Kundenstruktur-Analyse Wie Berater mit Ansprüchen älterer Kunden umgehen

Heinz Angermair (l.) ist geschäftsführender Gesellschafter des Fachinstituts für Estate Planning Gene, Angelika Thiedemann führt das Unternehmen Erntezeit – Generationenberatung und Mediation.

Heinz Angermair (l.) ist geschäftsführender Gesellschafter des Fachinstituts für Estate Planning Gene, Angelika Thiedemann führt das Unternehmen Erntezeit – Generationenberatung und Mediation.

Die Überalterung der Bevölkerung hat vielfältigen Einfluss auf Menschen und Unternehmen sowie insgesamt auf die Zukunft unserer Gesellschaft. Auch vor den Türen von Geschäftsbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken machen die Auswirkungen dieses demografischen Wandels nicht halt. Im Finanzdienstleistungsbereich zeigen sie sich deutlich in der Kundenstruktur.

Während einer Vielzahl an Projekten, die wir mit Banken durchgeführt haben, konnten wir umfangreiche Daten zu Kunden und Volumina sammeln. Um den Status quo der Kundenstrukturen im Private Banking zu erfassen, haben wir diese Erkenntnisse in Beziehung zum Lebensalter der Mandanten gesetzt.

Dabei wird deutlich, dass durchschnittlich 75 Prozent der Kunden und Volumina auf die Altersgruppe von Kunden mit einem Lebensalter von über 50 Jahren entfallen. Dieses Bild zeigt sich bezogen auf Volumina in der Bilanz (Anlagevermögen und Darlehen), im Depot-B-Bestand und im Versicherungsbestand (Ablaufmanagement).

Bemerkenswert ist dabei, dass diese Altersgruppe nur rund 57 Prozent ihres Vermögens bei ihrer Hausbank unterhält. Das Potenzial der Zielgruppe ist also wesentlich höher.

Auch in zwei weiteren Kategorien liegen Investoren höheren Alters vorn. So stellt eine Auswertung der DAB Bank, der heutigen Consorsbank, von rund 450.000 Privatanlegerdepots fest: „Je älter die Anleger, desto höher die erzielte Rendite. Mit 5,2 Prozent sind die über 60-Jährigen die führende Altersgruppe.“

Zugleich bildet die Altersgruppe 50plus demnach diejenige mit der höchsten Nutzungsquote von Online-Angeboten von Finanzdienstleistungen. Die Schlussfolgerung daraus lautet: Kunden suchen nur noch für komplexe Fragestellungen die Unterstützung eines kompetenten Beraters, während für das Alltagsgeschäft gilt: „Ich mache es selbst“. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass vermögende Privatkunden vermehrt zu Direktbanken abwandern.

Es gibt noch weitere Risikofaktoren für Private-Banking-Anbieter, die sich aus der Lebensphase der Zielgruppe 50plus ergeben. Dazu gehören die Umstrukturierung von liquidem Vermögen in Immobilien, lebzeitige Vermögensübertragungen und der Verlust der Kundenbeziehung im Erbfall.

Ob der Berater bei entsprechenden Entscheidungen zurate gezogen wird, ist nicht nur vom Vertrauen und einer langjährigen Kundenbeziehung abhängig, sondern auch von der beim Berater vermuteten Kompetenz. Ob die Gelder im Institut gehalten werden können, hängt also von der Beratung vor dem Todesfall beziehungsweise im Todesfall ab. Wenn Kunde oder Erben die Bank nicht in einer aktiven und unterstützenden Rolle erleben, ist das Risiko der Übertragung an Wettbewerber hoch.

 Quelle: EY Global Wealth Management Report 2016

Neben der Einordnung in Altersgruppen ist es im Rahmen der Kunden- struktur-Analyse weiter sinnvoll, die unterschiedlichen Lebensweisen zu betrachten. Aus den Ergebnissen des Mikrozensus 2013 des Statistischen Bundesamts lässt sich erkennen, dass die Zahl der Alleinlebenden fortlaufend steigt und die Haushalte, die von Paaren bewohnt werden, fast eingeholt hat: So machen die Ein-Personen-Haushalte mittlerweile rund 42 Prozent aller Haushalte aus, während die Paar-Haushalte mit rund 45 Prozent nur noch leicht darüber liegen. Dies müssen Banken bei der Betrachtung der Kundenbedürfnisse in unterschiedlichen Lebensphasen berücksichtigen.

Runtergebrochen auf die Zielgruppe 50plus heißt das, noch mal zu unterscheiden. Ansonsten würde man die Interessen eines Kunden im Alter von 50 Jahren gleichsetzen mit denen eines 97-Jährigen. Denn es ergibt wohl kaum Sinn, Ziele und Wünsche einer Generation von Eltern und Kindern in den gleichen Topf zu werfen.