private banking magazin: Berenberg hat zuletzt Stellen im Investmentbanking gestrichen. Nimmt das Wealth und Asset Management nun strategisch einen größeren Stellenwert ein?
Klaus Naeve: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, trotzdem sind beide Aussagen richtig. Wir wollen in all unseren Kerngeschäftsfeldern ein starker Marktteilnehmer sein. Das Wealth und Asset Management sowie das Corporate Banking mit seinen Kreditfonds und dem Merchant Banking sind ein stabiler Kern der Bank. Wenn das verwaltete Vermögen wächst, wachsen auch unsere Erträge. Im Investmentbanking ist das Geschäft volatiler: In guten Kapitalmarktjahren ist es ein sehr guter Ertragsbringer, im vergangenen Jahr ist das Geschäft aber marktbedingt eingebrochen. Wenn der Markt sich erholt, werden wir aber auch im Investmentbanking wieder Personal einstellen.
Die schwierige Kapitalmarktsituation hat sich aber auch auf ihre Vermögensverwaltungsstrategien niedergeschlagen...
Naeve: Die Marktentwicklung des Jahres 2022 war für viele Growth-Manager herausfordernd. Wir haben deshalb auch viel mit den Kunden gesprochen, denn sie wollen verstehen, was in den Märkten geschieht. Ein Teil der auch für uns nicht zufriedenstellenden Performance fällt auf den Anfang des Jahres 2022 zurück, als auch qualitativ starke Wachstumswerte wegen der Inflation und der Zinswende enorm abwerteten. Uns hat geholfen, dass wir ein klares Profil haben, für die wir auch in den Vermögensverwaltungsstrategien stehen. Unsere Kunden sind von unserer unternehmerisch geprägten, langfristigen Philosophie überzeugt, so dass unsere Assets im Wealth Management stabil geblieben sind. Und mittlerweile verzeichnen wir auch schon wieder Zuflüsse von Kunden, die diese Philosophie verstehen.
Gab es Kunden, die wegen der Performance ihre Mittel abgezogen haben?
Naeve: Vereinzelt. Das war aber ein sehr kleiner Anteil. Kunden, die unsere Philosophie verstehen, sind langfristig investiert geblieben. Das heißt nicht, dass alle Gespräche einfach sind und waren. In einem geänderten Marktumfeld haben die Kunden einen großen Beratungsbedarf, denn sie wollen die Marktentwicklungen mit uns besprechen und verstehen. Jeder Kunde hat mit uns langfristige Ziele definiert, die wir auch in turbulenten Zeiten nicht aus den Augen verlieren dürfen. Mit unserer längerfristigen Performance können wir uns aber am Markt gut behaupten. Die Volumina insgesamt sind gestiegen, die Profitabilität wurde verbessert.
Welche Rolle spielte das Wealth Management dabei?
Naeve: Es braucht gute Beraterinnen und Berater, um vermögende Kunden begleiten zu können. Was unser Haus von anderen unterscheidet, ist das persönliche Profil der Beraterinnen und Berater und der Anlagestil. Dazu gehört nicht nur ein hohes Maß an Expertise, sondern auch die Fähigkeit, in entscheidenden Momenten auch mal eine andere Auffassung zu vertreten als der Kunde und ihm auf Augenhöhe begegnen zu können. Dafür braucht es kein Mikro-Management mit Excel-Tabellen und einer Mindestzahl an Gesprächsterminen. Das ist jedenfalls nicht meine Geschäftslogik.
„Wir wollen zukunftsfähig sein, wenn die Erbengeneration das Ruder übernimmt“
Aber es muss doch Zielgrößen geben, um das Geschäft auszubauen?
Naeve: Wir möchten weiterhin nachhaltig wachsen und mit den Kunden spannende Investment-Strategien diskutieren sowie prozessual schlank eine gute Qualität liefern. Wir haben Team- und Wachstumsziele, die dann pro Kopf heruntergerechnet werden. Wer also das Geschäft am Ende abschließt, ist egal. Stattdessen sollen Teams oder Standorte gemeinsam ihre Ziele erreichen. Wir etablieren eine Kultur der gemeinschaftlichen Beratung, anstatt Berater in Konkurrenz treten zu lassen.
Was für Berater suchen Sie?
