Robert Marren, AGI „Kleine Unternehmen wachsen wesentlich stärker“

 Robert Marren

Robert Marren

private banking magazin: Allianz Global Investors hat einige sehr erfolgreiche Micro-Cap-Fonds im Angebot. Was ist der Charme der kleinen Unternehmen?

Robert Marren: Ihr Charme liegt vor allem darin, dass sie bessere Ergebnisse liefern als größere Unternehmen. Dazu gibt es in den USA Marktauswertungen der vergangenen 85 Jahre, ihr Ergebnis: Je kleiner das börsennotierte Unternehmen, desto besser die Performance der Aktie. Zusammen mit aktivem Management bringt das einen echten Mehrwert für Anleger. Während im Large-Cap-Segment aktive Manager im Schnitt nur rund ein Prozent Mehrrendite gegenüber der Benchmark schaffen, sind es bei Micro Caps etwa 5 Prozent. Das liegt an der Ineffizienz dieses Marktes. 

Inwiefern ist der Markt ineffizient?

Marren: Es gibt deutlich weniger Analysten, die den Markt für kleine börsennotierte Unternehmen beobachten. Kümmern sich um Large Caps im Schnitt 24 Analysten, sind es bei Micro Caps nur zwei bis maximal vier. Außerdem kommt es darauf an, wer die Aktien analysiert. Bei den großen Unternehmen sind es etwa Goldman Sachs, J.P. Morgan und Morgan Stanley, die ihre Berichte dann an tausende Fondsmanager und Kunden schicken. Bei Ultra Micro Caps sind es kleinere Analyse-Häuser, die kaum einer kennt. Deren Erkenntnisse gehen nur an rund 50 Empfänger. Das macht einen großen Unterschied.

Viele kleine Unternehmen befinden sich außerdem im Familienbesitz. Welche Rolle spielt das?

Marren: In der Tat ist das Management bei 20 Prozent der Micro Caps direkt über Aktien im Unternehmen investiert, bei Mid und Large Caps ist das nur bei 2,5 Prozent der Unternehmen der Fall. Die direkte Aktienbeteiligung gleicht die Interessen von Firmenmanagement und Aktionären an. Das Management verdient über die Aufwertung des Aktienkurses nämlich mehr als mit dem Gehalt. Das bringt Loyalität. Und sie schützt vor allem in Phasen, in denen das Unternehmen in eine kurzfristige Krise gerutscht ist – etwa weil ein wichtiger Kunde weggebrochen ist. Institutionelle Aktionäre verfallen in diesen Schwächephasen ganz gerne in Panik, verkaufen ihre Aktien und strafen das Unternehmen damit mehr ab, als es angebracht wäre. Das Management sitzt die Krise aus und hat ein Interesse daran, das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. 

Investments in sehr kleine Unternehmen werden gerne auch als „Private Equity light“ betitelt. Weshalb?

Marren: Wie Private-Equity-Investoren suchen wir nach kleinen Unternehmen, die ein einzigartiges Produkt oder eine einzigartige Dienstleistung anbieten und dadurch großes Wachstumspotenzial haben. Nehmen Sie als Beispiel amazon.com vor zehn Jahren. Diese Unternehmen sind auch weniger abhängig von den allgemeinen Wachstumsaussichten für ein Land. Wir sind aber gleichzeitig in der glücklichen Lage, Titel schneller verkaufen zu können, wenn wir einmal falsch liegen. Wir können die Aktie jeden Tag verkaufen, bei Private-Equity-Anlagen steckt das Kapital mitunter bis zu zehn Jahre fest. Hinzu kommen niedrigere Gebühren und weniger Restriktionen. Damit eignen sich Investment in diesen Markt vor allem für vermögende Familien und Kunden. Und wir haben einen weiteren Vorteil.

Nämlich?

Marren: Zugang zu den besten Private-Equity-Managern bekommt man meist erst ab einer Einstiegshöhe von 100 Millionen Dollar aufwärts. Wenn man dann noch über verschiedene Stile streuen will, ist die Schwelle für viele – selbst sehr vermögende Investoren – zu hoch. Bei uns können auch kleinere Vermögen einsteigen.

