Abendessen mit Bert Flossbach „Kapitalerhalt bedeutet Vermögensverlust“

Bert Flossbach, Flossbach & von Storch

Bert Flossbach, Flossbach & von Storch

Die Vorspeise: Ein bunt gefüllter Wrap an Avocado-Pesto. Weißwein: Riesling. Wasser.

Nüchtern und recht hölzern fällt das Motto der Gesprächsrunde aus: „Von der alten kontinuierlichen Welt in die neue diskontinuierliche Welt“. Oder: Nichts ist mehr so, wie es mal war und alles bleibt anders.

Griechenland, Irland, demnächst Portugal. „Man kann nur hoffen, dass sich vor Weihnachten niemand auf Spanien einschießt. Dann kann man nur noch beten“, so Flossbach. Telefonica-Anleihen sind heute schon sicherer als Spanien-Schuldscheine. „Staaten haben heute keine realistische Chance ihre Schulden zurückzuzahlen“.

Sein roter Faden zur Vorspeise verläuft durch die drohenden Staatspleiten und die vollkommen unerwarteten Kapitalmarktereignisse vergangener Monate und Jahre. Die Einbrüche der Geldmarktfonds vor zwei Jahren, der abenteuerliche Anstieg der VW-Aktie auf über 1.000 Euro, ein 10-Prozent-Crash des Dow Jones in nur zwei Minuten und nicht zuletzt auch Madoff hätten gezeigt, dass die „schwarzen Schwäne“ zunehmen. Diesem Phänomen sei anhand herkömmlicher Analysen nicht mehr beizukommen.

Flossbach läuft warm und nimmt sich angesichts des Chaos Portfoliotheorie und Risikosteuerung vor: „Dass die Markowitz-Theorie heute noch Bestandteil von Lehre und Praxis ist, ist unbegreiflich. Der Mann traut der eigenen Analyse inzwischen ja selbst nicht mehr“.

Mit der Risikokennziffer Value at Risk (VAR) kann der Kölner Vermögensverwalter (fast 4 Milliarden Euro verwaltetes Kapital) auch nichts anfangen. „Sie ist Schwachsinn. Die Ungewissheit lässt sich nicht berechnen, sondern nur schätzen. Value at Risk treibt Investoren nur in vermeintliche sichere Anlagen oder hält sie davon ab, langfristig ertragsreiche Investments zu tätigen“.

Das gleiche gilt für Risikosteuerungen nach CPPI-Modellen, die sich in vielen Versicherungen befinden. Diese Modelle würden in Folge eines Flashcrashs - einem ebenso kurzen wie ungewöhnlich heftigen Markteinbruch -, „selbsterfüllend das Chaos noch verstärken“. Offene Immobilienfonds bekommen auch ihr Fett weg. „Es ist eine Fiktion gewesen, zu glauben, dass die Fonds nicht fallen können, die sind eine Mogelpackung“, so Flossbach.

Der Hauptgang: Feinstes US-Beef, das die Nähe von Spinat, Kartoffelpüree, Fritten, Gemüse und allerlei Soßen nicht verdient gehabt hätte. Rotwein: Zweigelt. Wasser.

Flossbach mag Fritten („Die bleiben schön hier“). „Zweigelt mag ich nicht“. Er schätzt die Italiener. Das jüngste Investment steht im eigenen Keller im feinen Kölner Stadtteil Rodenkirchen. Edler italienischer Brunello de Montalcino, Rotweinkisten dutzendweise.

Fast wäre es ein Schnäppchen geworden, weil der Händler Einkaufs- und Verkaufspreis zu Flossbachs Gunsten durcheinander brachte. „Das fiel meiner Frau auf, als sie den Wein gegoogelt hat“. Man hat sich geeinigt.

Gesprächsthema am Tisch ist die Inflation. Die ist schon längst da, wird aber nicht ausgewiesen, weiß Flossbach mit einer Anekdote aus der eigenen Nachbarschaft zu belegen. Britischer Toyota-Ingenieur (Formel 1) kauft vor drei Jahren ein Haus („Fünfziger Jahre, Anbau aus den 70ern, nichts dolles“) für 530.000 Euro.

Nun zieht er nach Großbritannien und hat verkauft: 730.000 Euro. „Diese Art von Inflation wird sich ausdehnen, Banken vergeben heute bis zu 40 Prozent mehr Immobilienkredite. Sie wird sich auch auf andere Güter ausweiten“.

So erhöhe Ferrari im kommenden Jahr die Preise um über 5 Prozent („Stört weder die Chinesen noch die Inder“). Noch ist Inflation also ein Luxusproblem in Köln-Rodenkirchen und Maranello.

Es sind nicht höhere Löhne und gestiegene Produktivität wie in der Vergangenheit und in den Warenkörben der Statistiker schlägt sich die Inflation noch nicht nieder. „Das ist der Politik nur recht, weil die Zentralbanken sonst die Zinsen erhöhen müssten und das wäre der todsichere Bankrott vieler europäischer Staaten“.

In den USA werde zudem besonders eindeutig darauf verwiesen, dass sich die Geldentwertung noch im Rahmen halten. Damit sichere man sich schon die nächstfällige Absolution zum Gelddrucken. „QE3 ist sicher und Papiergeld wird einen weiteren massiven Vertrauensverlust erleiden und mittelfristig wird die Inflation kommen, 10 Prozent und mehr“.

Zum Dessert: Ein mächtiges Mousse au Chocolate mit allerlei Kügelchen und Stäbchen. Doppelter Espresso. Wasser.

„Die kommenden Jahre erfordern Flexibilität und ein radikales Umdenken von Investoren, denn nominaler Kapitalerhalt kann Vermögensverlust bedeuten“, sagt Flossbach. Trotz Höchstkursen empfiehlt er Gold. „Gold erlebt in Relation zum Geldmengenwachstum eine Baisse, wird billiger“.

Es sei ein Währungs-, kein Rohstoff-Investment. Mindestanteil im Portfolio: 10 Prozent. Und Aktien: Sie sind der perfekte Inflationsschutz. Nicht die Schwellenländer und nicht per se. Doch Unternehmen, die all das herstellen und fördern, was Chinesen und Inder bräuchten und die flexibel ihre Kosten an den Markt weitergeben können, seien eine treffliche Anlage.

Etwa der Bergbauriese BHP. „Das Unternehmen ist global diversifiziert, da kann keine Regierung aus Verzweiflung einfach in die Mine greifen.“ Nur Unternehmen, die schon jetzt Preise für künftige Lieferungen festlegen müssten (Telekoms mit langen Verträgen oder Schwermaschinen-Hersteller, die erst in drei Jahren liefern), dürften wegen der Inflation Probleme bekommen.

Daher favorisiert Flossbach eher Nestle oder den Luxuskonzern Richemont. „Bis China erste eigene Luxusmarken entwickelt, vergehen 30, 50, 100 Jahre. Vor 30 Jahren hat sich auch keiner gerne in einen Audi gesetzt“.

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