Kommentar zum Green Deal Beim Erneuern des Alt-Bewährten müssen wir selbst mit anpacken

Stefan R. Haake (l.) und Ferenc von Kacsóh sind zwei von vier Gründern des Multi Family Office Pariter Fortis.

Stefan R. Haake (l.) und Ferenc von Kacsóh sind zwei von vier Gründern des Multi Family Office Pariter Fortis. Foto: Kerstin Keysers Photographie

Am 12. Dezember 2019 kritisierte Otmar Issing, ehemaliger Chefvolkswirt der EZB, in der „Wirtschaftswoche“ den Green Deal der Europäischen Union (EU) heftig. Konzipiert wurde der Green Deal von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EZB-Chefin Christine Lagarde. Kern von Issings Kritik war, dass es der EZB an demokratischer Legitimation für derart tiefgreifende Interventionen in die Volkswirtschaften Europas fehlte und ihre Unabhängigkeit untergrabe.

Mit großem Interesse haben wir die Diskussion um den Green Deal der neuen EU-Kommission und der EZB verfolgt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ja bereits früh signalisiert, dass sie die EZB zu einer Umweltbank umformen wolle. In der ehemaligen französischen Finanzministerin und früheren IWF-Chefin Christine Lagarde fand sie eine Verbündete.

Wenn man der reinen Lehre der Volkswirtschaft anhinge, wie wir sie bisher kannten und das Wirken der Notenbanken von der Politik völlig abkoppelte, dann könnte man Issing durchaus recht geben. Doch das ist im heutigen Umfeld viel zu kurz gesprungen und zudem eindimensionales, altes Denken. Denn die heutige Welt verlangt nach vernetzten und mehrdimensionalen Lösungsstrategien.

Frei nach Paul Watzlawicks erstem Axiom der Kommunikation „man kann nicht nicht kommunizieren“ kann man „nicht nicht politisch sein“, wenn man sich mit Währungsstabilität befasst. Denn alles, was Währungspolitik ist, auch Gesellschaft und Wirtschaft beeinflusst – und umgekehrt. Wenn die Kernaufgabe der Notenbanken also darin liegt, Währungsstabilität sicherzustellen, muss sie in diesem Netz wechselseitiger Abhängigkeiten verantwortungsvoll agieren und dieses selbst stabilisieren. Dabei gilt die Erkenntnis vieler Marktteilnehmer, dass die vermeintlichen Gesetzmäßigkeiten, wie sie die ökonomische Standardlehre postuliert, nicht mehr zu existieren scheinen. Man denke nur an die Instrumente der Wechselkurspolitik oder die schmelzende Zinsmarge. Die EZB hat durch Nullzins und Anleiheaufkäufe längst alle ihre Möglichkeiten ausgespielt.

Auch hat es die EZB bis jetzt versäumt, neue, in die Zukunft gerichtete Lösungen zu erarbeiten. Ihr Sich-Verschanzen im Altbekannten bringt wenig mit Inventionscharakter zu Tage. Eine grüne Geldpolitik hingegen hätte einen solchen Charakter, ohne diesen es in Zukunft eine Währungsstabilität gar nicht mehr geben können wird. Dabei sind natürlich Innovationen, also im engeren Sinne die Erneuerung des Bewährten, wie beispielsweise das Einbringen von ESG- und Ethik-Filtern in den Anlageentscheidungsprozess, zu begrüßen. Vom vernetzten Zusammenwirken der Kräfte ist man damit aber noch weit entfernt.

Viele Bürger, insbesondere die junge Generation der zukünftigen Vermögensnachfolger und Verantwortungsträger, sind da schon wesentlich weiter. Sie verlangen durchaus nach neuen Möglichkeiten, nachhaltig investieren zu können. Dabei sind sie auch offen dafür, den Preis dafür zu bezahlen, etwa in der Form, dass die Rendite ihres Investments nicht mehr nur in rein monetärer Form an sie zurückfließt. Das bildet exakt das ab, was wir in unserem Interview Mitte November 2019 als transformatives Kapital bezeichnet haben: profit beyond profit.