Wie sieht es mit dem Risiko aus: Sind die kleinen riskanter als größere Unternehmen?
 
Marren: Es gibt spezifische Risiken, ja. Zum Beispiel sind Micro Caps weniger diversifiziert als große Konzerne. Sie bieten in der Regel ein bis zwei Produkte an oder haben nur ein bis zwei Hauptkunden. Dieses Risiko umgehen wir, indem wir ein Portfolio mit 90 bis 100 Titeln halten. Gibt es bei einer Firma Probleme, fällt sie mit einem Anteil von einem oder zwei Prozent kaum ins Gewicht. Ein anderes Risiko ist die Liquidität oder Handelbarkeit der Titel. Es ist manchmal schwer, eine Aktie zu verkaufen. Deshalb investieren wir nicht mehr als ein bis vier Millionen Dollar in eine einzige Aktie, bei einem maximalen Volumen des Fonds von 200 Millionen Dollar. So erreichen wir, dass unser Kapital im Ernstfall nicht feststeckt. Wir haben für die vergangenen fünf Jahre einmal analysiert, wie sich unser Fonds in Auf- und Abwärtsphasen des Marktes verhält. Legte der Markt zu, schaffte unser Fonds 137 Prozent des Plus, in Abwärtsphasen waren es aber nur 85 Prozent des Minus.

Wie wählen Sie die Titel für Ihr Portfolio aus?

Marren: Wir haben ein Programm, das jeden Tag das gesamte Micro-Cap-Universum danach scannt, ob ein Unternehmen etwa mehr verkauft, es bessere Margen erzielt oder Auftragsüberhange hat. Ist das der Fall, suchen wir nach den Treibern für diese Entwicklungen und sprechen mit den Geschäftsführern der Unternehmen. Dann schauen wir uns die Prognosen der Analysten für die Aktie an. Oft sind diese eher konservativ, weil die die Unternehmen nicht richtig verstehen. Sie sagen dann zum Beispiel ein Wachstum von einem Dollar pro Aktie voraus. Wir glauben aber wegen des neuen Produkts, dass das Unternehmen bald lanciert oder die neuen Vertriebswege, die es erschließt eher an ein Plus von 1,30 Dollar pro Aktie. Die Wachstumsrate ist also höher als es der Markt glaubt und die Bewertung niedriger. Dann greifen wir zu. Und bisher haben wir sehr oft richtig gelegen. Um das Fondskonzept jetzt auch europäischen Anlegern zugänglich zu machen, bringen wir den Fonds voraussichtlich im Oktober auch als UCITS-Variante auf den Markt. Der Einstieg wird langfristig orientierten Investoren aus Family Offices und dem institutionellen Segment vorbehalten sein.

Wie lange halten Sie die Aktien im Schnitt?

Marren: In der Regel ein bis zwei Jahre. Es gab aber auch Titel bei denen wir mehrere Jahre investiert werden und welche, die wir nach sechs Monaten bereits wieder abgestoßen haben.

Weshalb ist der amerikanische Markt interessant?

Marren: In Europa gibt es durch die Schuldenkrise einige Unsicherheiten. Anleger sind nicht schlecht beraten, wenn sie auch bei den Währungsräumen diversifizieren.

Welche Rolle spielen Fusionen und Übernahmen im Micro-Cap-Markt?

Marren: Eine große. Alleine in diesem Jahr wurden fünf Unternehmen, die wir im Portfolio hatten, aufgekauft. Die Lage ist nämlich die: Viele Unternehmen haben in der vergangenen Krise ihre Hausaufgaben gemacht und Schulden abgebaut. Mit anderen Worten: Sie haben so viel Geld wie seit 50 Jahren nicht mehr. Untätig können diese Mittel aber nicht in den Bilanzen schlummern, da die Aktionäre der Firmen Ertragszuwächse fordern. Was machen die Unternehmen also? Sie kaufen attraktive kleinere Firmen, die zum eigenen Geschäftskonzept passen oder es sinnvoll ergänzen. Wir profitieren davon, indem wir Preisaufschläge bekommen. Bei den erwähnten fünf Unternehmen aus unserem Portfolio waren es jeweils rund 40 Prozent.

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