Klaus Kuder im Exklusiv-Interview „Gelernte Diversifikationsregeln gelten heute nicht mehr“

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Was halten Sie davon, Europa mit dem Japan-Szenario der vergangenen 20 Jahre zu vergleichen?

Kuder: Die Parallelen sind bekannt. In Europa haben wir eine alternde Gesellschaft, ähnlich wie in Japan. Was unser Wirtschaftswachstum angeht, hoffen wir seit einigen Jahren, dass es wieder anspringt und die schwierigen, hinter uns liegenden Jahre vergessen macht. Dabei befinden wir uns bereits seit 2010 im wirtschaftlichen Aufschwung – und sind damit relativ weit im Zyklus. Leider ist dieser als blutarm zu bezeichnen. Ein nachhaltiges und merkliches Wachstum müsste jedoch merklich über der Eins-Komma-Schwelle stattfinden. Davon ist aber nichts zu erkennen.

Und ohnehin kann keiner sagen, wie viel unseres heutigen Wachstums auf die expansive Geldpolitik der EZB zurückzuführen ist. Für mich hört sich das schon sehr nach japanischen Verhältnissen an. Dessen Volkswirtschaft hat schon über zwei Jahrzehnte Wachstumsprobleme.

Wie könnte ein Ausweg aussehen?

Kuder: Das ist ja das Problem. Ein Ausweg ist für mich nicht zu erkennen, denn dieser setzt voraus, dass sich unsere Zins-, Liquiditäts- und Schuldenproblematik löst. Ein nachhaltiger Aufschwung könnte sehr dazu beitragen. Dazu bräuchte es vermutlich aber einen neuen Kondratjew-Zyklus, also einen zyklischen Wirtschaftsaufschwung, der zum Beispiel einhergeht mit neuen Technologien oder Innovationen, die zu umwälzenden Veränderungen des Wirtschaftslebens führen.

So sehr wir uns diese wünschen, kann ich aktuell keine Entwicklungen erkennen, welche die Kraft hätte, einen solchen Aufschwung auszulösen. Die Zinsen werden der Impulsgeber jedenfalls nicht sein können. Dazu haben die Notenbanken ihre Instrumente zu sehr verfeuert.


Quelle: Rursus/CC BY-SA 3.0/Wikimedia Commons

Sehen Sie weitere Indizien für ein europäisches Japan-Szenario?

Kuder: Hinzu kommt vielleicht eine längere Phase, in der die Preise, also die Inflation, bei null oder nur leicht darüber stagniert. Und das trotz aller Versuche der EZB, dem entgegenzuwirken. Unter anderem die fortgeschrittene Globalisierung und der damit einhergehende globale Wettbewerb machen es schwer, Inflationsziele mit geldpolitischen Instrumenten zu erreichen. Und auch ein inflationsfördernder Einfluss seitens des Rohstoffmarktes ist derzeit nicht vorstellbar.

Schwaches Wachstum, keine oder nur geringe Inflation und niedrige Zinsen: Wenn das für eine Japan-Analogie reicht, was können Anleger daraus lernen?

Kuder: Nehmen Sie beispielsweise Immobilieninvestments. Im eher deflationären Umfeld Japans wurden Anleger in den vergangenen 15 bis 20 Jahren damit nicht wirklich glücklich. In Deutschland und in Teilen Europas sah der Immobilienmarkt dagegen ganz anders aus. Die Preise scheinen nur noch eine Richtung zu kennen: nach oben.

Trotzdem sei die Frage erlaubt, wer denn die Mietsteigerungen künftig noch zahlen kann und soll. Ich befürchte, die Immobilienpreise in einigen Regionen und Sektoren liegen schon jetzt über einem fundamental vertretbaren Niveau. Erste Anzeichen für solch eine gewisse Abkühlung sieht man beispielsweise schon in besonders teuren Lagen wie München. Für Inhaber größerer Immobilienvermögen könnte dies eine gute Zeit sein, ihr Portfolio zu überdenken und sich auch von dem ein oder anderen im Preis besonders stark gestiegenen Objekt zu trennen.

Und wenn sich ein Investor trotz gestiegener Preise nicht von seiner Immobilie trennen möchte?

Kuder: Dann sollte man analysieren, ob sich die Wirtschaftlichkeit des Objektes steigern lässt. Wegen der niedrigen Zinsen führt eine Änderung der Finanzierungsstruktur meist zu höheren Cashflows und auch zu einer höheren Rentabilität.

Dabei ist die langfristige Festschreibung von Zinsen der offensichtliche, aber keineswegs nur der einzige Weg. Auch wenn es zunächst unsinnig erscheint: Auch eine kurzfristige Zinsbindung könnte für einen Teil der Fremdfinanzierung interessant sein. Der gegenüber einer langfristigen Finanzierung um rund ein Prozent pro Jahr niedrigere Zinsaufwand kommt voll der Tilgung zugute, was insgesamt zu einer rascheren Eigenkapitalbildung und damit zu einer Reduktion des Risikos führt.

Das sind alles zwar nur kleine Stellschrauben, aber ich rate dazu, im Rahmen des umfassenden Risikomanagements im Family Office über alle Optionen nachzudenken.