Kommentar von Markus Schuller Unethische Asset-Allocation-Methoden

Markus Schuller, Gründer von Panthera Solutions

Markus Schuller, Gründer von Panthera Solutions

Zwei Klarstellungen vorab.
  1. Dies ist kein auf Provokation angelegter Beitrag. Evidenzbasierte Klarheit als Ergebnis von Reflexion und Research stellt eine aufgeklärte Form dar, Grundlagen für Veränderung zu schaffen.

  2. Der Artikel behandelt auch nicht Themen wie Socially Responsible Investments (SRI), Impact Investing oder ESG-Kriterien (Environmental, Social & Governance). Diese Asset-Allocation-Spielarten kratzen lediglich an der Oberfläche des Allokationsproblems, indem sie zwar das verfügbare Investmentuniversum nachvollziehbar einschränken, die Methoden zur Optimierung des verbleibenden Universums jedoch traditionell interpretieren.
Personen statt Mathematik

Die Tätigkeit am Finanzmarkt ist komplex in ihrer Durchführung, jedoch nicht kompliziert in ihrer Aufgabenstellung zu fassen. Es geht darum, das Verhalten anderer Marktteilnehmer einzuschätzen, währenddessen man sich selbst einschätzen muss. Bereits in weniger globalisierten Lebensbereichen stellt dies eine non-triviale Aufgabe in der Bewältigung von Komplexität dar.

Wie kann die Aufgabenstellung personenzentriert sein, bei all der am Finanzmarkt ausgeprägten Präferenz zur Mathematik und ihrer Möglichkeit der Modellbildung, respektive algorithmischen Umsetzung? Es sollte uns nicht überraschen. Die Finanzwissenschaft ist Teil der Wirtschaftswissenschaften. Diese sind wiederum Teil der Sozialwissenschaften, also jenem Forschungsgebiet, das sich dem Verstehen der Interaktion von Individuum und Gruppe widmet. Quantitative Methoden können folglich sinnvolle Werkzeug darstellen, substituieren aber nicht die Letztverantwortung des Finanzmarktteilnehmers in seiner Markt- und Selbsteinschätzung.

Das Friedman´sche wirtschaftswissenschaftliche Menschenbild der fünfziger bis siebziger Jahre ist auch in ihrem Teilbereich, der Finanzwissenschaft, dominant zugegen. Eine Anekdote. Zwei meiner ehemaligen IUM-Studenten berichteten kürzlich von deren Master in Finance - Austauschsemester an einer ebenso renommierten Universität in London, dass sich deren Portfoliomanagementkurs hauptsächlich mit der Modernen Portfoliotheorie beschäftigte.

Sie übten vorwiegend, wie Portfolio-Varianzen und -Kovarianzen von Hand zu rechnen sind. Vergleichbar damit, als ob ein angehender Automechaniker im Jahr 2015 vorwiegend darüber unterrichtet wird, wie man Pferde in eine Kutsche spannt.

Beginnen wir mit der Überleitung zum Thema Ethik. Weil final eine personenzentrierte Aufgabenstellung, gilt auch für Finanzmarktteilnehmer: Arroganz, Stolz und Lügen gehen mit hohen emotionalen, wie materiellen Instandhaltungskosten einher. Authentizität und Simplizität sind sich selbst erhaltend.

Ethik für Finanzmarktteilnehmer

Von Aristoteles als Begriff eingeführt, beschreibt die Ethik heute ein breites Feld an unterschiedlichen ethischen Positionen über das Wollen und Sollen. Sie sind in den beiden Hauptfeldern der deskriptiven und der normativen Ethik und ihrer metaethischen Grundlage kategorisiert. Allen Positionen ist die Zielsetzung gemein, Kriterien für gutes und schlechtes Handeln und die Bewertung seiner Motive und Folgen aufzustellen.

Nun beschäftigt die Frage, weshalb man moralisch sein soll, nicht nur Finanzmarktteilnehmer des Jahres 2015. Bereits Plato warf die Frage des „ob“ in seiner Politeia auf. Theologische Herleitungen außen vor gelassen, verweist das Sollen auf eine Akzeptanz besserer Gründe, zum Beispiel anhand der Theorie der rationalen Entscheidung. Die Antwort auf die Frage hängt also vom jeweiligen Verständnis von Vernunft ab.

Einschränkung

Ethik als praktische Wissenschaft kann nur allgemeine Prinzipien guten Handelns oder ethischen Urteilens begründen. Die Anwendung auf den einzelnen Fall ist im Allgemeinen nicht leistbar, sondern bleibt Aufgabe der praktischen Urteilskraft und des geschulten Gewissens. Bereits Aristoteles verglich dies mit der Kunst des Arztes oder Steuermannes.

Diese Einschränkung führt unmittelbar zum Durchsetzungsproblem der Ethik. Die Einsicht in die Richtigkeit ethischer Prinzipien mag zwar vorhanden sein, daraus folgt aber nicht automatisch, dass der Mensch auch im ethischen Sinne handelt (Schopenhauer). Die Einsicht in das richtige Handeln bedarf einer zusätzlichen Motivation oder eines Zwangs.

Für Finanzmarktteilnehmer des Jahres 2015 übersetzt: der Einzelne benötigt Wissen und Willen (intrinsisch), gepaart mit Zuckerbrot und Peitsche (extrinsisch), um seine Einsicht in die Richtigkeit ethischer Prinzipien auch in die Tat umzusetzen.