Investments in den Emerging Markets (EM) – ob Aktien, Unternehmensanleihen oder Währungen – haben in den vergangenen Wochen stark gelitten. Hauptgründe sind vor allem höhere US-Zinsen und der stärkere US-Dollar. Beides führt zu einem unvorteilhaften Umfeld für die Refinanzierung von Unternehmensanleihen in den Schwellenländern.
Nicht nur Unternehmen in den USA und Europa haben das niedrige Zinsumfeld der vergangenen Jahre massiv dazu genutzt, so viel Schulden wie möglich aufzunehmen – siehe Conren-Kolumne: Vermeintlich risikofreie Unternehmensanleihen – Das aktuell größte Risiko für Anleihe- und Aktienmärkte. Auch in den Emerging Markets ist das geschehen.
Die Verschuldung ist extrem schnell angestiegen: Die Verbindlichkeiten von Unternehmen und Staaten haben sich in den zurückliegenden zehn Jahren in etwa verdreifacht, von rund sechs auf 20 Billionen US-Dollar. Das Problem: Allein in den kommenden zweieinhalb Jahren haben EM-Schuldner rund 4,5 Billionen US-Dollar davon zu refinanzieren. Sollte sich das Umfeld nicht ändern, kann es hier zu einer ganz erheblichen Katerstimmung kommen.
Verschuldungsvolumen bereitet Kopfschmerzen
Bei EM-Anleihen spielt zusätzlich die Währungskomponente eine Rolle: Bei Schuldtiteln in harter Währung kann es insbesondere bei einem stark steigenden US-Dollar schnell zu Bilanzproblemen kommen. Vor dem Hintergrund währungsbedingter Emerging-Market-Krisen aus der jüngeren Vergangenheit – erinnert sei an die Asienkriese Ende der 1990-er Jahre, die gezeigt hat, was bei zu hohem Fremdwährungsrisiko passieren kann – drängt sich die Frage auf: Wurde nichts dazugelernt?
Auf den ersten Blick schon: Die Verschuldungsrelationen in den Emerging Markets sind aktuell insgesamt nicht mehr so Fremdwährungs-lastig. Anleihen in Hartwärhung machen heute weniger als zehn Prozent der Gesamtverschuldung aus. Dennoch: Das schiere Verschuldungsvolumen bereitet Kopfschmerzen.
Allerdings sind die Schwellenländer heute heterogener als früher. Sie verfügen über nationale Stärken in unterschiedlichen Industrien: Die einen fördern vor allem Rohstoffe, die anderen produzieren Low-Tech-Güter, wieder andere sind auf High-Tech-Erzeugnisse spezialisiert. Was Emerging Markets, bei allen regionalen Besonderheiten, als Investmentmärkte gleich macht, ist ihre hohe Abhängigkeit von ausländischen Investoren und dem US-Dollar. Bei Korrekturen werden sie immer noch als risikobehafteter angesehen als die entwickelten Märkte.
Einzelne Emerging Markets bleiben – vor allem für langfristig denkende Investoren – trotz der hohen Verschuldungsquoten interessant. Auch gibt es aus konjunktureller Sicht viel Positives zu beobachten: hohes Wachstum bei schwindender Inflation, historisch betrachtet vernünftigere Bewertungen und eine insgesamt höhere politische Stabilität als noch vor 20 Jahren. Hinzu kommen oft gute Leistungsbilanzen, besser funktionierende heimische Anleihenmärkte, hohe Währungsreserven und eine wachsende sowie im Vergleich zu den Industriestaaten obendrein deutlich jüngere, also wissensdurstige und wohlstandshungrige Bevölkerung.
Solange ihre Volkswirtschaften überproportional wachsen, die Inflation niedrig bleibt und der Anteil der Verschuldung in Fremdwährungen nicht wesentlich steigt, desto interessanter sind EM-Anleihen. Höhere Renditechancen gehen selbstverständlich mit höheren Volatilitäten einher. Wie diversifizierend Anlagen in Schwellenländern für Portfolios in einem Bärenmarkt sein werden, ist allerdings fraglich. Die anbrandende, weltweite Refinanzierungswelle ist jedenfalls für alle Märkte ein schwieriger Prüfstein.
Über den Autor:
Andreas Lesniewicz hat als Geschäftsführer des Salmuth‘schen Family Investment Office die Investmentgesellschaft Conren im Jahr 2004 mit aufgesetzt. Er ist seitdem Geschäftsführer der Conren Research sowie Vorsitzender des Verwaltungsrates des Mischfonds Conren Fortune.