Versorgungssektor KI-Boom trifft Energiewende – diese Anleihechancen ergeben sich

Lukas Gabriel von Allianz Global Investors.

Lukas Gabriel von Allianz Global Investors: „Energie spielt eine Schlüsselrolle, man kann getrost von einem Mega-Investitionszyklus in die entsprechende Infrastruktur sprechen.“ Foto: Allianz Global Investors

1. Makrotrends: KI-Initiativen und der wachsende Energiebedarf

Das „Stargate“-Projekt und seine Implikationen
Anfang 2025 kündigte die Regierung von Donald Trump mit dem „Stargate“-Projekt eine umfangreiche Initiative im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) im Volumen von 500 Milliarden US-Dollar an. Unterstützt wird es von Technologieunternehmen wie Open AI, Oracle und Soft Bank. Der geplante Bau riesiger KI-Rechenzentren sowie ein erstes Investitionspaket von 100 Milliarden US-Dollar verdeutlichen den erheblichen Energiebedarf dieser Technologie.

Schätzungen zufolge könnte der Betrieb dieses sowie konkurrierender Projekte in Zukunft mehrere Gigawatt Leistung erfordern. Zum Vergleich: Ein modernes Atomkraftwerk produziert typischerweise etwa ein Gigawatt elektrische Leistung – genug, um rund eine Million Haushalte zu versorgen. Diese Größenordnungen verdeutlichen, dass KI nicht nur den technischen Fortschritt, sondern auch den Energiebedarf in den Mittelpunkt rückt. 

Datenzentren als Energie-Großverbraucher
Der exponentielle Anstieg KI-basierter Anwendungen treibt den Stromverbrauch rasant in die Höhe. Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert, dass sich der Energieverbrauch von Rechenzentren bis 2026 im Vergleich zu 2022 verdoppeln könnte. Parallel dazu bewirken Datenschutzbestimmungen wie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), dass Daten vermehrt lokal verarbeitet werden – ein weiterer Faktor, der den Strombedarf in Europa in die Höhe treibt.

 

Hinzu kommt die fortschreitende Elektrifizierung der Industrie, etwa in den Bereichen Elektrofahrzeuge, grüner Stahl und Wärmepumpen. Der EU Action Plan for Grids prognostiziert bis 2030 eine Erhöhung des unionweiten Strombedarfs um bis zu 60 Prozent. Um diesem massiven Bedarf gerecht zu werden, soll laut des Plans über 500 Milliarden Euro in neue Netzinfrastruktur investiert werden.

2. Versorgungs- und Sicherheitsherausforderungen in der Energiewende

Kontinuierliche Stromversorgung versus erneuerbare Energien
Eine zentrale Herausforderung hierbei ist die kontinuierliche Stromversorgung, die Rechenzentren benötigen. Erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie liefern derzeit noch keine stabile 24/7-Versorgung. Dadurch bleibt Europa weiterhin auf fossile Energieträger wie Erdgas angewiesen, was mit den Klimazielen in Konflikt steht. Auch die Kernenergie gewinnt in diesem Zusammenhang wieder an Bedeutung – auch wenn sie in Deutschland und anderen Teilen Europas umstritten bleibt. Innovationen in Energiespeicherung und Netzflexibilität sind deshalb unverzichtbar, um Europa auf dem Weg zur Klimaneutralität wettbewerbsfähig zu halten.

Strategische Unabhängigkeit und Europas Achillesferse
Der im März 2025 präsentierte Plan „ReArm Europe“ der EU-Kommission im Umfang von 800 Milliarden Euro unterstreicht Europas Bestreben, sich vor allem im militärischen Bereich wehrhafter sowie strategisch unabhängiger von den USA aufzustellen. Zugleich zeigt die aktuell weiter wachsende Abhängigkeit von amerikanischen Tech-Giganten wie Microsoft und Open AI eine kritische Schwachstelle auf. Europas abhängige Energie- und Dateninfrastruktur macht es strategisch angreifbar, was verstärktes politisches Handeln erforderlich macht.

Als Zwischenfazit lässt sich somit konstatieren: Der Wettlauf um die Vorherrschaft bei Künstlicher Intelligenz und Datenverarbeitung wird sich kaum verlangsamen, eher im Gegenteil. Energie spielt dabei eine Schlüsselrolle, man kann getrost von einem Mega-Investitionszyklus in die entsprechende Infrastruktur sprechen.

