Klaus Kuder im Exklusiv-Interview „Gelernte Diversifikationsregeln gelten heute nicht mehr“

Klaus Kuder vom Family Office Kuder Familypartner

Klaus Kuder vom Family Office Kuder Familypartner

private banking magazin: Herr Kuder, Sie sind seit gut einem Jahr mit der Gesellschaft Kuder Familypartner als Berater für Familien und Family Offices tätig. Was ist derzeit das zentrale Kapitalmarktthema im Beratungsgespräch?

Klaus Kuder: Dass der Markt seit fast zwei Jahren über Zinssteigerungen in den USA redet, ist definitiv eins der Themen. Im Dezember vergangenen Jahres war es zwar endlich soweit, aber die US-Notenbank hat sich lange Zeit geziert – und das trotz vermeintlich guter Konjunkturzahlen. Die Kapitalmärkte verhalten sich dazu erratisch und vor allem auch in zum Teil ungewöhnlichen Mustern.

Meine Einschätzung ist, dass diese Unberechenbarkeit zu einem erheblichen Teil mit der lockeren Geldpolitik der vergangene Jahre zusammenhängt. Dadurch haben sich Spannungen in den Märkten aufgebaut, die sich von Zeit zu Zeit entladen. Mal mit gutem Grund, mal vermeintlich aus dem Nichts entstehend. Interessant wäre doch zu wissen, wo Zinsen, Aktienkurse, Immobilienpreise, die Unternehmensergebnisse et cetera stünden, wenn die jüngste Geldpolitik der Zentralbanken nicht wäre.

Und wo wäre das?

Kuder: Dazu können selbst die besten Experten keine verlässliche Aussage treffen. Viele zucken nur mit den Schultern, weil das System mittlerweile so komplex geworden ist, dass es keiner mehr zur Gänze durchschauen mag. Das ist auch einer der Gründe, weshalb sich einstmals erfolgreiche Hedgefondsmanager zusehends schwer tun oder gar ihre Fonds auflösen und den Anlegern ihr Geld zurückzahlen. Quasi eine Kapitulation vor den wachsenden Unsicherheiten an den Märkten.

Wie berät man daraufhin vermögende Familien?

Kuder: Mehr denn je gilt es, in diesen Zeiten konservativ zu agieren, da es bei Familien in aller Regel um den generationenübergreifenden Erhalt des Familienvermögens geht. Vergleichen Sie es mit dem Autofahren. Man würde auf einer nebligen Landstraße auch nicht mit voller Geschwindigkeit fahren, wenn man nicht weiß, ob die Straße geradeaus weiterführt oder wann die nächste scharfe Rechts- oder Linkskurve folgt.

Daher rate ich Mandanten, die Vermögensstruktur anders auszurichten als in Kapitalmarktzeiten, die man als normal bezeichnen würde. Zentral ist die Frage, wie heute ein Risikomanagement aussehen muss, das diesen Namen auch verdient. Die Aktienmärkte schwanken an manchen Tagen, wie sonst in einem ganzen Monat oder Jahr.

Oder nehmen sie den Rentenmarkt. Dort bewegen sich die Renditen in einem atemberaubenden Tempo. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Anleger mittlerweile Geld mitbringen müssen, um einem Anleiheschuldner überhaupt ihr Kapital geben zu dürfen. Und schließlich die Rohstoffmärkte, die unter einem enormen Preisverfall leiden, den in diesem Ausmaß auch keiner vorhersah. Darauf eine strategische Asset Allocation aufzubauen, ist enorm schwierig. Ich bin auch nicht der Meinung, dass derzeit die gelernten Diversifikationsregeln noch funktionieren.

Wie im Sommer 2011 geschehen, als Aktien- und Rentenmärkte gleichzeitig abrauschten. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Kuder: Der Gleichklang der Märkte entsteht dadurch, dass ein wichtiger Teilmarkt, die Rentenseite, seit langem nicht auf dem Niveau ist, wo er sein müsste. Stattdessen befinden wir uns im Klammergriff der Notenbanken, der zu der historisch einmaligen Liquiditätsschwemme und dem Niedrigzinsumfeld geführt hat. Es gibt sicherlich noch einige andere Einflussfaktoren, aber das ist aus meiner Sicht der entscheidende.

Eine klassische Asset Allocation mit einem 70-prozentigen Rentenanteile und 30 Prozent Aktien ist wegen der Marktverzerrungen aus Rendite-, aber noch viel mehr aus Risikogesichtspunkten schlichtweg nicht mehr sinnvoll. Folglich müssen nicht nur wohlhabende Familien, sondern alle Anleger ihre Vermögensanlage überdenken.

Befinden wir uns in einer neuen Anlagewelt?

Kuder: Mit solchen Aussagen versuche ich stets vorsichtig zu sein. In der Technologiewelle der späten 1990er Jahre wurde zunächst auch behauptet, dass eine neue Zeit angebrochen sei. Mitnichten, wie sich später rausstellte, als die Bubble platzte. Was man erkennen muss, ist, dass wir es mit erheblichen Verspannungen und Abnormalitäten an den Finanzmärkten zu tun haben.

Wenn ich also von wiederholten Eruptionen und etwas anderen Spielregeln für die kommenden Jahre ausgehe, dann muss meine strategische Vermögensplanung auf den Prüfstand. Transparenz, Verlässlichkeit, Stärke und Cashflow sind zum Beispiel Faktoren, die bei dem Aufbau einer Vermögensstruktur und bei der Auswahl von Einzelinvestments wichtiger werden.