Carolin Decker, Professorin für Family Offices an der WHU in Vallendar „Kunden wollen mehr Unabhängigkeit“

Carolin Decker, Professorin für Family Offices an der WHU in Vallendar

Carolin Decker, Professorin für Family Offices an der WHU in Vallendar

private banking magazin: Wann sind Sie während Ihrer Hochschulkarriere erstmals Family Offices begegnet?

Carolin Decker: Ich hatte während des Studiums verschiedene Nebentätigkeiten, auch in einer Art Family Office. In den Seminaren und Vorlesungen kam das Thema aber überhaupt nicht vor. Ich habe dann festgestellt, dass für BWL-Studenten Family Offices auf den ersten Blick gar nicht so attraktiv erscheinen.

Warum nicht?

Decker: Family Offices sind meist kleine Organisationen mit wenigen Ebenen in der Hierarchie. Die Aufstiegschancen wirken von außen besehen sehr begrenzt. In der Praxis ist es aber ein spannendes Wirkungsfeld, weil man sich mit sehr verschiedenen und vielfältigen Themen befassen muss. Ich habe zum Beispiel viel über das deutsche Steuerrecht gelernt. Als Studentin fand ich es auch spannend, dass Family Offices in Anlageklassen wie Münzsammlungen oder Kunst investieren.

Wie viele Family Offices gibt es in Deutschland?

Decker: Es gibt keine offiziellen Statistiken, insbesondere die Zahl der Single Family Offices ist wegen der Verschwiegenheit der Branche schwer einzuschätzen. Wir gehen davon aus, dass es in Deutschland zwischen 400 und 600 Family Offices gibt.

Ab welcher Vermögenshöhe kommt ein Family Office zum Einsatz?

Decker: Single Family Offices, die sich ausschließlich um die Belange einer einzigen Familie kümmern, lohnen sich erst ab einem dreistelligen Millionenvermögen. Bei Multi Family Offices kommt es darauf an, wie viele Familien sich am Family Office beteiligen. In der Regel verwalten diese ab 50 Millionen Euro und aufwärts. Banken, die Family-Office-Dienstleistungen anbieten, gehen oft noch weiter herunter.

Wo liegen die Schwerpunkte Ihrer Forschung?

Decker: Ein Projekt, das ich gemeinsam mit meinem ersten Doktoranden angehe, ist eine Typologie von Family Offices. Dazu gibt es bislang nur sehr spärliche wissenschaftliche Literatur, daher müssen wir zunächst einmal das Family Office theoretisch definieren. Aufbauend auf der Analyse von Family-Office-Typen und deren Steuerung und Kontrolle, planen wir für die nächsten Jahre empirische Studien.

Was wollen Sie in den Studien herausfinden?

Decker: Wir wollen zwei Seiten beleuchten. Einerseits, wie stellen sich Family Offices selbst dar, was ist die genaue Zielsetzung, wie viele Familien sind beteiligt, und wie wird ein Family Office überhaupt gesteuert. Und auf der anderen Seite werden wir uns die Kunden ansehen, also die Familienunternehmer. Hier ist es spannend herauszufinden, was ein passfähiges Family Office für den Vermögensinhaber ausmacht. Und: Warum sind manche Unternehmer mit den Dienstleistungen von Banken zufrieden und wählen kein Family Office?

In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Family Offices stark gestiegen.

Decker: Seit der letzten Dekade beobachten wir eine Welle des Vermögensübergangs bei Familienunternehmen. Häufig findet sich kein geeigneter Nachfolger in der eigenen Familie, dann wird das Unternehmen teilweise oder ganz verkauft. Die Familie steht dann mit dem Vermögen da und beauftragt ein Family Office. Ein weiterer Faktor ist die Finanzkrise. Viel Vertrauen insbesondere zu Banken wurde nachhaltig zerstört. Das führt auch dazu, dass die Zahl unabhängiger Family Offices steigt.

Wie haben sich die Anforderungen gewandelt?

Decker: Kunden sind anspruchsvoller geworden, insbesondere was Diskretion und Unabhängigkeit angeht. Das Vermögensmanagement spielt eine große Rolle ebenso wie die Analyse der Möglichkeiten und Bedürfnisse der Vermögensinhaber. Auch Gründung und Management von Stiftungen werden wichtiger. Was sich auch verändert hat: Wenn Erben das Unternehmen nicht mehr kennengelernt haben, ist ihre Risikobereitschaft oftmals größer als bei der Generation, die es mit aufgebaut hat.

Gibt es Forschungserkenntnisse aus dem Ausland, auf denen Sie aufbauen können?

Decker: Man kann Strukturen durchaus übertragen. Ich verfolge ein Projekt mit einem britischen Kollegen. Wir betrachten etwa die deutsche und britische Wirtschaftspresse im Vergleich, um die öffentliche Sicht auf Family Offices und deren Wandel zu analysieren. In Deutschland ist das Wachstum der Family Offices stärker als in Großbritannien. Das liegt daran, dass es hierzulande mehr Familienunternehmen gibt. Dafür existiert auf der Insel eine längere Tradition, sich auf persönliche Experten zu verlassen. Beide Volkswirtschaften sind durch Familienvermögen gekennzeichnet, die sich durch Eigenkapital, das eigene Unternehmen und durch Grundbesitz auszeichnen.

Wie erhalten Sie Zugang zu den Forschungsobjekten – trotz der verbreiteten Diskretion?

Decker: Die Einbindung an der WHU mit den Instituten für Familienunternehmen und Finanzwirtschaft sowie dem Center für Private Banking ist hier sehr hilfreich. Zudem unterstützen uns namhafte Family Offices im Förderkreis. Das sind die Deutsche Bank, das Henkel Family Office, Brose Trust, Five Minds Financial Partnership, Oppenheim Vermögenstreuhand sowie die die 6S Capital AG.

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