Naeve: Wir suchen vor allem nach Kollegen, die am Beginn ihrer Karriere stehen, die sich zutrauen, unternehmerisch den nächsten Schritt zu gehen und etwas aufzubauen, die bereit sind, langfristig in unserem Haus zu arbeiten. So sind wir an allen Standorten personell gewachsen. Wir geben jungen Kollegen die Möglichkeit, schnell Verantwortung zu übernehmen, indem sie im Tandem arbeiten und mit einem erfahreneren Kollegen die Kundenbetreuung übernehmen. Zudem verjüngt sich unsere Kundschaft. Wir wollen zukunftsfähig sein, wenn die Erbengeneration das Ruder übernimmt.
Welche Kompetenzen suchen Sie beim Personalaufbau? Jugend allein ist ja keine Kompetenz.
Naeve: Idealerweise haben junge Mitarbeitende schon im Wealth Management gearbeitet, waren bei Kundengesprächen dabei und verstehen das Geschäft von Grund auf. Wenn diese Kombination an Kompetenzen vorliegt, können wir ihnen auch unsere Kultur und DNA vermitteln. Auf der anderen Seite erwarte ich Respekt und verantwortungsvolles Handeln: Nur weil ich mit vermögenden Kunden spreche, bin ich nicht Teil dieser Familie – Berater müssen sich ihre Dienstleistungs-DNA bewahren. Die Regulierung gibt den – zugegebenermaßen – engen Rahmen vor. Innerhalb dieses Rahmens und unserer Geschäftspolitik sollen sich Kollegen selbstständig als Persönlichkeit in den Kundendialog einbringen.
Wie gelingt der Spagat zwischen eigenen Produkten im Asset Management und Beratung im Wealth Management?
Naeve: In der klassischen Vermögensverwaltung kombinieren wir unsere Fonds mit Einzelwerten, ETFs und auch Fremdfonds. Wenn wir aber die eigene Produkte einsetzen – was manchmal einfach praktikabler als eine Einzeltitel-Selektion ist – nutzen wir Tranchen ohne Verwaltungsvergütung und doppelte Gebührenstrukturen und bieten so Transparenz. In der Anlageberatung stehen unsere eigenen Produkte den Beratern zur Verfügung, wir haben aber keine Vertriebsziele oder steuern Fondsquoten.
Wie relevant ist die Anlageberatung überhaupt noch?
Naeve: Selbst für einen einzelnen Kunden in der Anlageberatung müssten wir alle regulatorischen Voraussetzungen erfüllen – also stehen wir für Anlageberatung in der Breite. Jeder Kundenbetreuer hat in der Regel auch Beratungsmandate. Zudem haben wir mit dem Professional Client Advisory ein Team, das nach dem WPHG professionelle Kunden im Tandem mit dem Kundenberater gemeinsam betreut. Beide Beratungsmodelle wachsen, weil viele andere Häuser diese Dienstleistungen gar nicht mehr anbieten.
Sind diese Mandate denn profitabel?
Naeve: Ja. Auch für sich betrachtet. Wir arbeiten mit einer All-in-Gebühr, haben aber natürlich mit 3 Millionen Euro für die normale und 5 Millionen Euro für das Professional Client Advisory eine höhere Einstiegshürde als in der Vermögensverwaltung. Deswegen sind das Assets under Management, die uns – ähnlich wie in der Vermögensverwaltung – wiederkehrende Erträge sichern.
In der Vergangenheit war die Einstiegshürde Ihrer Vermögensverwaltung Diskussionspunkt – bleiben Sie bei der Mindest-Million?
Naeve: Wir sind in Hamburg verwurzelt, weshalb einige Mandate aus der Vergangenheit unter der Million liegen. Zu diesen Beziehungen stehen wir – aber im Neugeschäft sind wir in Sachen Mindestanlage sehr konsequent.
Welche Dienstleistungen wollen Sie neben der klassischen Beratung anbieten?
Naeve: Wir können mittlerweile mit einem eigenen Team auch tiefergehende Beratung zu strategischer Asset Allocation und komplexen Vermögen bieten. Dieses Team führt zudem Ausschreibungen für Spezialfonds durch.
Fungiert das Team als eines der Kompetenzzentren, die Berenberg vor einigen Jahren im Wealth Management etabliert hat?
