nur die Spitze nehmen können. An sich kerngesunde Unternehmen, die gegenwärtig oder in nächster Zeit aufgrund des externen Schocks der Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, erspart dies lediglich überhaupt den plötzlichen Exitus. Aus Perspektive der Geschäftsleitung mildert die Ändeurng immerhin das Risiko einer haftungsträchtigen und sogar strafbaren Insolvenzverschleppung ab.

Die wirtschaftlichen und finanziellen Verwerfungen werden sich durch ein gesetzliches Insolvenzantrags-Moratorium jedoch bei den meisten Unternehmen nicht korrigieren lassen. Es bedarf vielmehr jetzt und in nächster Zeit einschneidender Entscheidungen.

Die Geschäftsleitung steht mit Eintritt einer Krise des Unternehmens in der Pflicht, aktiv Sanierungsmaßnahmen einzuleiten. Während im Normalfall des schleichenden Niedergangs eines Unternehmens ein Schwerpunkt der Sanierungspflichten auf der Identifikation der Krisenursachen liegt, sind diese im Falle des exogenen Faktors Corona offenkundig: Restriktionen beim Einsatz von Mitarbeitern, unterbrochene Lieferketten, wegfallende Absatzmöglichkeiten, stockende oder ausfallende Zahlungseingänge und mehr. In erster Linie geht es deshalb um Sofortmaßnahmen zur Stabilisierung des Unternehmens sowie um die Erarbeitung eines Krisenreaktionsplans.

Zum Einsatz kommt dabei zum einen das übliche Repertoire von situationsbedingten kurzfristigen Absprachen mit Banken, Kunden und Lieferanten. Das erfordert im Ausgangspunkt die unter den gegebenen Umständen verlässliche Einschätzung von Vertragsklauseln, die sonst nur selten eine Rolle spielen: Bei Lieferverträgen etwa können Lieferverpflichtungen wegen höherer Gewalt entfallen oder man verlangt Anpassungen vertraglicher Regelungen aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

Bei Darlehensverträgen kann sich die Frage nach Kündigungsrechten aufgrund der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers oder der Werthaltigkeit von Sicherheiten stellen. Bei noch nicht vollzogenen, aber bereits unterzeichneten Unternehmenskaufverträgen schließlich geht es um eine Einschätzung, ob ein sogenannter Material Adverse Change eingetreten ist, der zum Rücktritt vom Unternehmenskaufvertrag berechtigt.

In allen genannten Konstellationen kommt es bei der Frage, ob die Coronapandemie erfasst ist und bestimmte Rechte oder Ansprüche auslöst, auf die konkrete Formulierung imVertrag an. In einer akuten Krisensituation geht es aber nicht um letzte juristische Wahrheiten, sondern um eine belastbare Einschätzung der Rechtslage, anhand derer Kompromisslösungen im Sinne des Unternehmens ausgehandelt werden können. Denn da gerichtlicher Rechtsschutz – auch Eilrechtsschutz – in den skizzierten Situationen schon unter gewöhnlichen Umständen regelmäßig zu spät kommen düfte, kann man in Anbetracht der gegenwärtigen Situation und der Verlautbarungen vieler Gerichte nicht darauf bauen.

Die Besonderheit der Corona-Krise liegt zudem darin, dass sie Unternehmen weltweit flächendeckend gleichzeitig, ähnlich und durch Liefer- und Nachfrageausfälle – anders als in der Finanzkrise 2008/2009 – unmittelbar realwirtschaftlich betrifft. Der Unternehmensleitung wird in Anbetracht dessen ein sehr weitreichendes Ermessen zuzugestehen sein, die wirtschaftlichen Auswirkungen ihrer Entscheidungen außerhalb des eigenen Unternehmens in weitem Umfang mit zu berücksichtigen.