Kommentar von Christian Hammes, Teil 1 Lehren einer wichtigen Korrekturphase

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  • Wirklichkeitsferne Anlagerichtlinien: Für die Verluste in den Rentenportfolios tragen viele Anleger eine Mitschuld.

    Kaum eine Phase hat unsere schon lange formulierte These so nachdrücklich belegt wie die jüngsten Verluste in vielen Rentenportfolios: Die Mehrheit der Anlagerichlinien für liquide Vermögen sind irreführend. Sie regeln eine Welt, die grob in Renten und Aktien unterteilt ist und ebenso Risiken in schwarz und weiß aufteilt.

    Dass die Welt vollkommen anders aussieht weiß jeder, es setzt aber kaum jemand in seinen Anlagerichtlinien um. Stiftungen, semi-institutionelle Vermögen und Familien, die ihr liquides Vermögen aus berechtigten Gründen besonders konservativ anlegen wollten, waren besonders überrascht.

    Gerade im Anleihebereich werden kaum Risiken angesprochen und geregelt. Dies verführt viele Vermögensverwalter dazu, in den dunkleren Nischen des Rentenmarktes immer mehr Risiken anzuhäufen. Wir haben in zahlreichen Anleiheportfolios immer wieder die gleichen Muster gesehen:

    • Unausgewogene Rating-Struktur: Wir sehen viele Portfolios, die große Anteile des Vermögens vor der Rating-Grenze zum Non-Investment Grade anhäufen – gerne in Unternehmensanleihen.

      Obwohl hier natürlich noch etwas Rendite zu erzielen ist, sind solche Portfolios besonders verwundbar, wenn im Rentenmarkt Risiken abgebaut werden müssen. In Ansätzen haben wir das erlebt. Wer diese Ballung nicht wünscht, sollte diese regeln, indem er in den Anlagerichtlinien Rating-Cluster und deren Maximalgewichtung vorgibt. Manche Anlagerichtlinien thematisieren das Thema Rating nicht einmal.

    • Maximale Corporate Bond-Quote: Einst als konservatives Portfolio aus Staatsanleihen gestartet, dominieren jetzt Unternehmensanleihen – diese Entwicklung ist typisch. Aber spiegelt sie das ursprünglich avisierte Risikoprofil wieder?

      Wer dies nicht so sieht, sollte eine geeignete Maximalquote für Unternehmensanleihen erörtern und in den Anlagerichtlinien einziehen. Auch hier: oft ist die Unterscheidung zwischen Staats- und Unternehmensanleihen kein Thema in den Anlagerichlinien nicht zu finden.

    • Verspielte Laufzeitenstruktur: Einige Adressen sind in den Laufzeiten extreme Wetten eingegangen – ihre Kunde haben dafür teuer bezahlt. Zwar ist es problematisch, Laufzeiten in den Anlagerichtlinien zu regeln, aber eine hier eingeforderte eine Berichterstattung über die Laufzeiten-Ausreißer gibt auch weniger professionellen Anlegern einen Blick auf den Charakter dieser Extreme.

    • Nicht geregelte Anleihe-Typisierung: Zahlreiche Renditenischen entpuppten sich als vollkommen unerwartetes Risiko. Wandelanleihen und Nachranganleihen haben sich in den vergangenen Jahren wie selbstverständlich zu den klassischen Anleihegattungen gesellt, ohne risikoseitig besondere Regelung zu erfahren.

      Ändert sich die Risikoneigung des Marktes, trifft es diese Gattungen besonders hart, auch weil sie meist weniger marktgängig sind als die klassischen Anleihen. Einige Adressen jubelten Ihren Anlegern – mangels Regelung – sogar Aktienanleihen unter, und die Mandanten glaubten an ein konservatives Investment. Es empfiehlt sich dringend, solche Gattungen in den Richtlinien zu regeln.

    • Suboptimale Streuung: Wenn ein Verwalter auf die beschriebenen Risikonischen über eine schwache Streuung umsetzt, entstehen aus hohen Gewichtungen von weit über 4 Prozent wiederum Verlustrisiken auf Einzeltitelebene, die in keinem Fall gewünscht sein können.

      Viele Anlegergruppen übernehmen einfach die Anlagerichtlinien ihrer Vermögensverwalter. Beauftragen sie mehrere Adressen, haben sie auch mehrere unterschiedliche Richtlinien nebeneinander.

      Da diese Richtlinien aber das individuelle Risiko eines Investors beschreiben und umsetzen sollen, können wohl kaum die typischerweise vorgegebenen vier Risikocluster  vieler Vermögensverwalter diese Aufgabe angemessen erfüllen – was wir im Rentenbereich nun sehr deutlich sehen konnten.

    Fazit: Gerade für Mandanten mit mehreren Depots und gegebenenfalls latenten Haftungsrisiken wie Stiftungen, Vereine und Verbände empfiehlt es sich, eigene und übergeordnete Anlagerichtlinien zu erstellen. Der Anleihenmarkt hat gelitten – er hat aber noch nicht das Szenario gesehen, vor dem sich alle Manager großer Pensionskassen fürchten: dem Platzen der Corporate-Bond-Blase.

    Alle hier beschriebenen Risiken werden in dem Moment wieder zum Tragen kommen, in dem der Markt für Unternehmensanleihen auch deswegen korrigiert, weil seine Broker keine Liquidität mehr sicherstellen können.