Kundengespräch mit der Kern-Klientel Wie Private Banker Unternehmer auf Augenhöhe beraten

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Gerade für Private Banker sollte dies eigentlich ein Leichtes sein, denn fast alle haben eine fundierte wirtschaftliche Ausbildung genossen, sei es zum Certified Financial Planner, Estate Planner, Diplom-Kaufmann, Bankbetriebswirt oder Diplom-Betriebswirt einer Fachhochschule. Dort haben sie bereits alles gelernt, was auch der Anteilseigner von heute als Grundlage seines anfänglichen Unternehmertums zur Verfügung hatte. Diese Fähigkeiten und das unternehmerische Denken gehören nun schleunigst wieder ausgegraben, abgestaubt und von den Spinnweben des Produktverkaufs befreit.

Denn nur dann können die Bankberater sich an- gemessen in ihre Zielgruppe hineinversetzen und Strategien sowie Thesen zu deren Bedarfen aufstellen, die die Unternehmerkunden tatsächlich als Mehrwert gegen- über Tools und Robots wahrnehmen. Was beschäftigt den Unternehmer auf seinem Weg zur Arbeit? Welche Fragen stellt er sich bezüglich seines Geschäfts, bevor er einschläft? Worüber spricht er mit Freunden abends bei einem Bier oder einem Glas Rotwein, wenn das Thema auf seine Firma kommt?

Wenn Bankberater diese Fragen beantworten und damit zielführend ein Beratungsgespräch auf Augenhöhe vorbereiten können, dann sind sie bereits raus aus der Nische und mittendrin im Geschäft mit Unternehmern. Dann finden sie sich schnell im Kreis der ernst genommenen Berater eines Unternehmers – Ehepartner, Freund, Steuerberater et cetera – wieder und können zudem echtes Finanz-Consulting von Unternehmer zu Unternehmer beziehungsweise Bankier durchführen.

Zeitgemäße Gesprächsvorbereitung Denkwürdig sind die selbstbeweihräuchernden Aussagen vieler erfahrener Bankberater, wenig vorbereitet zum Kun- den gehen zu können, „weil man dann viel offener und individueller auf das Gespräch und die sich aufzeigenden Bedarfe eingehen kann“. Klingt gut, geht in den meisten Fällen jedoch leider meilenweit an der Realität vorbei. Denn klar ist, dass derjenige, der sich produktbezogen auf ein Gespräch mit einem Anteilseigner oder Unternehmer vorbereitet, es tatsächlich auch genauso gut sein lassen kann.

Eine zeitgemäße und zielführende Vorbereitung heißt stattdessen, sich genau in die Rolle des Gesprächspartners hineinzuversetzen, die oben angeführten Szenarien, in denen sich der Unternehmer mit sich selbst oder vertrauten Personen zu seiner wirtschaftlichen Situation auseinander - setzt, durchzuspielen und sinnvolle Antworten darauf zu finden beziehungsweise realistische Thesen dazu aufzustellen.

Die zusätzliche Beschäftigung mit harten Fakten wie Umsatzentwicklung oder Gesellschafterstruktur zum Unternehmen aus dem Bundesanzeiger und weiteren verfügbaren Quellen ist Pflicht und Kür zu- gleich. Erst durch die Kombination aus eigenem Selbstverständnis als Banker und damit ebenfalls Unternehmer und dem Hintergrund- sowie Fachwissen, das man einem solchen zuschreiben würde, kann man mit zielgenauen Thesen an die Ziel- gruppe herantreten. Und dann kann man einen echten Dialog auf Augenhöhe führen, den das Gegenüber als klaren Mehrwert wahrnimmt.

Am Ende des Tages kann es tatsächlich recht einfach sein: Die Beratung auf Augenhöhe lässt sich mit einer Kombination aus Mut zu einem neuen Selbstverständnis und hinreichender Präzision beim Herausarbeiten der unternehmerischen Themen erzeugen. Das bedeutet mehr Aufwand, aber auch mehr Kundenzufriedenheit. Und das ist wahrscheinlich nicht die schlechteste Variante, sich im aktuellen Private-Banking-Markt zu behaupten. Oder sogar zu wachsen.

 

Über den Autor:
Dirk Stoess ist Gründer und Geschäftsführer der Beratungsfirma Cormens. Zuvor sammelte er 20 Jahre Erfahrung im Private Banking und Firmenkundengeschäft. Jüngst wählten Kollegen und Klienten Cormens unter die besten Berater Deutschlands (Brand Eins Wissen 06/2017).

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