Kommentar von Markus Schuller Unethische Asset-Allocation-Methoden

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Über unethisches Handeln

Wissenschafter der UCLA Berkeley haben in 7 aufschlussreichen Untersuchungen (2012) den Zusammenhang zwischen sozialem Status und Unrechtsbewusstsein untersucht. Fazit: Je weiter oben in der sozialen Hackordnung stehend, desto weniger Hemmungen hat man, sich unethisch zu verhalten.

Die Hypothese der Wissenschafter: Sozial höher stehende Menschen haben ein entspannter es Verhältnis zu Gier. Sie sind der Ansicht, dass Gier nichts Schlimmes ist und sie auch ein Anrecht darauf haben, gierig zu sein. Die Autoren bieten weitere Erklärungen für das Ergebnis an, dass sozial besser Gestellte sich ethisch fragwürdig verhalten:

  1. Sie arbeiten an Orten, wo es weniger strukturelle Hindernisse für unethisches Verhalten gibt (beispielsweise mehr Privatsphäre).

  2. Es fällt ihnen einfacher, die negativen Auswirkungen von unethischem Verhalten abzufedern.

  3. Ihr Selbstbild zeigt ihnen an, dass sie weniger Rücksicht auf andere nehmen müssen und zu mehr berechtigt sind.

  4. Sie orientieren sich stärker an Zielen und kümmern sich weniger um die Urteile anderer.

  5. Sie sind häufig in einer Wirtschaftstheorie geschult, die das Selbstinteresse als entscheidend für ein positives Gesamtergebnis hält.

Alle diese Gründe führen dazu, dass Gier als legitim und sogar positiv wahrgenommen wird – was wiederum ethische Hemmnisse schwächt (Quelle P. Wampfler).

Unethisches Handeln eines professionellen Finanzmarktteilnehmers
Abgesehen von den regulatorischen Vorgaben eines qualified/sophisticated/professional Investors, folgt nun ein Exkurs zur Profession an sich. Sie leitet sich ab vom lateinischen professio, also einem öffentlichen Bekenntnis zu einem Gewerbe, einem Beruf.

Nach Talcott Parsons bestehen und entstehen Professionen aus einem tätigkeitsspezifischen Wertekonsens, damit in der Lösung von bestimmten Problemen, deren Streben danach eine hohe gesellschaftliche Wertschätzung genießt. Eine weitere Prämisse für Profession stellt für Parsons das Risiko des Scheiterns bei dieser Tätigkeit dar (Quelle).

In dem Begriff der Profession ist aus systemtheoretischer Perspektive der Beruf als erlernte und historisch gewachsene Erwerbsarbeit eine Teilmenge. Die Profession als ein autopoietisches Subsystem zeichnet sich nach Kurtz durch eine „spezifische Ausbildung für einen besonderen Tätigkeitsbereich“ aus. Sie ist dabei immer mit der Aufgabe konfrontiert, Wissen zu verwalten (Quelle).

Was kann nun von einem professionellen Finanzmarktteilnehmer erwartet werden:
  • Willen zur Wissenheit
  • Willen zur Umsetzung seiner Wissenheit, trotz Risiko des Scheiterns
  • Willen in der Umsetzung seiner Wissenheit einen Mehrwert für den Kunden zu schaffen
Unethisches Handeln eines professionellen Finanzmarktteilnehmers nährt sich folglich aus diesen Quellen:
  • Unwillen zur Wissenheit - Ergebnis: Unwissenheit
  • Unwissenheit trotz Willen - Ergebnis: Unwissenheit
  • Unwillen zur Umsetzung trotz Wissenheit  - Ergebnis: Handeln wider besseren Wissens
Die Vortäuschung

It starts with pretending.

Als etablierte Form des unethischen Handelns professioneller Finanzmarktteilnehmer kann die Vortäuschung angeführt werden. Sie kann sowohl von Unwissenheit als auch vom Handeln wider besseren Wissens genährt werden.

Geld als abstraktes Kommunikationsmittel der Macht zwischen Individuen wird an Finanzmärkten eine Plattform zum Austausch geboten. Dieses Kommunikationsmittel lädt auf Basis der Legitimation von Gier (siehe Berkeley-Studien) dazu ein, vorzutäuschen.

Professionelle Finanzmarktteilnehmer sind intelligent, wohlgebildet und wohlhabend – verdienen also zu Recht die Zuschreibung von Überlegenheit. Um aus dieser Hybris für den einzelnen Teilnehmer eine lebbare Form der Selbsteinschätzung zu gießen, bietet die Vortäuschung ein elegantes Ventil.