Kommentar von Martin Hüfner Stimmung bei Aktien ist schlechter als die Lage

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Europa steht fundamental besser da

Der private Konsum profitiert von den niedrigeren Benzinpreisen. Die Lage der Ölproduzenten ist so desolat, dass sie den derzeitigen Preiskrieg nicht unbegrenzt durchhalten können. Zudem wird sich die unerwartet hohe Aktivität der

Zentralbanken positiv auf die wirtschaftliche Aktivität (und damit auf die Aktien) auswirken. Es gibt Hoffnung, dass sich die Konjunktur spätestens im zweiten Halbjahr fangen wird. Die Aktienkurse können also nicht unbegrenzt fallen.

Hinzu kommt noch eine andere Hoffnung. Europa steht derzeit fundamental besser da als der Rest der Welt. Natürlich kann es sich nicht völlig von den globalen Schwierigkeiten abkoppeln. Die Konjunktur wird jedoch nicht so stark abbrechen wie anderswo. Sie wird eher noch an Fahrt gewinnen. Spanien wird 2016 um 3 Prozent wachsen, Italien hat die Rezession verlassen und kommt auf 1,5 Prozent Zuwachs.

In Zentraleuropa (Deutschland, Österreich) gibt es ebenfalls ein beachtliches Plus. Allein in Frankreich bewegt sich nicht viel. Die Eurozone wird in diesem Jahr in jedem Fall kaum langsamer wachsen als die US-Wirtschaft (rund 1,5 Prozent). All das hilft den Aktienkursen. Es würde mich wundern, wenn die europäischen Aktien 2016 im internationalen Vergleich nicht relativ besser als andere abschneiden würden.

Sorgen bereiter: politische Risiken

Wie kommt es dann, dass der Euro Stoxx 50 seit Jahresanfang fast doppelt so stark gefallen ist wie der Dow Jones? Wird Europa überschätzt? Ich glaube nicht. Bei der Kursentwicklung der vergangenen Wochen spielten eher technische Faktoren eine Rolle, insbesondere die ausgeprägte Schwäche der europäischen Banken.

Banken sind im Euro Stoxx besonders stark vertreten. Die Gründe für die relativ gute Konjunktur der Gemeinschaft sind aus meiner Sicht stichhaltig. Es sind zum einen die Reformen, die etwa Spanien zur Überwindung der Eurokrise unternommen hat. Hinzu kommen die expansive Geldpolitik und der Flüchtlingszustrom, der – auch wenn es viele nicht glauben wollen – in einem ersten Schritt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stimuliert.

Was mir Sorgen macht, sind politische Risiken (etwa die Uneinigkeit in der Flüchtlingsfrage oder ein „Brexit“). Da liegt noch „Explosionsgefahr“.

Für den Anleger sind das keine guten Nachrichten. Der Kursrutsch bei den Aktien ist gut begründet. Er kann auch noch weitergehen. Die Märkte kommen nicht so schnell wieder in die Reihe. Aber man sollte auch nicht übertreiben. Gemessen an den fundamentalen Faktoren ist die Stimmung derzeit einfach zu schlecht. Ein Rebound ist überfällig.


Über den Autor:
Martin Hüfner ist seit 2009 Chefvolkswirt bei der Münchner Vermögensverwaltung Assenagon Asset Management. Zuvor war er von 1988 bis 2001 Chefvolkswirt der Bayerischen Vereinsbank und von 2001 bis 2005 der HypoVereinsbank.

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