Kundenstruktur-Analyse Wie Berater mit Ansprüchen älterer Kunden umgehen

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Zielgruppengerecht beraten

Für eine zielgruppengerechte Beratung nach Lebensformen und Lebensphasen sind daher neben dem Alter die berufliche Situation und der Typus – also die Individualität des Menschen – wichtige Kriterien einer Kundenstruktur-Analyse. Betrachtet man die Zielgruppe differenziert nach Lebensphasen und Lebenssituation, stellt sich die Frage, welche Themen in den jeweiligen Lebensphasen von Bedeutung sind:

Für die Zielgruppe 50 bis 65 Jahre ist diese Lebensphase geprägt vom Übergang aus dem Berufsleben in den Ruhestand. Es ist die Phase der Inventur, die Vorbereitung auf das Älterwerden. Viele Dinge sind geregelt, während der finanzielle Gesamtüberblick meist noch fehlt. Die Kinder sind aus dem Haus, die Altersgebrechlichkeit der Eltern beginnt. Das Leben und Wohnen im Alter und die Absicherung nahestehender Menschen gewinnen an Bedeutung.

Die Zielgruppe 66 bis 75 Jahre befindet sich überwiegend schon in der Ruhestandsphase. In dieser steigt die Bereitschaft zum gezielten Verzehr von Vermögen, das Leben und Wohnen im Alter wird konkreter. Die Wohnsituation ändert sich durch Umbau oder Umzug. Die Weitergabe von Vermögen an die nächste Generation spielt eine Rolle.

Die Zielgruppe ab einem Lebensalter von 76 Jahren ist aufgrund der höheren Lebenserwartung stark durch das weibliche Geschlecht geprägt. Die Anzahl der Alleinlebenden steigt an. Altersbedingt ist die Bereitschaft gering, Dinge zu verändern. Der Umzug in ein Pflegeheim ist die Ultima Ratio. Die Vermögens- und Liquiditätsstrukturen sind festgelegt, die Anleger eher risikoscheu. Allen Zielgruppen gemein ist der Wunsch nach Selbstbestimmung beziehungsweise die Furcht vor Phasen der Fremdbestimmung.

Anstatt auf diese individuellen Lebensphasen und die damit verbundenen Bedürfnisse ihrer Mandanten zu  reagieren, zeigt der Internetauftritt vieler Private-Banking-Anbieter, dass die Angebotspalette durchgängig aus der  Produktperspektive entstanden ist. Doch denken Kunden nicht produkt-, sondern problem- und lösungsorientiert. Sie stehen vor der Herausforderung kommender Lebensphasen und wollen für ihre Bedürfnisse ein Angebot, das sie mit ihrem persönlichen Umfeld in den Blick nimmt. Das Angebot im Private Banking muss also die Welt der Kunden verstehen und ihre Sprache sprechen.

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 Quelle: Thiedemann/Angermair; Illustration: Vecteezy.com

Private Banking muss sich daher an Altersgruppen, der Lebenssituation und dem Individuum orientieren. Am Anfang steht eine Analyse des Status quo des Kundenbestands. Darauf folgt die Weiterentwicklung der fachlichen und methodischen Kompetenzen des Beraters mit dem Ziel, die Bedarfswelt des Kunden mit der Produktwelt der Bank zu vernetzen. Auf dieser Grundlage kann lebensphasen- und lebenssituationsgerecht beraten werden, sodass am Ende spezifische Produkte für die Zielgruppe stehen.

Am Anfang einer Beratung stehen die Fragestellungen des Kunden, seine Motive und Pläne sowie sein persönliches Umfeld. Der Berater muss die vorhandenen Regelungen für die Lebensphasen, das Vermögen und die Liquidität aller Lebensphasen kennen. Nur so ist die Darstellung des Status quo möglich, der die Basis für einen Abgleich mit den Kundenwünschen und -motiven bildet.

Um das zu gewährleisten, braucht die Beraterentwicklung der Zukunft eine Kombination aus Präsenzschulungen, Webinaren, Learning-Tours und fachlich-methodischem Coaching. Gelingt dies, steht am Ende die Auflösung der Realität getrennter Welten im Denken und in der Sprache zwischen Kunde und Bank.

Über die Autoren:
Angelika Thiedemann (Certified Estate Planner, Mediatorin) ist seit 2003 in der Vermögens- und Unternehmensnachfolge tätig. Sie führt das Unternehmen Erntezeit – Generationenberatung und Mediation.

Heinz Angermair ist geschäftsführender Gesellschafter des Fachinstituts für Estate Planning Gene. Er ist Initiator der Estate-Planner-Bewegung in Deutschland, Mit-gründer des Vereins Estate Planner Deutschland sowie des Qualitätssiegels Certified Estate Planner.

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