Kommentar von Christian Hammes, Teil 1 Lehren einer wichtigen Korrekturphase

Christian Hammes ist Geschäftsführer des Eta Family Office

Christian Hammes ist Geschäftsführer des Eta Family Office

Aus der Perspektive eines Family Office waren die vergangenen Monate ebenso aufregend wie für die Vermögensträger selbst. Halten die eingezogenen Brandmauern in den Anlagerichtlinien? Greift das Risikomanagement der Vermögensverwalter diesmal besser als 2008 und 2011? Welche Opportunitäten lassen sich nutzen, und welche Stolperfallen werden durch die aktuelle Konstellation gebildet?

Rückblick: Überraschende Lehrstücke vor und hinter den Kulissen

Eigentlich war doch alles in Ordnung: Die Zinsen blieben niedrig, die europäische Notenbank sorgte für Ruhe, die Amerikaner moderierten ihre nur symbolische Zinswende sanft in die Märkte und die Welt solle auch 2016 mehr als 3 Prozent wachsen – so die gefühlte Ausgangslage.

Doch das große ökonomische Bild, in dem Familien, Stiftungen und Institutionen ihr Vermögen allokieren, hat Risse bekommen. Zuerst korrigierten von April bis Juni die Renditen sicherer Staatsanleihen deutlich und kurze Zeit später ließen sich die Aktienmärkte  erstmals merklich von Wachstumssorgen in China beindrucken. Die beiden wichtigsten liquiden Anlagemärkte zeigten binnen kurzer Zeit hintereinander harte Korrekturen.

Die Vermögensträger wurden aber – bei vergleichbarer Asset Allocation – in unterschiedlicher Härte getroffen. Besonders überrascht waren konservative Rentenanleger, die auf ihre hohen Verluste nicht vorbereitet waren und sich auch der Risiken ihrer Portfolios gar nicht im Klaren waren. 

Und obwohl diese beiden Wellen mitunter große Schmerzen verursacht haben, sind die Lehren beim Blick vor und hinter die Kulissen der Asset Manager, aber auch der Vermögensträger, extrem wertvoll. Sie halten wichtige Lehren bereit, die wir offenbar in den vergangenen sechs wunderbaren Jahren vergessen haben.

Nachfolgend seien die wichtigsten Beobachtungen und ihre Lehren skizziert, die wir zum einen für offensivere Investoren, zweitens für Rentenanleger, drittens den aus Renten in Absolute Return-Konzepte geflüchteten Anleger, und viertens für all jene ziehen möchten, die in plausibel klingenden Sachwertprodukten als Beimischung Ihr Heil gesucht haben:
 
  1. Risikomanagement vollbringt keine Wunder – und findet nicht überall statt.

    Für Ausschreibungen beleuchten wir beim Eta Family Office viele Vermögensverwalter. Wir fragen dabei nicht nach ihrer Geschichte, ihren Umgangsformen, ihren fragwürdigen Auszeichnungen oder bunten Prospekten.

    Wir interessieren uns für die Prozesse, deren Elementarteile, deren Zusammensetzung und die handelnden Personen dahinter. Dabei messen wir dem Risikomanagement eine sehr hohe Bedeutung zu. Und natürlich: Jeder Vermögensverwalter betreibt Risikomanagement und kann dazu einige Sätze berichten.

    In unserem Scoring-Verfahren wollen wir deswegen genau wissen, welche Szenarien mit welchen Instrumenten überwacht werden, und wie sie gehandhabt werden. Erst hier werden für uns die gewaltigen Unterschiede in der Auffassung darüber sichtbar, was man als Risikomanagement bezeichnen kann.

    Konkret: Wenn ein Vermögensverwalter ein quantitatives Risikomanagement umsetzt, müssen jüngst sehr regelmäßig gemessene Markt- und Portfoliokennzahlen irgendwann ausgeschlagen haben. Er kann präzise berichten, welche das waren, wie er darauf reagiert hat, wie er in welchen Schritten bestimmte Risiken abgebaut hat. Und er kann darlegen, welche Portfolioumsätze im Mandantenportfolio dieses Risikomanagement wiederspiegeln.

    Was wir an dieser Stelle in unseren Halbjahresgesprächen gerne gehört hätten, kam in sehr unterschiedlicher Tiefe zurück. Ein Anleger kann die Tatsache, dass das Risikomanagement seines Vermögensverwalters nicht nach bestimmten Regeln funktioniert, oft schon aus den Molltönen der eilig zusammengetexteten Marktkommentare herauslesen, die zur Beschwichtigung der Verluste zum Halbjahr versandt wurden.

    Die mündlichen und schriftlichen Kommentare fallen höchst unterschiedlich aus:

    • Eine erste Gruppe hat präzise beschrieben, aus welchem Grund sie welche Risiken abgebaut hat – und konnte das im Mandantenportfolio nachweisen. Damit wurden keine Wunder vollbracht, auch hier sind Verluste entstanden, aber sie wurden eingedämmt.

    • Eine zweite Gruppe beschrieb, dass sie ein Risikomanagement betreibt, dass aber alles ganz schnell ging, und die Ereignisse sehr überraschten. Hier darf man skeptisch in Frage stellen, wie denn eine kommende Marktverwerfung identifiziert wird, und wie sie sich im Mandantenportfolio auswirkt.

    • Eine dritte Gruppe leugnete, dass die entstandenen Verluste über das Maß einer normalen „Atmung“ des Marktes hinausgingen: Weder ist ein Gespür für die Befindlichkeiten enttäuschter Kunden noch ein Risikomanagement messbar.

    • Eine vierte Gruppe reagierte sogar geradezu panisch: Nachdem hohe Verluste durch Zusehen entstanden sind, wurde gewettet, um diese Verluste auszugleichen – und ging prompt schief. Wer in seiner Vermögensentwicklung solche nachgelagerten Verluste entdeckt, sollte genauer nachfragen.

    Fazit: Wenn ein Vermögensverwalter  Risikomanagement betreibt, kann er darüber berichten -  lebhaft, anhand bestimmter Szenarien, die er antizipiert, und an Maßnahmen, die er ergreift, wenn dieses Szenario über sein Radarsystem identifiziert wird. Wir befinden uns in einer Marktphase, in der genau diese Fertigkeiten für den Anlageerfolg entscheidend sind.