Martin Rohm, Leiter der Kapitalanlage der ALH-Gruppe Nachhaltigkeit bedeutet für mich …

Martin Rohm begann seine Karriere 1991 bei der Volkswohl Bund Lebensversicherung, war seit 1996 Mitglied des Vorstands. 2013 wechselte Rohm zur ALH-Gruppe, bei der er die Verantwortung unter anderem für die Kapitalanlage trägt und zu den Vorständen der Gr

Martin Rohm von der ALH-Gruppe: „Wird ein Unternehmen jedoch fälschlicherweise oder zu Recht des Greenwashings in der Öffentlichkeit bezichtigt, führt dies unweigerlich zu einem enormen Reputationsschaden mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen bis hin zu persönlichen Konsequenzen. Diesen Balanceakt zu meistern, ist derzeit eine der großen Herausforderungen in der Kapitalanlage.“ Foto: ALH-Gruppe

… in erster Linie, die Gelder unserer Kunden verantwortungsvoll und mit Weitsicht zu investieren. Wir tragen als Versicherungsgruppe eine gesellschaftliche Verantwortung und möchten dieser gerecht werden. Dabei ist die Kapitalanlage einer unserer wirkungsstärksten Hebel.

Doch auch mit unserem sozialen Engagement sowie verantwortungsvoller Unternehmensführung, Produktgestaltung und betrieblichen Umweltschutzmaßnahmen können wir einen spürbaren Beitrag leisten. Ich bin stolz, dass die ALH-Gruppe sich in all diesen Handlungsfeldern konkrete Ziele gesetzt hat und darauf hinarbeitet, sie zu erreichen.

Gleichzeitig bleibt unser höchstes Ziel als Versicherer, die langfristigen Versprechen an unsere Kunden zu erfüllen. In der Kapitalanlage investieren wir deshalb insbesondere in langlaufende festverzinsliche Papiere mit hoher Bonität. Daneben bauen wir schon seit 2016 unsere Investments in alternative Assets kontinuierlich aus. Aktuell machen festverzinsliche Anlagen knapp 73 Prozent unseres Portfolios aus, Infrastruktur-Anlagen fast 11 Prozent mit einem Volumen von 3,8 Milliarden Euro.

Klimaneutral bis 2050

Übergreifend haben wir uns in der ALH-Gruppe ambitionierte Ziele für den Klimaschutz gesetzt und wollen bis 2050 das Ziel der Klimaneutralität in unseren Investments erreichen. Wie kommen wir dahin? Einige Schwerpunkte auf unserem Weg sind:

Dekarbonisationsziel

Bis 2025 wollen wir den CO2-Fußabdruck unseres Aktien- und Unternehmensanleihen-Portfolios gegenüber 2021 um 25 Prozent gesenkt haben. Dafür haben wir strikte Ausschlusskriterien formuliert, beispielsweise die Förderung und die Verstromung von Kohle und Erdöl oder die Förderung von Öl und Gas im Rahmen vom Arctic Drilling Darüber hinaus ist der überwiegende Teil unseres Aktienportfolios in Strategien investiert, die den Vorgaben der EU-Benchmark-Regulierung zu einer Climate Transition Benchmark oder einer Paris Aligned Benchmark genügen.

 

Neben umfangreichen Ausschlüssen soll jedes Jahr eine weitere Reduktion der CO2-Intensität um 7 Prozent erfolgen, um das langfristige Ziel der Klimaneutralität zu erreichen.

Green Bonds

Unsere Anlagen in Anleihen und vergleichbare Wertpapiere, die zur Finanzierung von Klima- und Umweltschutzprojekten sowie sozialer Infrastruktur dienen, wollen wir bis Ende 2025 auf 1,75 Milliarden Euro ausbauen. Dazu zählen beispielsweise Green, Social oder Sustainable Bonds, bei denen die Emittenten schon vor der Emission festlegen, in welche Umwelt-, Klimaschutz- oder Sozialprojekte die Gelder konkret fließen sollen.

