Von KI bis Blockchain Diese Technologien verändern die Anlagegrenzprüfung im Asset Management

Vitalii Burlaka, Evelyn Scheller und Benjamin Jungbluth (von links)

Vitali Burlaka, Evelyn Scheller und Benjamin Jungbluth (von links) von EY erläutern, wie neue Technologien die Anlagegrenzprüfung automatisieren können. Foto: EY

Kapitalverwaltungsgesellschaften, Verwahrstellen und Asset Manager betreuen und managen in der Regel eine Vielzahl von Mandaten – hierbei sind Regelungen zu erlaubten Wertpapierarten, Aktien-/Rentenquoten, Mindestratings oder der Einsatz von Derivaten zu beachten. Die Mandate beinhalten wiederum selbst eine große Zahl unterschiedlichster Restriktionen.

Die Nichteinhaltung der Anlagegrenzen kann zu Schadensersatzforderungen von Anlegern oder zu behördlichen Sanktionen führen und obendrein die Reputation schädigen. Außerdem können hohe Kosten durch die Korrektur entsprechender Wertpapiergeschäfte entstehen. Daher müssen Anlagegrenzen im Investitionsprozess nicht nur berücksichtigt, sondern auch entsprechend überwacht werden. Um die Überwachung und Einhaltung der Restriktionen zu bewerkstelligen, werden diese in speziellen IT-gestützten Compliance Systemen implementiert.

Die Datenverfügbarkeit und die Nutzbarkeit durch diese Systeme haben Einfluss auf die Umsetzung der Anlagegrenzen. Für die Überprüfung der Daten werden bestimmte Datenfelder der Wertpapierinstrumente herangezogen. Diese unterscheiden sich bei den Datenanbietern. Die Qualität der Daten und die Fähigkeiten des eingesetzten Systems haben Einfluss darauf, ob die Anlagegrenzen genau geprüft, gar nicht geprüft (nicht-kodierbare Restriktionen) oder nur teilweise geprüft (restriktiver umgesetzt – sogenannte „False Positives“) werden.

Bei Neuemissionen werden Daten anfangs geschätzt

Eine Herausforderung bei allen Datenanbietern und eingesetzten Systemen besteht besonders bei Neuemissionen. Hier werden anfangs die entsprechenden Daten geschätzt. Weichen diese hinterher jedoch ab und passen die Instrumente nicht mehr ins Anlageuniversum, müssen die diese wieder verkauft werden. Weil die Einhaltung der Anlagebedingungen durch verschiedene Parteien bestimmt beziehungsweise überwacht werden, ergeben sich schon vor der Implementierung Fragen bezüglich der auszuwählenden Datenfelder. Für Anlageuniversen gibt es zwar grobe Definitionen, die sich aber in Einzelheiten unterscheiden und vor der Implementierung geklärt werden müssen.

Hier ein Beispiel für „deutsche Aktien“:

  • Wird das Herkunftsland über das Land des Emittenten oder des Konzerns bestimmt?
  • Was fällt unter Aktien? Welche Ausprägungen (zum Beispiel Stammaktien, Vorzugsaktien, Depository Receipts) gehören dazu?
  • Gibt es Definitionen durch die Gesetzgebung (bei internationalen Asset Managern)?

Die Verhinderung der aktiven Anlagegrenzverletzungen – nicht durch Bewegungen der Marktpreise, Änderungen des Kreditratings der Emittenten bedingten Verletzungen – stellen für einen Asset Manager eine große Herausforderung dar. Falls ein Schaden gegenüber Kunden im Rahmen des Investitionsprozesses entstanden ist, muss der Asset Manager die Verletzung zum Beispiel durch den Verkauf des nicht erlaubten, gekauften Titels beheben und dabei den Verlust dem Kunden gegenüber kompensieren. Die Höhe des Verlusts hängt von der Höhe der betroffenen Position, den Preisschwankungen bei dem relevanten Finanzinstrument und der Dauer der Verletzung ab. Beispielsweise kann eine nicht gemäß der Anlagerichtlinien gekaufte Position von 1 Million Euro bei einem um ein Prozent fallenden Preis einen Schaden von 10.000 Euro für den Asset Manager verursachen.

