Kontakt für Fondsselekteure Wie Produktspezialisten die Lücke im Fondsvertrieb schließen

Philipp Kalus:  „Viele Fondsselekteure sehen Fondsvertriebler zunehmend kritisch“.

Philipp Kalus: „Viele Fondsselekteure sehen Fondsvertriebler zunehmend kritisch“.

Viele Fondsselekteure sehen Fondsvertriebler zunehmend kritisch. Während erstere mittlerweile mehr erwarten als story-telling und Standardangaben zu Investmentprozessen, sind letztere den zunehmenden Anforderungen meist schlicht nicht gewachsen. Das verwundert kaum, muss der Vertrieb doch oft viele Produkte zugleich abdecken, was zwangsläufig zu mangelnder Tiefe und Lücken in wichtigen Details führt.

Unsere jüngste Studie, in der wir rund 70 Tier-One-Fondsselekteure in Europa befragt haben, belegt dies eindrucksvoll. Der alarmierende Befund: die Vertriebsabteilungen haben offenbar keinerlei Fortschritt im Hinblick auf technische Kenntnisse gemacht. Der Wunsch nach direktem Dialog mit dem Portfoliomanagement oder zumindest nach erfahrenen Produktspezialisten ist daher absolut nachvollziehbar.

Produktspezialisten sind in der institutionellen Anlegerwelt – vor allem in den USA, aber auch in Großbritannien – bestens etabliert. Meist handelt es sich dabei um ehemalige Portfoliomanager oder Analysten. Mittlerweile sind Produktspezialisten aber auch im Wholesale- wie auch vereinzelt im Retail-Geschäft nicht mehr wegzudenken. Rekrutiert werden sie zunehmend im Vertriebssektor, aber auch unter Fondsanalysten.

Soweit also alles gut? Nicht ganz. Wir sehen in erster Linie zwei Aspekte kritisch, die eine Reihe großer europäischer Fondsselekteure und Investment Consultants, mit denen wir hierzu gesprochen haben, bestätigt haben.

Zum einen werden Produktspezialisten häufig bestimmten Asset-Klassen beziehungsweise Produktkategorien zugeteilt statt einzelnen Fondsmanagern. Auch wenn technisches Spezialwissen um Investmentprozesse, Portfoliokonstruktion oder Attributionsanalysen hohes Ansehen genießt, fehlt dadurch aus Sicht von Selekteuren häufig die Fähigkeit, Standpunkte und insbesondere Prognosen eines Portfoliomanagers in Analysegesprächen wiederzugeben.

Somit ist die Gefahr gegeben, dass Produktspezialisten als Verlängerung des Vertriebs, nicht aber als wirkliche, dem Portfoliomanagement nahestehende Experten wahrgenommen werden. Zum anderen werden zunehmend Produktspezialisten auf den Markt gelassen, die noch nicht die nötige Reife erreicht haben.

Der Lösungsansatz liegt unserer Meinung nach darin, Produktspezialisten nicht bestimmten Asset-Klassen, sondern einzelnen Fondsmanagern oder Fondsmanagement-Teams zuzuordnen. Denn Abhilfe schaffen kann nur der stetige Dialog mit den Fondsmanagern und die regelmäßige Teilnahme an Investmentmeetings.

Tatsächlich handelt es sich hierbei um einen Ausbildungsprozess, der über mehrere Monate direkt am Portfoliomanagement-Desk stattfinden sollte. Parallel unterstützen Junior-Produktspezialisten die Sales- und Marketingeinheiten in der Kommunikation. Bleibt die Frage, ob Produktspezialisten nur Einzelgesprächen vorbehalten bleiben sollten. Wir meinen nicht. So könnten sie beispielsweise auch stärker bei Road-Shows und Investmentkonferenzen zum Einsatz kommen.

Einmal in voller Verantwortung als Produktspezialist, fungieren diese als wichtiges Bindeglied zwischen Fondsmanagern, Vertrieb und Kunden. Wobei hier nicht nur das Marketing, also die Gewinnung von Kundengeldern im Vordergrund steht, sondern insbesondere auch das Sichern bestehender Assets. Fondshäuser mit außerordentlich versierten Produktspezialisten haben hier einen echten Wettbewerbsvorteil.

Auch wenn sich ein Fondsmanager Kundenmeetings niemals zu 100 Prozent wird entziehen können und auch nicht sollte, dürfte der intelligente Einsatz von Produktspezialisten dem Fondsmanager doch die Möglichkeit bieten, das zu tun, wofür er letztendlich ausgewählt wurde: konzentriert Kundengelder zu verwalten.


Über den Autor:
Philip Kalus ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Beratungsgesellschaft Accelerando Associates. Die Gesellschaft bietet Asset Managern Research und strategische Beratung zum Fondsvertrieb in Europa.

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