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Kristina Hooper zur Rolle der Zentralbanken „Die Übergriffigkeit der Politik macht mir Sorge“

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Zunehmende Politisierung bedroht Zentralbanken

„Interference Day – Central Banks in the Age of Populism“ titelte der „Economist“ vor wenigen Wochen über die zunehmende Politisierung der Zentralbanken. Tatsächlich scheinen die Bedenken des britischen Wirtschaftsmagazins hinsichtlich des Übergreifens der Politik in die Aufgaben der Notenbanken begründet. So zeigte sich Draghi auf der Tagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) Mitte April „besorgt um die Unabhängigkeit der Zentralbanken in anderen Ländern – insbesondere in der wichtigsten Jurisdiktion der Welt“. Der EZB-Chef meinte damit ganz klar die USA.

Die Gefahr ist offensichtlich: Populistische Bewegungen könnten versuchen, Kontrolle über die Zentralbanken als vermeintlich nicht-demokratische, mit Vertretern der Elite besetzte Institutionen zu erlangen. Tatsächlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Zentralbanken mit ihrer Geldpolitik der vergangenen zehn Jahre zu einer größeren Ungleichverteilung des Wohlstands beigetragen und damit den Boden für den Vormarsch des Populismus bereitet haben.

Warum uns das beunruhigen sollte? Wenn populistische Bewegungen tatsächlich Einfluss auf die Geldpolitik eines Landes nehmen können, könnte es für die Zentralbanken künftig schwieriger werden, wirkungsvoll zu intervenieren.

Die brenzlige Lage würde dann durch die Verschuldungsproblematik nochmals verschärft: Bei im Krisenfall weniger Spielraum für fiskalpolitische Stimulus-Maßnahmen würden die schon jetzt exorbitant hohen Schuldenberge weiter wachsen.

USA und Italien: Neuverschuldung auf Rekordniveau

Das US-Haushaltsdefizit ist im März 2019 auf immense 146,9 Milliarden US-Dollar gestiegen, informierte das US-Finanzministerium. Damit hat sich das vom 1. Oktober 2018 an gemessene Sechs-Monats-Defizit auf 691,2 Milliarden US-Dollar erhöht – und liegt jetzt 15,3 Prozent über dem Wert für den Vergleichszeitraum im vorangegangenen Haushaltsjahr.

Doch damit noch nicht genug: Bis Ende 2019 wird die Verschuldung auf US-Bundesebene 16,6 Billionen US-Dollar erreichen. Das entspräche 78 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Bis 2029 dürfte die US-Verschuldung auf 28,7 Billionen US-Dollar ansteigen, was einem Anteil von 93 Prozent des BIP gleichkäme.

Wo wir auch hinschauen, steigen die Schulden. Italien kann das mit der Europäischen Union (EU) vereinbarte Defizitziel nicht erreichen. Das wird vermutlich zu neuen Spannungen mit Brüssel führen. Das italienische Haushaltsdefizit wird im kommenden Jahr voraussichtlich auf über 3 Prozent des BIP ansteigen. Bis zum Jahr 2022 wird es die 3,7-Prozent-Marke erreichen – und weiter steigen.

In seinem aktuellen Fiscal Monitor geht der IWF davon aus, dass das italienische Haushaltsdefizit von 134,4 Prozent im Jahr 2020 auf 138,5 Prozent (2024) des Bruttoinlandsproduktes ansteigen wird. Damit würde Italien die Vorgaben des Maastricht-Vertrags der Europäischen Union verletzen, wonach die Staatsverschuldung und das Haushaltsdefizit auf maximal 3 Prozent beziehungsweise 60 Prozent des BIP begrenzt werden sollen. Wir kommen nicht umhin: Die weiteren Entwicklungen in diesem Zusammenhang müssen wir genau beobachten

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