 

Bei der Überwachung gilt es stets im Auge zu behalten, ob die Anlagegrenzen ausreichend implementiert wurden oder ob die „False Positives“ tatsächlich keine Anlagegrenzverletzungen sind. Die Auswertung erfolgt anhand der Analyse der potenziellen Grenzverletzungen, die im System gespeichert werden. Außerdem sollten dabei auch Erweiterungen im System, also die Möglichkeit der Kodierbarkeit, oder neue gesetzliche Anforderungen berücksichtigt werden.

Anlagegrenzprüfung: Bei Alternativen Investments oft manuelle Prüfung

Durch das regulatorische Umfeld und Markttrends müssen die Anlagegrenzen stets aktualisiert werden. Die Integration der Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR) beinhaltet die Umsetzung der Principle Adverse Impact Indikator“ (PAI) negative Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren. Diese können in der Anlagegrenzprüfung direkt über die Integration der Faktoren mit entsprechender Datenanbindung integriert werden oder über entsprechende Positiv- oder Negativlisten. Ebenso die EU-Taxonomieverordnung. Hier unterstützen Anlagegrenzen den Portfoliomanager bei der Berücksichtigung dieser Faktoren.

Mit der Erweiterung des § 284 im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) durch das im Juni 2021 verabschiedete Fondsstandortgesetz (FoStoG) sind nun Kryptowerte zulässige Vermögensgegenstände für Spezial-AIF und müssen ebenso in den Anlagegrenzen berücksichtigt werden. Herausforderungen für die Überwachung der Kryptowerte bestehen in der Verfügbarkeit der Daten und die Abbildbarkeit im entsprechenden Anlagegrenzprüfungssystem. Bei etablierten Kryptowerten sind tagesaktuelle Daten inzwischen verfügbar und damit auch bewertbar.

Die gleiche Herausforderung besteht für konventionelle Alternative Investments. Während Immobilien inzwischen gut abgebildet werden können, müssen Möglichkeiten der automatischen Verarbeitung für Private Equity, Private Debt und Darlehen verbessert werden. Da die Daten bei diesen Anlageinstrumenten individuell sind, ist ein manueller Prozess notwendig. Die Integration neuer Module oder Systeme wird auch die Anlagegrenzprüfung erleichtern.

 

Blockchain könnte Lücke der Anlagegrenzprüfung im Intraday-Trading schließen

Neue Technologien wie die Blockchain können die Anlagegrenzprüfung in verschiedenen Bereichen effizienter gestalten. Eine allgegenwärtige Herausforderung in der Anlagegrenzprüfung ist die aktuelle Portfoliozusammensetzung. Asset Manager kennen nur die ungefähre Portfoliozusammensetzung. Der Stand über das Settlement der Trades und die aktuellen Cashquoten werden in der Regel einmal pro Tag von der Verwahrstelle übermittelt. Durch die Nutzung der Blockchain Technologie (Distributed Ledger) können Transaktionen hingegen in Echtzeit bestätigt werden und alle Parteien (Asset Manager, Verwahrstelle, KVG, Portfoliomanager, Anlagegrenzprüfung) haben stets den gleichen Stand über die zur Verfügung stehenden Assets, Cash, erfolgte Transaktionen und den damit aktuellen Auslastungen der entsprechenden Limite.

 

Ebenso wäre es möglich, Intraday-Trading zu überwachen. Sollte es im Laufe des Tages zu einem Verstoß gegen eine Anlagegrenze kommen und diese noch am gleichen Tag korrigiert werden, würde es die Verwahrstelle und die KVG (bei ausgelagerten Mandaten) gegenwärtig nicht merken, da die Prüfung nur einmal pro Tag durchgeführt wird. Sollte regulatorisch entschieden werden, dass die Überwachung durch die Verwahrstelle fortlaufend zu erfolgen hat, könnte die Blockchaintechnologie dafür eingesetzt werden und damit die Lücke im Intraday-Trading schließen.