Infrastruktur und Immobilien

Auch mit unseren Investments in Infrastruktur und Immobilien können wir einen Beitrag für mehr soziale und ökologische Nachhaltigkeit leisten, den die Menschen direkt erleben können. So haben wir bereits europaweit 3,8 Milliarden Euro in Infrastruktur investiert, beispielsweise zur Gewinnung von elektrischem Strom aus alternativen Energiequellen: Unser Portfolio indirekter eigenkapitalfinanzierter Investitionen umfasst 41 Anlagen mit 700 Megawatt Kapazität, vor allem Wind- und Solarparks, die heute mehr als 1,6 Terawattstunden Strom pro Jahr erzeugen.

Zu unseren indirekten Infrastruktur-Investments zählen darüber hinaus Glasfasernetze, Rechenzentren und Funktürme als Basis für digitale Kommunikation.

Der Gebäudesektor ist nach Angaben des Bundesumweltministeriums für 25 Prozent der gesamten direkten und indirekten CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Daher wollen wir bei unseren Wohnimmobilien im Direktbestand bis Ende 2025 den Co2-Fußabdruck um 20 Prozent gegenüber Ende 2020 verringern.

Auf dem Weg dahin haben wir schon vieles erreicht. Durch den Neubau und Zukauf von energieeffizienten Gebäuden sowie die energetische Sanierung von Bestandsimmobilien erwarten wir eine weitere Reduktion der durchschnittlichen Treibhausgasemissionen unseres direkt gehaltenen Immobilienbestands.

 

Regulatorik treibt und bremst

Mit den neuen Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) wird einerseits für mehr Transparenz am Markt gesorgt und die aktive Auseinandersetzung von Unternehmen mit den Auswirkungen ihres Wirtschaftens verstärkt. Auf der anderen Seite stoßen wir als großer mittelständischer Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit zunehmend an unsere Grenzen. Nicht nur, weil die umfangreiche Berichterstattung personelle Kapazitäten bindet, sondern auch, weil die erforderlichen Daten oft gar nicht verfügbar sind.

Zudem gibt es bisher keine einheitliche Definition für nachhaltige Investments, allenfalls ein abstraktes Rahmenwerk mit Mindestanforderungen. Aus diesem Grund muss jedes Unternehmen, das seinen Kunden nachhaltige Produkte anbieten möchte, eigene Kriterien finden. All dies hat zur Folge, dass wir einige unserer Investments – beispielsweise im Infrastrukturbereich – trotz ihrer offensichtlich positiven Wirkung nicht offiziell als nachhaltig ausweisen. Denn hier droht immer das Risiko, des Greenwashings bezichtigt zu werden.

Den Balanceakt meistern

In der Berichterstattung ist die Benennung von Aktivitäten als „nachhaltig“ wegen regulatorischer Vorschriften mit umfassenden Anforderungen verbunden. Investmentfonds, in die wir schon seit langer Zeit investiert sind, haben teilweise noch keine Klassifizierung nach Artikel 8 oder 9 der Offenlegungsverordnung und berichten nicht den Anteil von Investitionen mit nachhaltigem Charakter oder liefern nicht die erforderlichen Daten. Darunter fallen auch Investitionen in Windkraft- und Solarenergieerzeugung, die wir damit nicht bedenkenlos als nachhaltige Anlagen einstufen können. Hier wird an einer kontinuierlichen Ausweitung gearbeitet.

In der öffentlichen Wahrnehmung spielt Nachhaltigkeit eine größere Rolle als noch vor wenigen Jahren. Deshalb wollen auch wir unser Engagement und unser nachhaltiges Produktangebot proaktiv kommunizieren. Wird ein Unternehmen jedoch fälschlicherweise oder zu Recht des Greenwashings in der Öffentlichkeit bezichtigt, führt dies unweigerlich zu einem enormen Reputationsschaden mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen bis hin zu persönlichen Konsequenzen. Diesen Balanceakt zu meistern, ist derzeit eine der großen Herausforderungen in der Kapitalanlage.

Über den Autor:

Martin Rohm begann seine Karriere 1991 bei der Volkswohl Bund Lebensversicherung, war seit 1996 Mitglied des Vorstands. 2013 wechselte er zur ALH Gruppe, bei der Rohm die Verantwortung unter anderem für die Kapitalanläge trägt und Mitglied der Vorstände der Gruppe ist. 

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