3. Investmentperspektiven im Versorgersektor

Infrastrukturinvestitionen und steigende Verschuldung
Ein großer Teil des massiven Investitionsbedarfs wird durch Fremdfinanzierung gedeckt. Die Kapitalmärkte spielen hierbei eine Schlüsselrolle. Investoren blicken insbesondere auf den Versorgersektor – sowohl auf integrierte Energieversorger als auch auf unregulierte Erzeuger mit flexiblen Portfolios – wie etwa Gaskraftwerke. Zwar sind vor allem erstere Unternehmen traditionell defensiv und weisen stabile Cashflows auf, jedoch führt der Ausbau der Netzinfrastruktur und anderer Investitionsprojekte kurzfristig zu einem Anstieg der Verschuldung und damit zu höheren Risikoprämien.

Chancen und Risiken für Anleiheinvestoren
Die aktuellen Marktgegebenheiten zeigen, dass Anleihen im Versorgersektor historisch „günstig“ bewertet werden – sie werden mit relativ hohen Risikoaufschlägen beziehungsweise Preisabschlägen gehandelt (siehe Grafik). Trotz Transformations- und Kreditrisiken, die durch umfangreiche Infrastrukturinvestitionen entstehen, bietet dieser Sektor Investoren somit einen guten Einstieg.

Die defensive Natur des Versorgersektors, gestützt durch regulatorische Stabilität und planbare Ertragsströme, macht ihn zu einem potenziellen Puffer gegen konjunkturelle Schwankungen. In vergangenen Krisenphasen, wie etwa während der Covid-Zeit, führte diese Stabilität zu einer deutlichen Outperformance der Risikoprämien im Vergleich zum Gesamtmarkt. Derzeit deutet wenig darauf hin, dass sich dieses defensive Verhalten in der Mehrheit der denkbaren Krisenszenarien ändern wird. Gleichzeitig profitieren Anleger von einer attraktiven laufenden Verzinsung („Carry“).

 

Grafik: Differenz in Risikoprämie von Anleihen des globalen Versorgersektors gegenüber dem globalen Gesamtmarkt Investment Grade Corporate
Quelle: Bloomberg, Allianz Global Investors – basierend auf den Indizes LGCPTRUU Index und I09853US Index (Stand: 19. März 2025).

Politische Maßnahmen und ihre Wirkung
Um die Energiewende voranzutreiben und gleichzeitig die finanzielle Attraktivität des Sektors zu steigern, ist die Unterstützung durch politische Entscheidungsträger gefordert. Neben schnelleren Kostenerstattungen – etwa durch beschleunigte Abschreibungen oder eine raschere Einbindung von Infrastrukturkosten in regulierte Tarife – könnten Maßnahmen zur Verbesserung der Eigenkapitalrendite helfen. Ebenso könnten vor allem in Europa günstige Darlehen aus öffentlicher Hand und gezielte Eigenkapitalzuschüsse in Unternehmen dazu beitragen, die Finanzstruktur der Versorger zu stärken und deren Ratings zu schützen.

4. Fazit

Der Wettlauf um die Vorherrschaft im Bereich der KI und Datenverarbeitung bringt einen gewaltigen Energiebedarf mit sich – und somit einen Mega-Investitionszyklus in die entsprechende Infrastruktur. Für Anleiheinvestoren ergeben sich in diesem Kontext interessante Chancen:

 
  • Defensive Stabilität und attraktive Renditen: Trotz kurzfristig steigender Verschuldungsgrade bieten stabile Cashflows und die regulatorische Planbarkeit des Versorgersektors einen guten Schutz gegen Marktschwankungen.
  • Risikoprämien als attraktiver Einstiegspunkt: Die aktuell beobachtbaren erhöhten Risikoprämien gegenüber dem globalen Gesamtmarkt bieten eine interessante Gelegenheit, den Sektor innerhalb eines diversifizierten Kreditportfolios höher zu gewichten.
  • Gezielte Gewinner im Transformationsprozess: Unternehmen, die frühzeitig und konsequent in nachhaltige Energiequellen, Speichertechnologien und Netzstabilität investieren, könnten sich mittel- bis langfristig als klare Gewinner herausstellen.

Insgesamt ist somit festzuhalten, dass trotz der Herausforderungen durch den steigenden Energiebedarf und die Transformation durch die Energiewende die Chancen im Anleihemarkt des globalen Versorgersbereichs überwiegen. Für Investoren ergeben sich solide Perspektiven, die defensive und renditestarke Eigenschaften verbinden.

Über den Autor:

Lukas Gabriel ist seit Januar 2023 Senior Portfoliomanager bei Allianz Global Investors. Weitere Karrierestationen waren bei H&A Global Investment Management, Pimco, Citi und der Helaba.

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