Naeve: Nicht ganz. Das Team für die strategische Asset Allocation arbeitet komplett eigenständig und sowohl für Asset als auch Wealth Management. Die Kompetenzzentren für Stiftungen, junge Unternehmer und Family Offices kommen aus dem Wealth Management, wirken teilweise aber darüber hinaus: Stiftungen werden beispielsweise je nach Volumen im Wealth Management oder im institutionellen Asset Management betreut.
„Im vergangenen Interview habe ich betont, dass ich keine Mitläufer suche. Genauso wenig suche ich Söldner.“
Welche Kunden benötigen bei der strategischen Asset Allocation Unterstützung?
Naeve: Unternehmerfamilien, die sich ihres Vermögens inklusive des Klumpenrisikos der eigenen Firma bewusst werden wollen. Dazu kommen Family Offices, kleinere institutionelle Investoren aus dem Segment Versicherungen und Versorgungswerke, aber auch Unternehmen. Das ist Spezialwissen, das nicht jeder professionelle Investor selbst vorhalten muss – deswegen treten wir damit durchaus in Wettbewerb mit Consultants.
Braucht es entsprechende Nischen im enger werdenden Markt?
Naeve: Es hilft definitiv, diese Nebendienstleistungen aufzubauen. Dazu zählen wir zum einen die strategische Asset Allocation, zum anderen aber auch Multi-Depot-Controlling oder die Kompetenzzentren – während ein gutes Online-Angebot heutzutage eher ein Muss ist.
Nicht alle Nischen können aber besetzt werden. Wo ziehen Sie Grenzen?
Naeve: Wir würden beispielsweise kein Spezialmandat für japanische Einzelaktien umsetzen. Deswegen binden wir das Portfoliomanagement bei Mandaten mit speziellen Einzelrestriktionen auch laufend ein. Und: Wir werden sicher nicht in jeden Preiswettbewerb einsteigen. Wenn Konkurrenzinstitute wegen eines strategischen Interesses an den deutschen Markt drängen, ihren Kunden billige Konditionen bieten und gleichzeitig teures Personal bezahlen müssen, kann das nicht zielführend sein.
Welche Rolle spielt Berenberg in einem konsolidierenden Markt?
Naeve: Wir nehmen gerne auf.
Kunden oder Kollegen?
Naeve: Beides. Aber: Im vergangenen Interview habe ich betont, dass ich keine Mitläufer suche. Genauso wenig suche ich Söldner. Viele unternehmerisch denkende Beraterinnen und Berater verstehen aber, dass es nicht reicht, nur strategisch Märkte zu erschließen, sondern dass es auch ein funktionierendes Produkt braucht.
Heißt: Sie planen selbst genauso wenig strategisch mit neuen Niederlassungen, sondern reagieren eher?
Naeve: Richtig. Wir haben keine Standortstrategie, die wir abarbeiten, sondern finden bei Opportunitäten im Fall der Fälle Lösungen, um in der Breite zu wachsen.
Gibt es denn Pläne, die eigene Produktpalette zu erweitern?
Naeve: Unser Produktuniversum ist noch recht jung, der strategische Schwenk startete ja erst vor wenigen Jahren mit dem Eintritt von Matthias Born und auch Prof. Dr. Bernd Meyer. Einige Vermögensverwaltungsstrategien wurden ergänzt, anstatt ganz große Revolutionen anzustoßen. Für Private Equity kooperieren wir mit Moonfare, selektieren aber die Fonds und führen unsere eigene Due Diligence durch. Auf der anderen Seite haben wir über das Corporate Banking Zugang zu Private-Debt-Fonds und ab gewissen Anlagevolumina über das Investmentbanking Zugang zu Pre-IPO-Beteiligungen. Entsprechende Deals sind vor allem bei Family Offices beliebt. Wir haben aber keinen festen Produkt-Plan für die kommenden drei Jahre, sondern wollen erstmals die richtigen Leute finden.
Über den Interviewten:
Klaus Naeve arbeitet bereits seit 2007 im Wealth Management (WM) der Berenberg Bank. Ab 2012 übernahm er verschiedene Führungsaufgaben, leitete ab Anfang 2020 die WM-Niederlassung Hamburg und wenig später das gesamtdeutsche WM-Geschäft bei Berenberg. Seit September 2020
bildet Naeve eine Doppelspitze mit Matthias Born für das Wealth und Asset Management.