Wie STP und KI die Anlagegrenzprüfung unterstützen

STP (Straight Through Processing) zielt darauf ab, die Geschwindigkeit und Effizienz von Transaktionen zu verbessern und gleichzeitig operatives Risiko zu minimieren und die Konzentration auf Kernaufgaben der Teams zu ermöglichen. Bei Spezialfonds kann die Erfassung der Anlagegrenzen durch Eingabe über die Nutzeroberfläche zum Beispiel mit einem Tablet mit dem Vertrieb, dem Kunden und dem Portfoliomanager erfolgen. Über das gleiche System können Dokumente gespeichert und verwaltet werden. Mit der Einbindung der KVG können die Anlagegrenzen standardisiert und vereinfacht an den Kunden kommuniziert werden. Die verschiedenen involvierten Facheinheiten haben gleichzeitig Zugriff auf die für sie relevanten Informationen.

Aber auch Trends wie Künstliche Intelligenz (KI) können die Anlagegrenzprüfung unterstützen. Anlagegrenzen können durch die KI automatisch aus den Anlagebedingungen ausgelesen, normalisiert und ins System übertragen werden. Bei Änderungen in den Anlagebedingungen können die Grenzen automatisch im System angepasst werden. Portfoliomanager können die KI heranziehen, um bei der Portfoliomodellierung die Grenzen effektiv auszunutzen. Kommt es dann bei Transaktionen im System zu Meldungen, dass ein Verstoß gegen die Restriktion vorliegt, kann die KI es ermöglichen, anstatt stichpunktartiger und kryptischer Nachrichten dem Portfoliomanager einen genaueren Text zur Anlagegrenzverletzung anzuzeigen.

 

Beispiel: Es gibt einen Verstoß gegen eine Restriktion, die ein Limit für europäische Aktien beinhaltet. Die KI generiert einen Text, welche Wertpapiere gegen diese verstoßen beziehungsweise wie das Limit korrigiert werden kann. Außerdem ist es für den Portfoliomanager möglich, durch einen Verweis direkt auf den entsprechenden Abschnitt in den Anlagegrenzen, der Anlagebedingungen oder sogar auf den Passus im Gesetz, sich darüber zu informieren, warum es zur Meldung kam.

KI kann wiederholende Muster für Anlagegrenzprüfung hervorsehen

Bei der Überwachung unterstützt die KI bei der Analyse das Anlagegrenzprüfungsteam. Insbesondere die „False-Positives“ können in der Überwachung und Bewertung bei großen Asset Managern zu vielen Einträgen in der Datenbank führen. Die KI kann sich wiederholende Muster auslesen und die Fälle für das Anlagegrenzprüfungsteam hervorheben, die noch mal geprüft werden müssen. Die KI kann außerdem eingesetzt werden, passive Überschreitungen in den Portfolios durch die Analyse von Marktdaten, Trends und den Zusammensetzungen der Portfolios und den entsprechenden Anlagegrenzen hervorzusehen. 

Für die Zukunft bedeuten diese Trends für die Asset Manager, Kapitalverwaltungsgesellschaften und Verwahrstellen eine Auseinandersetzung mit ihren Prozessen und IT-Kapazitäten. Neue Technologien können dazu beitragen, die Erfassung der Anlagegrenzen und Überwachung von Portfolios zu automatisieren, was Zeit spart und das Risiko menschlicher Fehler verringert. Sie haben jedoch Grenzen und können die menschliche Beurteilung oder Aufsicht nicht vollständig ersetzen.


Über die Autoren:

Benjamin Jungbluth verantwortet bei EY die Themen Transformation, Digitalisierung und Automatisierung, Umsetzung von regulatorischen Anforderungen sowie Carve-Out und M&A Transaktionen. Evelyn Scheller ist Managerin bei EY Teil des Beratungsgeschäfts für Wealth & Asset Management in Deutschland. Sie berät seit mehr als zehn Jahren Asset Manager in den Bereichen Front-Office-Systeme und IT Transformation. Vitali Burlaka ist Senior Consultant bei EY und Teil des Beratungsgeschäfts für Wealth & Asset Management in Deutschland. Er verfügt über mehrere Jahre Berufserfahrung in der Finanzbranche und ist spezialisiert auf Data Management and Investment Restrictions.

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