Watson, Alpha Zero & Co. in der Kapitalanlage Die KI als Retter aktiver Vermögensverwalter

Paul Skiba vom Vermögensverwalter BPM – Berlin Portfolio Management: „Nicht überall, wo KI draufsteht, ist auch KI drin.”

Paul Skiba vom Vermögensverwalter BPM – Berlin Portfolio Management: „Nicht überall, wo KI draufsteht, ist auch KI drin.”

Das erste Schachprogramm konzipiert Alan Turing 1952. Ein halbes Jahrhundert später (1996) schlägt der IBM-Computer „Deep Blue“ den damaligen Schachweltmeister Garri Kasparow erstmalig in einem offiziellen Turnierspiel. 2017 präsentiert das Unternehmen Alphabet mit „Alpha Zero“ ein Programm, welches ohne menschliche Trainingspartner Schach und Go erlernt und heute als weltweit stärkster Spieler beider Disziplinen gilt.

Weniger medienwirksam findet künstliche Intelligenz (KI) bereits in Textübersetzungen, medizinischen Diagnosen und zunehmend in der Kapitalmarktanalyse Anwendung. So erblickten im vergangenen Jahr zahlreiche KI-Fonds das Licht der Welt und werben nun mit übermenschlichen Investment-Qualitäten. Gleichzeitig formiert sich Widerstand im Lager der fundamentalen Portfoliomanager. Nachdem quantitative Strategien 2017 unterdurchschnittlich abschnitten, sieht man sich nun dem nächsten maschinellen Emporkömmling ausgesetzt. Als würde der ETF-Trend den aktiven Fonds nicht bereits genug Wasser abgraben.

Was nach Gefahr riecht, ist perspektivisch die Rettung aktiver Vermögensverwaltung. KI bei der Kapitalanlage steckt zwar noch in den Kinderschuhen, bietet aufgrund der Vielzahl an Gestaltungmöglichkeiten jedoch ein echtes Alleinstellungsmerkmal für versierte Fondsmanager. Im Gegensatz zu Algo-Trading und daueroptimierten Robo-Portfolios, funktionieren KI-Ansätze nicht nach einem einfachen Wenn-dann-Prinzip, sondern ermöglichen eine vielschichtige Interpretation von Informationen.

Menschliche Entscheidungsmuster können in die Maschine implementiert, durch selbstlernendes Verhalten ausgebaut und auf ein viel größeres Anlageuniversum angewandt werden. Dieser skalierbare Ansatz macht aus einer Mikrowelle keinen Fondsmanager, wohl aber aus einem guten Analysten einen Superstar.

Das Geld also schleunigst in KI-Fonds stecken? Mitnichten. Trotz hoher Innovationskraft leidet die KI-Fondslandschaft noch an zwei Unzulänglichkeiten. Die erste ist vor allem ein Marketing-Problem: Nicht überall, wo KI draufsteht, ist auch KI drin. Ein komplexes Optimierungsverfahen ist noch lange nicht intelligent, und die automatisierte Verarbeitung großer Datenmengen resultiert oft weniger in Lerneffekten als in irrelevantem Korrelationswahnsinn.

Der zweite Punkt ist die Abwesenheit von Spielregeln. Der häufig angeführte Vergleich mit einem Schachcomputer hinkt, weil er mit seiner Vielzahl an Lösungswegen immer festen Regeln unterliegt. Der Kapitalmarkt ist ein wirtschaftliches und psychologisches Konstrukt, welches auf fast emotionale Weise Zufallsprodukte generiert und dabei stets unterschiedlich auf dieselben Einflüsse reagieren kann. Technische Handelssysteme bringen darüber hinaus eine zusätzliche Irrationalität ein. Das macht eine Interpretation der Gemengelage deutlich komplexer und stellt einen ungleich höheren Anspruch an den Computer.

Sind KI-Fonds also nur alter Wein in neuen Schläuchen? Zu Teilen mag das stimmen. Die rasante Weiterentwicklung von intelligenten Systemen verspricht jedoch Überraschungen und stellt eine historische Chance des Brückenschlags zwischen menschlicher Interpretation und automatisierter Datenverarbeitung dar.



Über den Autor:
Paul Skiba verantwortet beim Vermögensverwalter BPM – Berlin Portfolio Management die Bewertung von Portfoliorisiken und Absicherungsstrategien. Für die Berliner arbeitet der Volks- und Finanzmathematiker seit 2015.

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