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Rudi Van den Eynde im Interview „Die Forschung ebnet den Weg für hochspezialisierte Medikamente“

Rudi Van den Eynde, Head of Thematic Global Equity bei Candriam

Rudi Van den Eynde, Head of Thematic Global Equity bei Candriam: „Anfänglich hohe Kosten für Medikamente nehmen aufgrund des Wettbewerbs über die Jahre ab, sodass lebenswichtige Präparate erschwinglicher werden.“ Foto: Candriam

Herr Van den Eynde, bitte geben Sie uns ein Überblick: Welche Daten und Fakten zu Brustkrebs sollten Anleger kennen?

Rudi Van den Eynde: Fangen wir mit einer vergleichsweise guten Nachricht an: Die 5-Jahres-Überlebensrate bei weiblichen Patientinnen, bei denen in den Vereinigten Staaten Krebs diagnostiziert wurde, liegt inzwischen bei 90 Prozent. Der Blick auf weitere Zahlen fällt allerdings weniger gut aus: Eine von acht Frauen wird im Laufe ihres Lebens eine invasive Form von Krebs entwickeln, das sind 12 Prozent der Frauen. Weltweit wurden im Jahr 2020 zwei Millionen neue Krebsfälle diagnostiziert. Brustkrebs ist die am häufigsten auftretende Krebsart bei Frauen und die zweittödlichste, nach Lungenkrebs. Zum genaueren Verständnis der Dringlichkeit von Therapien: Im Jahr 2020 starben 685.000 Frauen an Brustkrebs.

Werfen wir einen Blick auf die Krebsforschung. Welche wissenschaftlichen Fortschritte haben besonders vielversprechendes Potenzial?

Van den Eynde: Die Forschung bietet heute ein tieferes Verständnis der genetischen Signaturen verschiedener Krebsarten und ebnet damit den Weg für personalisierte Medizin und die Entwicklung hochspezialisierter Medikamente. Der Wirkstoff Herceptin von Roche markierte den ersten Meilenstein dieser bahnbrechenden Entwicklung und veränderte die Prognose für HER2-positiven Brustkrebs, eine der aggressivsten Formen dieser Krebserkrankung. Trotz aller Forschungsanstrengungen ist das Medikament jedoch nur bei 20 Prozent der Patienten mit dieser Genmutation wirksam.

Für andere Patienten werden indes neue Alternativen entwickelt, die die Chemotherapie ersetzen oder ergänzen. Im vergangenen Jahr hat die US-amerikanische Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde FDA ein neues Medikament für triple-negativen Brustkrebs zugelassen, eine der komplexesten Formen von Brustkrebs, die es zu behandeln gilt. Auch die Behandlungen für erblichen Brustkrebs haben sich verbessert, ebenso die Therapien für Krebserkrankungen, die bereits in die metastatische Phase fortgeschritten sind oder nicht mehr auf die Standardbehandlung ansprechen.

Zusätzlich wird vielversprechende Forschung im Bereich der Immuntherapie betrieben, mit dem Ziel, das Immunsystem so zu stimulieren, dass es Tumore effektiver bekämpfen kann.

In den vergangenen Jahren sind Krebstherapien immer stärker am jeweiligen Patienten ausgerichtet worden. Die personalisierte Medizin wird zu einem immer wichtigeren Markt?

Van den Eynde: Bis in die frühen 1990er-Jahre richteten sich neue Therapieansätze vorwiegend an große Patientengruppen. Krebserkrankungen wurden so effektiv wie möglich mit Chemotherapie behandelt. Seitdem hat die Forschung jedoch gezeigt, dass es nicht nur eine Art von Brustkrebs gibt; es existieren viele verschiedene Typen, die jeweils mit unterschiedlichen Medikamenten behandelt werden können. Zur genaueren Einordnung: In der Onkologie insgesamt gibt es einige sehr seltene Krebsarten, die nur wenige Zehntausend Patienten weltweit betreffen, und manchmal sogar nur Hunderte.

Nicht nur weil eine Reihe von Erkrankungen selten auftritt, steigen die Kosten für einige Therapien exorbitant. High-end-Technologien haben ihren Preis, oder?

Van den Eynde: Die Kosten für einzelne innovative Behandlungen steigen in der Tat rasch an und gehen in einigen Fällen sogar regelrecht durch die Decke – mit dem Risiko, dass sie für die Masse der Patienten schwer zugänglich sind. Der Fortschritt der Biotechnologie hat uns Waffen an die Hand gegeben, um Krankheiten zu bekämpfen. Doch das bedeutet oft auch, dass entwickelte Medikamente aufgrund der hohen Kosten nur einer begrenzten Anzahl von Patienten verschrieben werden können.

 

Unterdessen steigen aufgrund der bahnbrechenden technologischen Fortschritte die Forschungs- und Entwicklungskosten unaufhörlich weiter, was die Preise in einem zunehmend fragmentierten Markt nach oben treibt. Vor diesem Hintergrund sind für die Preisregulierung zum einen Verhandlungen zwischen den Gesundheitsbehörden und den Pharmazeutika-Herstellern entscheidend. Zum anderen ist jedoch auch der intensive Wettbewerb, der zwischen den Entwicklungslaboren ausgetragen wird, ein wesentliches Element, das letzten Endes die Kosten im Zaum hält. Anfänglich hohe Kosten für Medikamente nehmen aufgrund des Wettbewerbs bekanntlich über die Jahre ab, sodass lebenswichtige Präparate erschwinglicher werden.

Gerade institutionelle Anleger beteiligen sich in ausgeprägtem Maß an den „Pionieren“ im Markt, gerne auch dann, wenn die jeweiligen Unternehmen noch nicht börsengelistet sind.

Van den Eynde: Hierzu ist zu wissen, dass die Markteinführung von Medikamenten die Finanzierung für die Innovationen von morgen schafft. Die Unternehmen erzielen mit neuen Präparaten wichtige stetige Cashflows über viele Jahre hinweg. Erst wenn Patente zehn bis zwölf Jahre nach ihrer Marktzulassung auslaufen, wird der Wettbewerb durch generische und biosimilare Medikamente sehr stark, und die Preise beginnen zu sinken. Daher ist es sinnvoll, sich zu einem frühen Zeitpunkt an erfolgreichen Unternehmen zu beteiligen, etwa dann, wenn ihre Produkte gute Aussichten haben, es durch die drei Phasen der klinischen Studien zu schaffen, die vor der Zulassung absolviert werden müssen.

Ist die traditionelle, äußerst kostenintensive Entwicklung von Medikamenten, die von vielen Fehlschlägen begleitet wird, eigentlich ein effizientes System?

Van den Eynde: Letztlich halte ich das System für effizient. Es regt die notwendigen Investitionen an, um künftigen Herausforderungen zu begegnen. Natürlich stellt sich die Frage, ob der hohe Preis für zielgerichtete Medikamente als notwendiges Übel beim Fortschritt in der Krebsforschung und -behandlung angesehen werden sollte. Die Antwort darauf ist komplex, aber eines ist klar: Die Wirtschaftlichkeit ist in der Onkologie ein entscheidender Faktor, der nicht übersehen werden darf. Und angesichts der Alterung der Weltbevölkerung ergibt sich ein immenses Potenzial, für dessen Hebung Gesundheitskonzerne weder Kosten noch Mühe scheuen.

Privatwirtschaftliche Investoren spielen eine sehr bedeutende Rolle in diesem System, indem sie vielversprechende Projekte finanzieren, aber auch Fehlschläge mittragen. Ist in der aktuellen turbulenten Marktphase weiterhin genügend Interesse da, um in ausreichendem Maß Gelder zur Verfügung zu stellen?

Van den Eynde: Blickt man in die Vergangenheit, gab es bei der Risikokapitalversorgung immer einmal Lücken, die nicht geschlossen werden konnten. Unternehmen mussten in harten Wettbewerb treten, um Investoren anzuziehen, insbesondere in Europa. Ein Beispiel: Als die Coronavirus-Pandemie ausbrach, schien es zunächst so, als würde das Risikokapital aus der Krebsforschung in andere medizinische Bereiche abwandern. Durch die rasche Entwicklung von mRNA-Impfstoffen konnte die Arbeit in der Krebsforschung jedoch nahezu uneingeschränkt weitergehen. Mein Fazit: Die gegenwärtige Forschung steht vor enormen Entdeckungen und bietet Anlegern, die mit ihrem Kapital die Gesundheit der Menschheit weltweit verbessern wollen, gewaltiges Potenzial. 

 

Über den Interviewten:

Rudi Van den Eynde ist seit 2011 Head of Thematic Global Equity bei Candriam. Er managt den preisgekrönten Fonds Candriam Equities Biotechnology seit dessen Auflegung im Jahr 2000. Van Den Eynde kam 1998 als Senior Equity Fund Manager zu Candriam. Seine Karriere startete er 1987 in der Abteilung für Euro-Anleihen der Dexia Bank Belgien.

 

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